Digitale Briefausgabe Ernst Kantorowicz

Inv.-Nr. 247: Ernst H. Kantorowicz an Friedrich Baethgen, 04.05.1947

Metadaten

Inventar-Nr.: 247
Dateiname: d19470504_kantorowicz_baethgen.xml
Empfänger: Friedrich Baethgen Friedrich Baethgen (1890-1972), dt. Historiker, 1913 bei Karl Hampe über die "Regentschaft von Papst Innozenz III." promoviert. Nach der Habilitation (1920) bei den MGH in Berlin beschäftigt, 1924-1927 außerordentlicher Professor in Heidelberg, wo er Kantorowicz kennenlernte. 1927-1929 2. Sekretär am Preussischen Historischen Institut in Rom, 1929-1939 Ordinarius für Geschichte in Königsberg, 1939-1948 in Berlin, 1948-1959 Präsident der MGH in München.
Schreib-/Versandort: Berkeley, California
Empfängerort: -
Datum des Schreibens: 04.05.1947
Datum des Poststempels: -
Korrespondenzform: Brief
Typ: Typoskript
Umfang: 2 Bl., 4 S.
Aufbewahrung: MGH-Archiv/A 246/II, 5

Brieftext

UNIVERSITY OF CALIFORNIA
DEPARTMENT OF HISTORY
BERKELEY 4, CALIFORNIA

4. Mai 1947.

Lieber Baethgen,

Das ist ja ein phantastischer Reichtum, mit dem Sie mich überschüttet haben. Die grosse Büchersendung kam vor etwa 10 Tagen in meinen Besitz, und ich darf wohl sagen, dass ich meine laufenden Arbeiten völlig vernachlässigt habe, um sozusagen das "Versäumte" dank Ihrer Hilfe nachzuholen. Ich muss gestehen, und ich schrieb in diesem Sinne auch dieser Tage an RothfelsHans Rothfels (1891-1976), dt. Neuzeithistoriker: 1926 Professor in Königsberg, 1934 Entzug des Lehrstuhls nach dem "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums", 1939/40 Emigration nach England bzw. in die USA, ab 1946/47 Professor in Chicago, 1951-1959 in Tübingen [1] , dass sowohl die Qualität wie auch der Umfang des von der Mittelhistorie während des Krieges Geleisteten ganz erstaunlich ist. Der Umfang lässt sich einigermassen aus den Literaturberichten des DADA: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters; Weimar übersehen [2] , obwohl ja doch auch die MÖIGMÖIG: Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung; Köln Weimar Wien [3] und die HZHZ: Historische Zeitschrift (1859- ), von Lokal-Zeitschriften abgesehen, in Betracht zu ziehen sind und alles was mit diesen und dem HJbHJb: Historisches Jahrbuch, hg. im Auftrag der Görres-Gesellschaft (1880- ) usw. zusammenhängt. Die Qualität ist wohltuend. Wir sind hier, wenn Sie von der "Traditio"Traditio: Studies in Ancient and Medieval History, Thought, and Religion, hg. im Auftrag der Fordham University (1943- ) (die Sie hoffentlich bekommen haben) absehen wollen, in der Beziehung wenig verwöhnt, und am wenigsten in Bezug auf wichtige und richtige Problemstellung und Problembehandlung. Aber auch in "Traditio"Traditio: Studies in Ancient and Medieval History, Thought, and Religion, hg. im Auftrag der Fordham University (1943- ) werden Sie bemerkt haben, einen wie überaus grossen Anteil darin die "Zentraleuropäer" beanspruchen dürfen. Ich selbst arbeite, dies nebenbei, an der Zeitschrift nicht mit: Sie kennen meine Einstellung und werden es begreifen, dass ich nicht Fr.IIFriedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250), Kg. v. Sizilien, röm-dt. Kg., 1220-1250 Ks. in seinem Flammensarge zum Rotieren bringen möchte, indem ich unter einem "Imprimatur" publiziere. Ich bin immer noch Ghibelline [4] .

