Digitale Briefausgabe Ernst Kantorowicz

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Inv.-Nr. 100: Ernst H. Kantorowicz an Percy Ernst Schramm, 27.08.1928

Metadaten

Inventar-Nr.: 100
Dateiname: d19280827_kantorowicz_schramm.xml
Empfänger: Percy Ernst Schramm Percy Ernst Schramm (1894-1970), dt. Historiker und nach dem Krieg einflussreicher Historiker als Mediävist und als Zeitzeuge des Zweiten Weltkriegs; Mitglied der Zentraldirektion der MGH
Schreib-/Versandort: Malente-Gremsmühlen
Empfängerort: -
Datum des Schreibens: 27.08.1928
Datum des Poststempels: -
Korrespondenzform: Brief
Typ: Manuskript
Umfang: 2 Bl., 4 S.
Aufbewahrung: Staatsarchiv Hamburg/622-1/151_L 230 Band 6

Brieftext

ERNST KANTOROWICZ

Malente-Gremsmühlen,
Haus am Hang, 27.8.28.

Mein lieber P.E. Schramm!

Von einem 14tägigen Aufenthalt an dem Ihnen aus Ihrer Jugend sicher nur allzu wohlbekannten Timmendorfer StrandTimmendorfer Strand: Renommiertes Seebad in Ostholstein hierher zurückgekehrt [1] , finde ich Ihr Opus Percy Ernst Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit, Teil 1: Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts (751-1152) (Die Entwicklung des menschlichen Bildnisses 1), 2 Bde., Leipzig-Berlin 1928. vor. Lassen Sie sich vielmals danken für diese schöne und kostbare Gabe - ich muss gestehen, dass ich mir diese Ihre Arbeit Percy Ernst Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit, Teil 1: Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts (751-1152) (Die Entwicklung des menschlichen Bildnisses 1), 2 Bde., Leipzig-Berlin 1928. längst nicht so grossartig vorgestellt hatte, sowohl hinsichtlich des Umfangs als der Aufmachung [2] . Letztere finde ich ganz besonders schön, schlicht und geschmackvoll, auch die Trennung in Text- & Tafelband, was |Seitenwechsel die Benutzung so sehr erleichtert. Die Tafeln selbst scheinen mir sehr gelungen, obwohl Sie als Autor sicherlich noch das Eine oder Andere auszusetzen haben werden, wovon der Leser bekanntlich nie etwas ahnt. Von dem Textband habe ich bisher den ersten allgemeinen Teil gelesen, in dem Sie quasi sich selbst rechtfertigen und Ihren Standpunkt klarlegen. Er liest sich sehr glatt und gefällt mir sehr gut. Ich bin schon auf die Einzelheiten der folgenden Teile recht neugierig. Zu jedem Falle aber lassen Sie sich herzlichst beglückwünschen: nun sind sie in so gediegner und greifbarer Form alle Ihre zahllosen Einzelkenntnisse über Kaiserbilder, -ornate und -symbole losgeworden und haben aus diesem verstreuten und versprengten Material ein Ganzes zusammengegossen. Wenn Sie jetzt noch |Seitenwechsel Ihre Habilitationsschrift Percy Ernst Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio. Studien und Texte zur Geschichte des römischen Erneuerungsgedankens vom Ende des karolingischen Reiches bis zum Investiturstreit, Leipzig 1929. druckreif haben [3] , so steht Ihnen - auf diesen beiden Werken fussend - nunmehr nichts AngegeigtesUnsichere Lesung mehr im Wege, das Sie von Ihrer Ottonenarbeit abhalten müsste ... beneidenswert eigentlich, dass Sie diese noch vor sich haben. Denn schuldig bleiben Sie das sich und Ihren Freunden noch - und hoffentlich nicht allzu lange mehr.

Von mir gibt es nur Gutes zu berichten. Ich war die Sommermonate - soweit das Juli-Augustische Sauwetter diese Bezeichnung zulässt - hier in GremsmühlenMalente-Gremsmühlen; Kurort in der Holsteinischen Schweiz; 1918 hatten Kantorowicz' Eltern hier als Sommerfrische eine Villa gekauft, in welche die Mutter nach dem Tod ihres Mannes (1919) dauerhaft übersiedelte. Im Zuge der Bankenkrise von 1931 musste das "Haus am Hang" zwangsversteigert werden; bis dahin verbrachte Kantorowicz auf dem weitläufigen Anwesen regelmäßig mehrwöchige Sommerurlaube. Vgl. Lerner, Kantorowicz (2020), S. 115 und 181 f., wo sich meine Tätigkeit auf Schwimmen, Jagen, Tennis und Ähnliches beschränkte [4] , oder - um mit BaethgenFriedrich Baethgen (1890-1972), dt. Historiker, 1913 bei Karl Hampe über die "Regentschaft von Papst Innozenz III." promoviert. Nach der Habilitation (1920) bei den MGH in Berlin beschäftigt, 1924-1927 außerordentlicher Professor in Heidelberg, wo er Kantorowicz kennenlernte. 1927-1929 2. Sekretär am Preussischen Historischen Institut in Rom, 1929-1939 Ordinarius für Geschichte in Königsberg, 1939-1948 in Berlin, 1948-1959 Präsident der MGH in München., der mich hier Anfang August besuchte, zu sprechen: ich habe statt der Leier zarte Saiten mehr des Bogens Kraft gespannt [5] , |Seitenwechsel was ganz wörtlich zu nehmen ist, da ich mich wirklich in der Hauptsache Pfeil- und Bogenschiessend betätige, wobei meine Hauptlektüre "Auf Löwenjagd mit dem Bogen" Stewart Edward White, Mit Pfeil und Bogen auf Löwenjagd. Ein Buch der Abenteuer aus der afrikanischen Steppe, Berlin 1927. lautet - ein Rückfall also auf die Karl MayKarl May (1842-1912), dt. Schriftsteller-Stufe, die in HeidelbergHeidelberg leider so ganz verdrängt worden war, dass ich körperliche "Minko" (oder heisst der Plural "Minchi"?) davontrug. Nun denke ich aber schon an die Abreise: im September will ich in BerlinBerlin sein, wo ich vorerst, den Winter aber sicher, zu bleiben denke [6] .