Viele der Arbeiten haben mich verblüfft, und zwar weil ich aus diesen erst ersehe, wie völlig ich in dem gewohnten Denkgleis geblieben bin. ErdmannsCarl Erdmann (1898-1945), dt. Historiker, 1926-1932 Assistent am Preußischen Historischen Institut in Rom, seit 1934 Mitarbeiter der MGH Auslassungen Carl Erdmann, Das ottonische Reich als Imperium Romanum, in: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters 6 (1943), S. 412-441. über das Ottonische Imperiumsproblem und das AachenAachen-Problem deckt sich fast völlig mit dem in den Laudes Ernst H. Kantorowicz, Laudes Regiae: A Study in Liturgical Acclamations and Mediaeval Ruler Worship (University of California Publications in History 33), Berkeley/Los Angeles 1946. Gesagten. Ebenso Klewitz'Hans-Walter Klewitz (1907-1943), dt. Mediävist, ab 1940 Professor für mittelalterliche Geschichte in Freiburg; starb im Ausbildungslager der Waffen-SS Cencius II Hans-Walter Klewitz, Papsttum und Kaiserkrönung. Ein Beitrag zur Frage nach dem Alter des Ordo Cencius II, in: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters 4 (1941), S. 412-443. deckt sich mit meiner Polemik gegen EichmannEduard Eichmann (1870-1946), dt. Kirchenrechtler u. katholischer Priester [5] , bei der es mir nur darauf ankam zu zeigen, dass auch via Laudes Laudes regiae (Herrscherakklamationen) der frühe Ansatz unmöglich ist und dass C II Ordo Cencius II, edd. Paul Fabre/Louis Duchesne, Le Liber censuum de l'église romaine, Bd. 1, Paris 1905-1910, S.1*-6* kaum vor BenedictsBenedikt von St. Peter Ordo Benedikt von St. Peter, Liber politicus, edd. Paul Fabre/Louis Duchesne, Le Liber censuum de l'église romaine, Bd. 2, Paris 1910, S. 139-174. anzusetzen ist; dabei ist es mir völlig einerlei, ob der C II Ordo Cencius II, edd. Paul Fabre/Louis Duchesne, Le Liber censuum de l'église romaine, Bd. 1, Paris 1905-1910, S.1*-6* ans Ende oder in die Mitte und erste Hälfte des 12.Jhdts. gesetzt wird. Er kann jedenfalls nicht vor den Papstlaudes entstanden sein, die ihrerseits erst mit BenedictBenedikt von St. Peter in der neuen Form nachweisbar sind und sich erst kurz vor Innoc.IIIInnozenz III. (1161 geb. als Lotario di Segni), von 1198 bis zu seinem Tod 1216 Papst allseits durchgesetzt haben. Das Überraschende dabei ist natürlich nicht das fast selbstverständliche Ergebnis, sondern die Tatsache, dass KlewitzHans-Walter Klewitz (1907-1943), dt. Mediävist, ab 1940 Professor für mittelalterliche Geschichte in Freiburg; starb im Ausbildungslager der Waffen-SS genau wie ich die "Sängergruppen" analysiert (wenn auch zu anderem Zwecke), so dass meine Sachen fast wie "Plagiat" aussehen können. Mit anderen Dingen geht es ähnlich. In dem Adventus-Aufsatz Ernst H. Kantorowicz, The 'King’s Advent' and the Enigmatic Panels in the Doors of Santa Sabina, The Art Bulletin 26 (1944), S. 207-231. , den Sie ja haben, habe ich (Anm.141) die Interpolation in das C.C. Constitutum Constantini angezweifelt, weil ich indessen den Ordo Rom.IX Ordo Romanus IX, Migne PL 78, Sp. 1003-1010. , genau wie KlewitzHans-Walter Klewitz (1907-1943), dt. Mediävist, ab 1940 Professor für mittelalterliche Geschichte in Freiburg; starb im Ausbildungslager der Waffen-SS, damit in Zusammenhang brachte; und eine Arbeit von mir (Tiara and Officium Stratoris) ist gerade bereit in Druck zu gehen [6] , worin ich allerdings alles noch ein Stück weiter schieben kann als KlewitzHans-Walter Klewitz (1907-1943), dt. Mediävist, ab 1940 Professor für mittelalterliche Geschichte in Freiburg; starb im Ausbildungslager der Waffen-SS.

Sehr gediegen ist natürlich, wie stets, Michels'Anton Michel (1884-1958), dt. kath. Theologe und von 1945 an Professor am Lyzeum in Freising Humbert Sentenzen Anton Michel, Die Sentenzen des Kardinals Humbert. Das erste Rechtsbuch der päpstlichen Reform (Schriften der MGH 7), Leipzig 1943. , doch hätte wohl eine behelfsmässige Ausgabe der beiden UberlieferungsreihenSic! angehängt werden sollen, selbst wenn nach Lage der Hss dies |Seitenwechsel ein schieres Provisorium gewesen wäre. Aber Provisorien sind doch besser als garnichts. Im übrigen ist MichelsAnton Michel (1884-1958), dt. kath. Theologe und von 1945 an Professor am Lyzeum in Freising mit seinem UberreichtumSic! wie stets sehr schwer verdaulich. Er ist wohl der schwerstverdauliche Mediaevalist den ich kenne. Sehr überraschend waren die drei Arbeiten Theodor Mayer, Konrad Heilig, Carl Erdmann, Kaisertum und Herzogsgewalt im Zeitalter Friedrichs I. Studien zur politischen und Verfassungsgeschichte des hohen Mittelalters (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 9), Stuttgart 1944. (Heilig Konrad Josef Heilig, Ostrom und das deutsche Reich um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Die Erhebung Österreichs zum Herzogtum 1156 und das Bündnis zwischen Byzanz und dem Westreich, in: Theodor Mayer, ders., Carl Erdmann, Kaisertum und Herzogsgewalt im Zeitalter Friedrichs I. Studien zur politischen und Verfassungsgeschichte des hohen Mittelalters (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 9), Stuttgart 1944, S. 1-271. -Erdmann Carl Erdmann, Der Prozeß Heinrichs des Löwen, in: Theodor Mayer, Konrad Heilig, ders., Kaisertum und Herzogsgewalt im Zeitalter Friedrichs I. Studien zur politischen und Verfassungsgeschichte des hohen Mittelalters (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 9), Stuttgart 1944, S. 273-364. -Mayer Theodor Mayer, Friedrich I. und Heinrich der Löwe, in: ders., Konrad Heilig, Carl Erdmann, Kaisertum und Herzogsgewalt im Zeitalter Friedrichs I. Studien zur politischen und Verfassungsgeschichte des hohen Mittelalters (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 9), Stuttgart 1944, S. 365-444. ). HeiligKonrad Josef Heilig (1907-1945), dt.-österr. Historiker u. Archivar, den ich nicht kenne, muss doch noch ganz jung sein; jedenfalls hat sein Enthusiasmus und seine Freude über den "Fund" etwas sehr junges und angenehm rührendes an sich [7] . Dazu gehört die Freude des Sich-Ausbreitens usw., aber doch eine schöne Arbeit. Erdmann Carl Erdmann, Der Prozeß Heinrichs des Löwen, in: Theodor Mayer, Konrad Heilig, ders., Kaisertum und Herzogsgewalt im Zeitalter Friedrichs I. Studien zur politischen und Verfassungsgeschichte des hohen Mittelalters (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 9), Stuttgart 1944, S. 273-364. und Mayer Theodor Mayer, Friedrich I. und Heinrich der Löwe, in: ders., Konrad Heilig, Carl Erdmann, Kaisertum und Herzogsgewalt im Zeitalter Friedrichs I. Studien zur politischen und Verfassungsgeschichte des hohen Mittelalters (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 9), Stuttgart 1944, S. 365-444. habe ich erst angelesen, doch hat mich OhnsorgeWerner Ohnsorge (1904-1985), dt. Byzantinist u. Archivar; von 1969 an Professor in Hamburg interessiert [8] , der anscheinend noch in anderen Zeitschriften Interessantes publiziert hat. Wenn Sie ihn sehen sollten oder ihm schreiben, grüssen Sie ihn von mir und sagen Sie ihm, ich sei zum Austausch von Separata sehr gern bereit. Aber ich kann nicht alles mir Gesandte hier "besprechen" - zudem wird es Sie langweilen, das Ihnen Wohlbekannte hier noch einmal vorgekaut zu bekommen. Sehr gefreut hat es mich, dass Sie Ihre Engelspapstarbeiten Friedrich Baethgen, Der Engelpapst. Idee und Erscheinung, Leipzig 1943. so schön abgerundet haben [9] . Ich möchte davon wirklich eine englische Ubersetzung anregen, weil dies Buch so sehr viele Perspektiven eröffnet, die hier unbekannt sind und die hier interessieren würden. Vergessen Sie nicht, dass Joachim von FioreJoachim von Fiore (gest. 1202), kalabresischer Abt u. Geschichtstheologe [10] in die hiesigen Studenten-Historien (die sog.Textbooks) noch nicht eingesickert ist, wonach Sie ermessen können, wie hier schulmässig die Mittelhistorie aussieht. SpeculumSpeculum: A Journal of Medieval Studies, hg. im Auftrag der Medi(a)eval Academy of America (1926-) ist sehr heruntergekommen und hat nur relativ wenig Historisches, meist Vernakular-Sprachliches.

Ich werde Ihnen jedoch eine andere kleine Zeitschrift schicken, Mediaevalia et HumanisticaMedievalia et Humanistica; Cambridge, UK Totowa, New Jersey , von der bisher vier Bändchen erschienen sind, und auch den neuen TraditioTraditio: Studies in Ancient and Medieval History, Thought, and Religion, hg. im Auftrag der Fordham University (1943- )-Band. Ich lege Ihnen ferner den Prospekt der Mediaeval AcademyThe Mediaeval Academy of America (ab ca. 1980 Schreibweise "Medieval") bei, von deren Publikationen das eine oder andere Sie interessieren mag, z.B.No.33 William E. Lunt, Financial Relations of the Papacy with England to 1327 (The Mediaeval Academy of America Books 33/Studies in Anglo-Papal Relations during the Middle Ages 1), Cambridge/Mass. 1939. . Lassen Sie mich wissen, was Sie benötigen. Ich schicke es Ihnen gern, und bin ohnedies in Ihrer Schuld. Leider kann ich Ihnen das interessanteste Buch nicht schicken, weil es wie alle englischen Bücher schon eine Woche nach Erscheinen vergriffen war und für Neuauflagen in England doch das Papier mangelt. Ich meine Wilhelm LevisonsWilhelm Levison (1876-1947), dt. Historiker; seit 1899 Mitarbeiter, seit 1925 Mitglied der Zentraldirektion der MGH. 1939 Emigration nach England. "England and the Continent in the Eighth Century" Wilhelm Levison, England and the Continent in the Eighth Century, Oxford 1946. , ein sehr fein gearbeitetes Werk, das LevisonsWilhelm Levison (1876-1947), dt. Historiker; seit 1899 Mitarbeiter, seit 1925 Mitglied der Zentraldirektion der MGH. 1939 Emigration nach England. unsinniges Wissen über jenes Jahrhundert in eine wirkliche Form bringt. Im Vorwort sagt er übrigens Folgendes:

"I should be untrue to myself if I did not mention my old alma mater BonnensisRheinische Friedrich-Wilhelms-Universität; Bonn and the Monumenta Germaniae HistoricaMGH: Monumenta Germaniae Historica; Berlin (1875-1935) / München (1946-). If my present book is of any use at all, it is based on the foundations laid in connexion with the service I was privileged to perform for these two institutions during many years..."