Und was tun Sie, Verehrtester? Haben Sie sich garkeine Ferien gemacht? Lassen Sie doch einmal von sich hören. Ihrer Frau GemahlinEhrengard Schramm, geb. von Thadden (1900-1985), dt. Politikerin (SPD) und Ehefrau des Historikers Percy Ernst Schramm (verh. 1925) und Ihrem SohnJost Schramm (1926-2001), dt. Architekt; Sohn des Historikers Percy Ernst Schramm geht es hoffentlich gut. Bitte beide sehr herzlich von mir zu grüssen.

Ihnen nochmals für Ihr Buch Percy Ernst Schramm, Die deutschen Kaiser und Könige in Bildern ihrer Zeit, Teil 1: Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts (751-1152) (Die Entwicklung des menschlichen Bildnisses 1), 2 Bde., Leipzig-Berlin 1928. dankend und demselben einen vollen Erfolg wünschend stets von Herzen
Ihr
KantorowiczUnsichere Lesung

1Verfasst von: Andreas Öffner. Den Urlaub im renommierten Seebad hatte Kantorowicz mit Woldemar von Uxkull-Gyllenband und Lucy von Wangenheim verbracht; vgl. Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 149.

2Verfasst von: unbekannt. Die zweibändige Ausgabe, 240 Seiten mit 144 Lichtdrucktafeln in gesondertem Tafelband erschien im Teubner Verlag Leipzig/Berlin als erster Band der Reihe "Die Entwicklung des menschlichen Bildnisses", die von Walter Goetz vom Leipziger Institut für Kultur- und Universalgeschichte herausgegeben wurde. Goetz' Mitarbeiter Sigfrid Steinberg, so Schramm später, habe alles dafür getan, um "so gut wie damals möglich durch Bilder zu beleben". Zitiert nach Thimme, Percy Ernst Schramm (2006) David Thimme, Percy Ernst Schramm und das Mittelalter. Wandlungen eines Geschichtsbildes (Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 75), Göttingen 2006., S. 218, Anm. 171.

3Verfasst von: unbekannt. Seine Habilitationsschrift hatte Schramm Ende 1923 eingereicht, Kolloqium und Antrittsvorlesung bis Mai 1924. Die aus der Habilitation hervorgegangene Studie "Kaiser, Rom und Renovatio" sollte erst 1929 in den "Studien der Bibliothek Warburg" erscheinen.

4Verfasst von: Andreas Öffner. Nach der Darstellung von Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 152 diente das Sportprogramm - das Kantorowicz als 'Privatolympiade' in Parallele zu den olympischen Sommerspielen in Amsterdam anlegte (vgl. Inv.-Nr. 2064Inv.-Nr. 2064: Ernst H. Kantorowicz an Wilhelm Stein, 08.08.1928 vom 08.08.1928 an Wilhelm Stein) - der Ablenkung: Im Frühjahr war Kantorowicz von seinem Italienaufenthalt nach Heidelberg zurückgekehrt, das er im Kontrast "grotesk" fand, und hatte ein Stellenangebot Karl Hampes ausgeschlagen, sodass "ihm jede Ausrede recht war, um dem Ort - wenn auch nicht den Habilitationsplänen - den Rücken zu kehren".

5Verfasst von: unbekannt. Paraphrase Heraklit, Fragment DK 22 B 51: "Sie verstehen nicht, wie das Auseinandergehende mit sich selbst zusammengeht: gegenspännige Zusammenfügung wie von Bogen und Leier".

6Verfasst von: Andreas Öffner. Kantorowicz zog Anfang September 1928 nach Berlin, um dort in der Bibliothek der MGH den im Friedrichbuch angekündigten Ergänzungsband abzufassen (vgl. Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 152). Tatsächlich würde er - mit wechselnden Adressen - bis 1931 in Berlin bleiben: In diesem Jahr erschien sein Ergänzungsband und trat er seine Honorarprofessur in Frankfurt an (vgl. ebd. S. 179).

Abbildungen (4)

Das Copyright am Brieftext liegt bei: Ariane Phillips

Projektphase 1: Transkription | Textauszeichnung | Kommentar
Projektphase 2: Textauszeichnung (Andreas Öffner) | Kommentar (Martina Hartmann/Andreas Öffner)

Zitierlink zu diesem Datensatz: https://data.mgh.de/databases/eka/eka0100

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