Sie sehen, dass die Emigration so wenig generell "verdammt" hat [11] , wie die Zurückgebliebenen generell "vernazit" sind, was aus Ihren Sendungen (Vorwort Edmund E. Stengel, [Vorrede zur FS Strecker], in: Corona Quernea. Festgabe Karl Strecker, zum 80. Geburtstage dargebracht (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 6), Stuttgart 1941, p. VII sq. zur StreckerKarl Strecker (1861-1945), dt. Mittellateinischer Philologe; 1907-1912 Mitarbeiter, 1912-1935 gewähltes Mitglied der ZD der MGH-Festschrift Corona Quernea. Festgabe Karl Strecker, zum 80. Geburtstage dargebracht (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 6), Stuttgart 1941. [12] und einige FickermannNorbert Fickermann (1905-1995, ab 1961 Eickermann), dt. Mittellateinischer Philologe; 1936-1945 u. 1947-1957 Mitarbeiter der MGH (Abt. Antiquitates)iana z.B. [13] ) sogar überraschend kräftig zum Ausdruck kommt. Von den KlebelErnst Klebel (1896-1961), österr.-dt. Historiker u. Archivar; von 1927 an zeitweise Mitarbeiter der MGH [14] etc. abgesehen, scheint mir der einzige, der im Jargon klingelt, HeimpelHermann Heimpel (1901-1988), dt. Mediävist; Editor der MGH und von 1946 bis zu seinem Tod Mitglied der Zentraldirektion der MGH zu sein, was ich bedauere [15] . Dazu hat er ein Jahrzehnt an der Seite von RitterGerhard Ritter (1888-1967), dt. Historiker; von 1925 bis 1956 Professor in Freiburg, prägend in der Geschichtswissenschaft der Nachkriegszeit gesessen!! Und RittersGerhard Ritter (1888-1967), dt. Historiker; von 1925 bis 1956 Professor in Freiburg, prägend in der Geschichtswissenschaft der Nachkriegszeit Haltung ist weiss Gott eindeutig gewesen [16] .
Phantastisch ist übrigens die Leistung von ErdmannCarl Erdmann (1898-1945), dt. Historiker, 1926-1932 Assistent am Preußischen Historischen Institut in Rom, seit 1934 Mitarbeiter der MGH in den letzten Jahren gewesen, sowohl was Intensität wie Weite anbelangt. Auf wie viele Gebiete er sich hinausbegeben hat, mit welcher Sicherheit er stets die Probleme trifft (selbst wenn er in den Lösungen bisweilen wohl zu apodiktisch ist), und was alles er überblickt hat, ist fast einzigartig. Es ist ein Jammer, dass dieser Mensch hat zugrunde gehen müssen. Im DArchivDA: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters; Weimar VI,415,n.2 und 425,n.2, kündigt er übrigens |Seitenwechsel eine Arbeit zum nichtrömischen Kaisergedanken und zu Otto III.Otto III. (980-1002), röm.-dt. Kg., 996-1002 Ks. an [17] , die mich ausserordentlich interessieren würde, da ich selbst auch einiges in der Richtung in Arbeit habe - der Weg vom Imperium zur Urbs, den ich S.58ff,103ff der Laudes Ernst H. Kantorowicz, Laudes Regiae: A Study in Liturgical Acclamations and Mediaeval Ruler Worship (University of California Publications in History 33), Berkeley/Los Angeles 1946. angedeutet habe. Ist diese Arbeit erschienen oder ist wenigstens das Ms in seinem Nachlass gerettet? Übrigens möchte ich etwas anregen, nämlich eine Gedenkschrift für ErdmannCarl Erdmann (1898-1945), dt. Historiker, 1926-1932 Assistent am Preußischen Historischen Institut in Rom, seit 1934 Mitarbeiter der MGH, in der vor allem sein eigner Nachlass, falls vorhanden, publiziert werden sollte, sonst aber Beiträge seiner Freunde. Würden Sie die Herausgabe übernehmen? Drucken könnte man wohl in der Schweiz, wenn es in Deutschland nicht geht. Doch schrieb mir Dr.KüpperHelmut Küpper (1904-1956), dt. Verleger, der 1935 den Verlag Georg Bondi übernahm, in dem Werke aus dem George-Kreis und auch englische Romane gedruckt wurden, die Lucy von Wangenheim ins Deutsche übertragen hatte (Georg BondiGeorg Bondi (1865-1935), dt. Verleger, bei dem neben den Werken Stefan Georges auch Kantorowicz' "Kaiser Friedrich der Zweite" erschien Nachfolger), der in GodesbergBonn-Bad Godesberg ist, dass er wieder drucke, und auch LanglotzErnst Langlotz (1895-1978), dt. Klassischer Archäologe mit Verbindungen zum George-Kreis; von 1941 bis 1963 Professor für Klassische Archäologie in Bonn und Direktor des dortigen Akademischen Kunstmuseums hat ein Buch im Druck [18] . UberlegenSic! Sie doch den Vorschlag und besprechen Sie ihn mit anderen [19] .

Indessen haben Sie sicher meine Zeilen erhalten, die ich Ihnen durch den jungen Dr.LilgeFrederic (Friedrich) Lilge (1911-1984), Erziehungswissenschaftler; Professor in Berkeley, 1957/58 Fulbright-Professor in Hamburg [20] geschickt habe. Von ihm freute ich mich zu hören, dass es Ihnen "so weit" gut geht, doch gab er eine jammervolle Beschreibung der Kälte, unter der Sie litten, und der vielen Wollsachen, in die Sie sich einpacken müssen, um dann doch zu frieren. Soll ich Ihnen Kleiderstoff schicken lassen? Es gibt eine Art CARE Paket mit blauem Marinetuch incl. Knöpfen, Garn, Nadeln, Futter etc.? Ebenso gibt es Schuhleder mit allen Materialien, falls die jemand haben, der sie Ihnen machen kann. Dabei fällt mir ein: haben Sie eigentlich je das Paket mit Socken, Thee usw. bekommen? Es gingen an Sie übrigens noch eine ganze Reihe Pakete ab, CARE sowie von irgendeinem anderen Versand. Ich wüsste es gern, ob sie angekommen sind. Sie gingen nicht via JelavichCharles Jelavich (1922-2013), US-amerikan. Osteuropahistoriker, 1949 in Berkeley promoviert, wo er bis zu seinem Wechsel an die Indiana University im Jahr 1961 auch lehrte. Vor der Promotion Teilnehmer an einer von Kantorowicz' Klassen im 'Army Specialized Training Program", ab 1944 Militärdienst und 1946 in Berlin stationiert. [21] . Aber der Winter hat wohl alles verzögert.

Von SchrammPercy Ernst Schramm (1894-1970), dt. Historiker und nach dem Krieg einflussreicher Historiker als Mediävist und als Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs; Mitglied der Zentraldirektion der MGH hatte ich Nachricht. Er ist in grossen Schwierigkeiten, da er nach überstandener Denazifizierung von den Engländern doch nicht wieder eingesetzt ist; sogar sein Vermögen ist ihm gesperrt. Ich bereite gerade ein langes Affidavit für ihn vor [22] . Wie erklären Sie sich diese Schwierigkeiten? Dass er 1938 Pg geworden ist [23] , weiss ich; doch zählt das ja kaum zu diesem späten Termin [24] . Ich fürchte, dass seine FrauEhrengard Schramm, geb. von Thadden (1900-1985), dt. Politikerin (SPD) und Ehefrau des Historikers Percy Ernst Schramm (verh. 1925) nicht sehr klug gehandelt hat, weiss es aber nicht [25] ; nur klingen ihre Briefe nicht ganz erfreulich [26] (dies unter uns).

Und nun noch eins. Sie schrieben mir, dass Sie vorerst in BerlinBerlin bleiben [27] und nur, wenn es garnicht anders geht, würden Sie fort. Ich weiss nicht recht, ob man jenseits der Elb-Saale Linie bleiben soll. In gewissem Sinn hat es gewiss Vorteile: man kann nicht mehr erobert oder befreit werden, was gleich unangenehm sein dürfte. Und weiter: ich glaube nicht, dass die unleugbaren Spannungen zu anderem als einem Nervenkrieg führen werden, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Die Landkarte, die quasi das 1000jährige Reich nach rückwärts wieder auferstehen liess (Regierungsantritt Heinrichs IHeinrich I. (gest. 936), Hzg. v. Sachsen, 919-936 ofrk. Kg.), wird sich noch nicht so bald verändern. Dennoch, es kann zu einer Abgeschnittenheit kommen, die man wohl besser vermiede. Die Tendenz hier ist ganz gewiss die des Vorschiebens der Stützpunkte: Griechenland-Türkei mag eines Tages durch Dänemark-Schweden und deren Schutz ergänzt werden müssen, und in Ostasien ist die Tendenz die gleiche. Darum wird es nicht leicht zu einem Zurückziehen aus BerlinBerlin kommen können. Trotz alledem würde ich mich, wäre ich Sie, mit dem Gedanken an ein Ubersiedeln vertraut machen - MarburgMarburg, HeidelbergHeidelberg, FrankfurtFrankfurt am Main, BonnBonn, oder was sich sonst bietet. Von BerlinBerlin gibt es, strategisch, doch nur eine Rückzugslinie: Richtung Sibirien; vom Rhein hingegen gibt es wenigstens diese Rückzugslinie nicht, und das muss man doch positiv werten, selbst wenn es fraglich ist, ob einem westlichere Linien offenstehen werden. Die Gefahr des totalen Eisenvorhangs ist dort |Seitenwechsel im Westen doch wohl geringer. Und entsprechend würde ich versuchen zu handeln. Missverstehen Sie mich nicht: ich sehe keine "Gefahr". Aber wenn sich die Möglichkeit ergibt, die Elbe im Gegensinne der Ottonen zu überschreiten, würde es à la longue sicher gut sein, eine solche Möglichkeit d.h. einen Ruf nicht abzulehnen.

Von mir ist weniges hinzuzufügen. Ich werde vom Semester und den dauernden Kleingeschäften des Semesters etwas zerrieben und komme kaum zum eignen Arbeiten. Jetzt ist mir eine Festschriftsarbeit noch zwischen alles andere hineingekommen [28] , die mich wieder unterbricht. Der Mangel an Arbeitskontinuität ist doch überaus lästig, zumal es doch hierzulande keine Bedienung gibt und man die Hausarbeit auch leisten muss. Es ist schade, denn ich habe allerlei sehr schöne Dinge in jenem Zustand des Halbangefangenseins, der dann so leicht zum Liegenlassen führt. Da hat man die Fülle der Bibliotheken, die Ihnen fehlt, und keine Zeit sie auszunutzen! Es ist lästig; doch gibt es in fünf Wochen Ferien, und das grosse "Wunder", das sich zweimal im Jahre vollzieht, wird auch diesmal wieder eintreten: dass ein Semester wirklich [29] zu Ende geht und man es ausgestanden hat. Und die Semester sind hier so lang, vier Monate!

Nehmen Sie alle guten Wünsche und die herzlichsten Grüsse mit nochmaligem Dank für die Bücher, die mir ein richtiger Thesaurus sind.

Herzlichst wie stets
Ihr
EKa.

1Verfasst von: Martina Hartmann. Hans Rothfels (1891-1976), der 1939 erst nach England und dann in die USA emigriert war, war zum Zeitpunkt des Briefes Professor an Chicago University of Illinois und kehrte 1951 auf einen Lehrstuhl in Tübingen, d.h. nach Deutschland zurück. Vgl. auch Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 345 mit Anm. 31: Kantorowicz und Rothfels korrespondierten 1946 miteinander, nachdem Percy Ernst Schramm sich um Hilfe an sie gewandt hatte, nachdem er wegen seiner Mitgliedschaft in der SA und NSDAP aus dem Hochschuldienst entlassen worden war.

2Verfasst von: Martina Hartmann. Vom Deutschen Archiv für Geschichte des Mittelalters erschienen von 1937 bis 1944 insgesamt sieben Bände, der nächste Band 8 erschien dann erst 1950 unter dem Titel "Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters".

3Verfasst von: Martina Hartmann. Von 1923 bis 1942 trugen die MIÖG (Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung) den Titel "Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung" (MÖIG), 1944 hießen sie dann "Mitteilungen des Instituts für Geschichtsforschung und Archivwissenschaft in Wien".

4Verfasst von: Martina Hartmann. Die Anspielung von Kantorowicz, er sei immer noch "Ghibelline", bezieht sich wohl auf die katholische Prägung der Zeitschrift Traditio, denn "in der Zeit nach Ausbruch des Konflikts zwischen Friedrich II. und den Päpsten [...] [bildeten] seine Anhänger die kaiserliche Partei (Ghibellinen), seine Gegner die päpstl[ich]-kirchl[iche] (Guelfen)" (Görich, Ghibellinen und Guelfen (2000) Knut Görich, Art. "Ghibellinen und Guelfen", in: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Bd. 3 (2000), Sp. 920.).

5Verfasst von: Martina Hartmann. Polemisch äußerte sich Kantorowicz, Laudes Regiae (1946) Ernst H. Kantorowicz, Laudes Regiae: A Study in Liturgical Acclamations and Mediaeval Ruler Worship (University of California Publications in History 33), Berkeley-Los Angeles 1946. , S. 239-241 insbesondere zu Eichmanns Aufsatz "Das Officium Stratoris et Strepae" Eduard Eichmann, Das Officium Stratoris et Strepae, in: Historische Zeitschrift 142 (1930), S. 16-40. von 1930.

6Verfasst von: Andreas Öffner. Die beiden Kantorowicz-Schriftenverzeichnisse (Kantorowicz, Bibliography (1965) Ernst H. Kantorowicz, Ernst H. Kantorowicz. Bibliography of Writings, in: Ernst H. Kantorowicz, Selected Studies, Locust Valley, NY 1965, p. xi-xiv. und Schaller, Verzeichnis (1965) Hans Martin Schaller, Verzeichnis der Schriften von Ernst H. Kantorowicz, in: Friedrich Baethgen, Ernst Kantorowicz (3. 5. 1895-9. 9. 1963), DA 21 (1965), S. 1-17, hier S. 14-17. ) führen keine Publikation mit diesem Titel oder Fokus; auch unter den unveröffentlichten Manuskripten im Nachlass (LBI, AR 7216/MF 561; hier mit alten "Box/Folder"-Angaben inventarisiert) findet sich nichts Passendes. Lediglich eine undatierte Liste mit "Lecture Themes" (ebd. Box: I, Folder: I/1/9; hier online) beinhaltet als Appendix 1 den Eintrag "Phrygium and Officium Stratoris".

7Verfasst von: Martina Hartmann. Konrad Josef Heilig (1907-1945) war ein österreichischer Historiker; vgl. Maurer, Konrad Josef Heilig (2012) Helmut Maurer, Konrad Josef Heilig (1907-1945), in: Österreichische Historiker. Lebensläufe und Karrieren, 1900-1945, Bd. 2, hg. v. Karel Hruza, Wien-Köln-Weimar 2012, S. 615-647. . Von seinem Tod konnte Kantorowicz natürlich nichts wissen. Von dem damals 37jährigen stammt in dem Sammelband der Beitrag "Ostrom und das deutsche Reich um die Mitte des 12. Jahrhunderts" Konrad Josef Heilig, Ostrom und das deutsche Reich um die Mitte des 12. Jahrhunderts. Die Erhebung Österreichs zum Herzogtum 1156 und das Bündnis zwischen Byzanz und dem Westreich, in: Theodor Mayer, ders., Carl Erdmann, Kaisertum und Herzogsgewalt im Zeitalter Friedrichs I. Studien zur politischen und Verfassungsgeschichte des hohen Mittelalters (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 9), Stuttgart 1944, S. 1-271. .

8Verfasst von: Martina Hartmann. Gemeint ist Ohnsorges Aufsatz "Die Byzanzpolitik Friedrich Barbarossas und der 'Landesverrat' Heinrichs des Löwen" Werner Ohnsorge, Die Byzanzpolitik Friedrich Barbarossas und der "Landesverrat" Heinrichs des Löwen, in: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters 6 (1943), S. 118-149. .

9Verfasst von: Andreas Öffner. Baethgen hatte 1933 einen "Der Engelpapst" Friedrich Baethgen, Der Engelpapst. Vortrag gehalten am 15. Januar 1933 in öffentlicher Sitzung der Königsberger Gelehrten Gesellschaft (Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswissenschaftliche Klasse 10/2), Halle (Saale) 1933. betitelten Vortrag gehalten, den er im selben Jahr separat und 1943 zusammen mit zwei Beiträgen zu Coelestin V. in einer kleinen Aufsatzsammlung veröffentlichte: "Der Engelpapst. Idee und Erscheinung" Friedrich Baethgen, Der Engelpapst. Idee und Erscheinung, Leipzig 1943. .

10Verfasst von: Martina Hartmann. Die Schriften des Kalabreser Abtes wurden erst später bei den MGH ediert.

11Verfasst von: Martina Hartmann. Offenbar hatte Baethgen in seinem Brief an Kantorowicz diese Befürchtung geäußert.

12Verfasst von: Martina Hartmann. Der mit "Corona Quernea" Corona Quernea. Festgabe Karl Strecker, zum 80. Geburtstage dargebracht (Schriften des Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde [Monumenta Germaniae historica] 6), Stuttgart 1941. geehrte Karl Strecker hatte nicht mit den Nationalsozialisten sympathisiert.

13Verfasst von: Martina Hartmann. Norbert Fickermann, ein Schüler von Strecker, war ebenfalls kein Anhänger des Regimes gewesen.

14Verfasst von: Martina Hartmann. Ernst Klebel hatte mit den Nationasozialisten sympathisiert; vgl. Ziegler, Ernst Klebel (2012) Wolfram Ziegler, Ernst Klebel (1896-1961), Facetten einer österreichischen Historikerkarriere, in: Österreichische Historiker. Lebensläufe und Karrieren, 1900-1945, Bd. 2, hg. v. Karel Hruza, Wien-Köln-Weimar 2012, S. 489-522. , insbes. S. 492 f. und 503-509. Kantorowicz' Abneigung gegen Ernst Klebel reicht Jahre zurück: In einem Brief an Lucy von Wangenheim vom 16.11.1934 hatte er ihn als "austriakische[s] Ross" bezeichnet (zitiert bei Grünewald, Kantorowicz und die Monumenta Eckhart Grünewald, Ernst Kantorowicz und die Monumenta Germaniae Historica in den 1930er Jahren, in: Menschen und Strukturen: Annäherungen an eine MGH-Geschichte 1919 bis 1959. Beiträge der Tagung im Oktober 2023 in der Akademie für Politische Bildung Tutzing, hg. v. Martina Hartmann/Annette Marquard-Mois/Maximilian Becker (Studien zur Geschichte der Mittelalterforschung 3), Wiesbaden (voraussichtlich 2024). ).

15Verfasst von: Andreas Öffner. Zu Hermann Heimpels Verhältnis zum Nationalsozialismus vgl. Rexroth, Zeitalter der Extreme (2013) Frank Rexroth, Geschichte schreiben im Zeitalter der Extreme. Die Göttinger Historiker Percy Ernst Schramm, Hermann Heimpel und Alfred Heuß, in: Sie befruchtet und ziert. Die Geschichte der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, hg. v. Christian Starck/Kurt Schönhammer, Berlin-Boston 2013, S. 265–299. , S. 286-289, ebd. S. 286 mit der Einschätzung: "1933 ließ er [sc. Heimpel] sich im Verlauf seiner Reden geradezu wegtragen von der Einheits-Euphorie und dem deutschen Machtanspruch, die von Hitlers Kanzlerschaft ausgelöst worden waren". Eine Differenzierung von 'Jargon' und wissenschaftlicher Befähigung auch ebd. S. 289: 1937 habe Heimpel den "Pseudohistoriker und Rassekundler Adolf Helbok" vor der Sächsischen Akademie dafür gelobt, sich "für das Verständnis der frühen Landesherrschaft und ihrer 'bodengebundenen Tradition' verdient gemacht" zu haben - wobei man "wohl ausschließen" könne, dass "Heimpel in dessen Arbeiten tatsächlich irgendetwas von Wert sah".

16Verfasst von: Andreas Öffner. Gerhard Ritter, 1925 bis 1956 Ordinarius in Freiburg und damit zeitweise (1931-1934) Kollege Heimpels an der Albert-Ludwigs-Universität, hatte als Nationalkonservativer am Ende der Weimarer Republik einen "autoritären Umbau der Reichsverfassung" befürwortet und "die außenpolitischen 'Erfolge' Hitlers in den Friedensjahren der NS-Diktatur" begrüßt, die ideologischen Ziele der NSDAP aber schon vor 1933 abgelehnt (Cornelißen, Ritter (2003) Christoph Cornelißen, Art. "Ritter, Gerhard", in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 658-660., S. 659, hier online). Nach den Novemberpogromen trat er mit seinem Engagement in der "Bekennenden Kirche" und im "Freiburger Kreis" in aktive Opposition zum Regime, weswegen er von November 1944 bis April 1945 von der Gestapo inhaftiert wurde. In einer Abhandlung von 1940 (Ritter, Machtstaat und Utopie (1940) Gerhard Ritter, Machtstaat und Utopie. Vom Streit um die Dämonie der Macht seit Macchiavelli und Morus, München 1940.) verbinden sich "staatstheoretische Überlegungen mit einer hintergründigen Kritik an der Politik des NS-Regimes" (Cornelißen, Ritter (2003) Christoph Cornelißen, Art. "Ritter, Gerhard", in: Neue Deutsche Biographie 21 (2003), S. 658-660., S. 658 f.).

17Verfasst von: Andreas Öffner. Vgl. wiederum Erdmann, Das ottonische Reich als Imperium Romanum Carl Erdmann, Das ottonische Reich als Imperium Romanum, in: Deutsches Archiv für Geschichte des Mittelalters 6 (1943), S. 412-441., S. 415, Anm. 2: "In diesem Abschnitt [ebd. S. 415-420] verwende ich die Ergebnisse einer Untersuchung über den nichtrömischen Kaisergedanken, die im Rahmen weiterer Forschungen zur frühdeutschen politischen Gedankenwelt in der Schriftenreihe des Reichsinstituts veröffentlicht werden soll", dann ebd. S. 425, Anm. 2: "Diese Tatsache [sc. den Einfluss Geberts von Reims auf Ottos III. Programm der 'renovatio imperii'] und das Verhältnis Ottos III. zu Rom gedenke ich näher zu behandeln in einer Arbeit über den Patriziat unter Otto III., die ebenfalls in den erwähnten Forschungen zur frühdeutschen politischen Gedankenwelt erscheinen soll". Die erste Carl Erdmann, Die nichtrömische Kaiseridee, in: Ders., Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters. Aus dem Nachlaß des Verfassers hg. v. Friedrich Baethgen, Berlin 1951, S. 1-51. wie die zweite Studie Carl Erdmann, Die Würde des Patricius unter Otto III., in: Ders., Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters. Aus dem Nachlaß des Verfassers hg. v. Friedrich Baethgen, Berlin 1951, S. 92-111. sind dann, als Teil des etwas anders betitelten Ensembles, tatsächlich erst postum von Baethgen herausgegeben worden: "Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters" Carl Erdmann, Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters. Aus dem Nachlaß des Verfassers hg. v. Friedrich Baethgen, Berlin 1951. .

18Verfasst von: Andreas Öffner. Von Langlotz' Publikationen aus den Jahren 1947-1948 haben (mit 119 Seiten) einen größeren Umfang allein seine "Phidiasprobleme" Ernst Langlotz, Phidiasprobleme, Frankfurt am Main 1947. .

19Verfasst von: Martina Hartmann. Tatsächlich gab Baethgen 1951 im Berliner Akademie-Verlag eine Reihe von Aufsätzen, die Erdmann noch als druckfertig bezeichnet hatte, aus dem Nachlass heraus; es handelt sich dabei um die oben thematisierten "Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters" Carl Erdmann, Forschungen zur politischen Ideenwelt des Frühmittelalters. Aus dem Nachlaß des Verfassers hg. v. Friedrich Baethgen, Berlin 1951. . Zu den Schwierigkeiten mit der Sowjet-Zensur, welcher der Berliner Akademie-Verlag ausgesetzt war, äußert sich Baethgen im Postskriptum eines Briefs an Kantorowicz vom 21.12.1950 (MGH-Archiv, B 792/I, zitiert im Kommentar zu Inv.-Nr. 248Inv.-Nr. 248: Ernst H. Kantorowicz an Friedrich Baethgen, 14.12.1950). Zur Instrumentalisierung Erdmanns durch Baethgen nach 1945 vgl. Lemberg, Friedrich Baethgen (2015) Joseph Lemberg, Der Historiker ohne Eigenschaften. Eine Problemgeschichte des Mediävisten Friedrich Baethgen (Campus Historische Studien 71), Frankfurt am Main-New York 2015., S. 404-414 und demnächst Mentzel-Reuters, Friedrich Baethgen in nationalkonservativen Netzwerken Arno Mentzel-Reuters, Friedrich Baethgen in nationalkonservativen Netzwerken (1917-1948), in: Menschen und Strukturen: Annäherungen an eine MGH-Geschichte 1919 bis 1959. Beiträge der Tagung im Oktober 2023 in der Akademie für Politische Bildung Tutzing, hg. v. Martina Hartmann/Annette Marquard-Mois/Maximilian Becker (Studien zur Geschichte der Mittelalterforschung 3), Wiesbaden (voraussichtlich 2024). .

20Verfasst von: Eckhart Grünewald. Auf der "In Memoriam"-Seite der University of California (Text von 1985) findet sich ein Nachruf auf einen Frederic = Fritz Lilge aus Berkeley, geboren 1911, der im Jahr 1947 36 Jahre gewesen ist und für Kantorowicz noch als "junger Doktor" erschienen sein mag.

21Verfasst von: Martina Hartmann. 1946 hatte Jelavich Baethgen mit einem Paket von Kantorowicz in Berlin aufgesucht; vgl. Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 342.

22Verfasst von: Martina Hartmann. Zu Kantorowicz' Bemühungen um eine Rehabilitation von Percy Ernst Schramm vgl. Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 344-348.

23Verfasst von: Andreas Öffner. In die NSDAPNSDAP: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (1920-1945) eingetreten war Schramm 1939, die Mitgliedschaft wurde aber auf 1937, das Jahr des von der Göttinger Kreisleitung blockierten Aufnahmegesuchs, rückdatiert; vgl. Thimme, Percy Ernst Schramm (2006) David Thimme, Percy Ernst Schramm und das Mittelalter. Wandlungen eines Geschichtsbildes (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 75), Göttingen 2006., S. 366.

24Verfasst von: Martina Hartmann. Bemerkenswerterweise bringt Kantorowicz hier nicht zur Sprache, dass Schramm Kriegstagebuchführer beim OKW gewesen war, obwohl er davon Kenntnis hatte (vgl. Inv.-Nr. 3026Inv.-Nr. 3026: Ernst H. Kantorowicz an Emmy Heller, 02.03.1947). Zur Kriegstagebuch-Tätigkeit vgl. Brüggemann, Die Wehrmachtgeneralität Im Nürnberger Prozess (2018) Jens Brüggemann, Männer Von Ehre? Die Wehrmachtgeneralität Im Nürnberger Prozess 1945/46. Zur Entstehung Einer Legende (Krieg in der Geschichte 112), Paderborn 2018. , S. 356-359. Für Schramms Entlassung aus dem Hochschuldienst durch die britische Militärregierung (März 1947) trotz absolvierter 'Entnazifizierung' (Januar 1947) war ein negatives amerikanisches Gutachten ausschlaggebend; zu diesem war es offenbar gekommen, weil er im Februar 1946, als er vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal als Entlastungszeuge für General Jodl aussagte, undiplomatisch, ja selbstgerecht aufgetreten war (vgl. Thimme, Percy Ernst Schramm (2006) David Thimme, Percy Ernst Schramm und das Mittelalter. Wandlungen eines Geschichtsbildes (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 75), Göttingen 2006., S. 487-491, hier S. 490). Eingehend und treffender analysiert ist das Verhältnis Schramm-Jodl bei Brüggemann, Die Wehrmachtgeneralität Im Nürnberger Prozess (2018) Jens Brüggemann, Männer Von Ehre? Die Wehrmachtgeneralität Im Nürnberger Prozess 1945/46. Zur Entstehung Einer Legende (Krieg in der Geschichte 112), Paderborn 2018. , S. 340-343; zu Schramms Selbstdarstellung nach dem Krieg vgl. demnächst auch Hartmann, Theodor Mayer und Percy Ernst Schramm Martina Hartmann, Theodor Mayer und Percy Ernst Schramm im Dienst des Regimes, in: Menschen und Strukturen: Annäherungen an eine MGH-Geschichte 1919 bis 1959. Beiträge der Tagung im Oktober 2023 in der Akademie für Politische Bildung Tutzing, hg. v. Martina Hartmann/Annette Marquard-Mois/Maximilian Becker (Studien zur Geschichte der Mittelalterforschung 3), Wiesbaden (voraussichtlich 2024). .

25Verfasst von: Martina Hartmann. Ehrengard Schramms ältere Schwester Elisabeth von Thadden war am 8. September 1944 als Widerstandskämpferin hingerichtet worden; vgl. Thimme, Percy Ernst Schramm (2006) David Thimme, Percy Ernst Schramm und das Mittelalter. Wandlungen eines Geschichtsbildes (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 75), Göttingen 2006., S. 483 und Brüggemann, Die Wehrmachtgeneralität Im Nürnberger Prozess (2018) Jens Brüggemann, Männer Von Ehre? Die Wehrmachtgeneralität Im Nürnberger Prozess 1945/46. Zur Entstehung Einer Legende (Krieg in der Geschichte 112), Paderborn 2018. , S. 340.

26Verfasst von: Andreas Öffner. Ehrengard Schramms Briefe an Kantorowicz liegen, wenigstens teilweise, als Durchschlag im Familienarchiv Schramm: Staatsarchiv Hamburg, 622-1/151 Familie Schramm, L 247 (vgl. Thimme, Percy Ernst Schramm (2006) David Thimme, Percy Ernst Schramm und das Mittelalter. Wandlungen eines Geschichtsbildes (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 75), Göttingen 2006., S. 497, Anm. 48.

27Verfasst von: Martina Hartmann. Baethgen verließ 1947 Berlin und ging nach Bayern, wo er dann 1948 Präsident der MGH wurde; vgl. Lemberg, Friedrich Baethgen (2015) Joseph Lemberg, Der Historiker ohne Eigenschaften. Eine Problemgeschichte des Mediävisten Friedrich Baethgen (Campus Historische Studien 71), Frankfurt am Main-New York 2015., S. 367-403.

28Verfasst von: Martina Hartmann. Möglicherweise Kantorowicz' Beitrag "Christus-Fiscus" Ernst H. Kantorowicz, Christus-Fiscus, in: Synopsis. Festgabe für Alfred Weber, hg. v. Edgar Salin, Heidelberg 1948, S. 223-235. zur FS Alfred Weber.

29Verfasst von: Andreas Öffner. Unterstreichung von Kantorowicz' Hand?

Abbildungen (6)

Das Copyright am Brieftext liegt bei: Ariane Phillips

Projektphase 1: Transkription (Lisa-Maria Speck/Janus Gudian) | Textauszeichnung (Lisa-Maria Speck) | Kommentar (Lisa-Maria Speck)
Projektphase 2: Textauszeichnung (Andreas Öffner) | Kommentar (Eckhart Grünewald/Martina Hartmann/Andreas Öffner)

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