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Inv.-Nr. 18: Ernst H. Kantorowicz an Karl Hampe, 16.04.1933
Metadaten
Inventar-Nr.: | 18 |
Dateiname: | d19330416_kantorowicz_hampe.xml |
Empfänger: |
|
Schreib-/Versandort: | Frankfurt am Main |
Empfängerort: | - |
Datum des Schreibens: | 16.04.1933 |
Datum des Poststempels: | - |
Korrespondenzform: | Brief |
Typ: | Typoskript |
Umfang: | 1 Bl., 2 S. |
Aufbewahrung: | Universitätsbibliothek Heidelberg/Heid. Hs. 4067 III A - 189; Blatt 15 |
Brieftext
FRANKFURT A.M.,
BOCKENHEIMERLANDSTR.72
TELEFON 72118
16.4.33.
Sehr verehrter Herr Geheimrat!
Die Sorge um die Zukunft einiger Studenten und damit im Zusammenhang eine Bitte
an Sie drückt mir - sozusagen - die Schreibmaschine in die Hand.
Ich
erhalte von Herrn Dr.GrossWalter (Shlomo) Gross (1911-1995), dt.-israel.
Journalist, promov. Historiker einen Brief, in dem
er mir mitteilt, dass er in Uebereinstimmung mit Ihnen von einer weiteren
Vorbereitung auf das Staatsexamen absieht, das jetzt für ihn doch wertlos sein
müsse [1] . Gleichzeitig
fragte er mich an, ob ich im In- oder Auslande ein Antiquariat wüsste, bei dem
er eventuell unterkommen könnte.
Nun habe ich persönlich - ausser als
gelegentlicher Käufer - garkeine Beziehungen zu Antiquariaten, dachte aber
selbstverständlich sofort an OlschkiLeo S. Olschki (1861-1940), dt.-ital. Antiquar u.
Verleger, Vater v. Leo Olschki, der
vielleicht in einer seiner Niederlassungen über einen für Herrn GrossWalter (Shlomo) Gross (1911-1995), dt.-israel.
Journalist, promov. Historiker geeigneten Posten verfügt [2] . Bei Ihren freundschaftlichen Beziehungen zu Leonardo OlschkiLeonardo Olschki (1885-1961), ital.-US-amerikan.
Romanist, Orientalist und Literaturwissenschaftler; von 1924 bis 1933 Professor
in Heidelberg; Emigration nach Italien und dann in die USA, den ich nur ganz flüchtig kenne, bin ich
überzeugt, dass eine von Ihrer Seite kommende Empfehlung dieses doch ganz
zweifellos ausserordentlich begabten und vielseitig interessierten Menschen, der
jetzt aus seiner Laufbahn geworfen ist, das Olschki'sche AntiquariatCasa Editrice Leo S. Olschki;
Florenz
vielleicht doch veranlassen könnte, sich des
Herrn GrossWalter (Shlomo) Gross (1911-1995), dt.-israel.
Journalist, promov. Historiker anzunehmen [3] . Gegebnenfalls könnten wohl auch die internationalen
Beziehungen der Casa OlschkiCasa Editrice Leo S. Olschki;
Florenz
Herrn GrossWalter (Shlomo) Gross (1911-1995), dt.-israel.
Journalist, promov. Historiker bei einer Stellungssuche von Nutzen
sein oder ihm ein anderes Unterkommen verschaffen.
Gerade für die
Generation des Herrn GrossWalter (Shlomo) Gross (1911-1995), dt.-israel.
Journalist, promov. Historiker und überhaupt für
alle diejenigen Studenten, die gerade beim Abschluss ihrer Studien von den neuen
Verfügungen [4] betroffen
werden, ist die Situa-|Seitenwechseltion ganz besonders schlimm. Insofern bin ich als
alter "Kriegsknecht" und Nachkriegskämpfer vor dem Beamtengesetz günstiger
gestellt. Aber ich sehe vorerst von Innen heraus keine Möglichkeit, die
Lehrtätigkeit wieder aufzunehmen, solange jedes selbstverständliche
Dokumentieren seiner "nationalen Gesinnung" unweigerlich den Veracht erwecken
muss, bloss seinen Vorteil suchen zu wollen [5] . Und so noch sehr Vieles mehr.
Mit den besten Wünschen für das kommende Semester verbleibe ich, Sie und Ihre
Frau GemahlinCharlotte Hampe, geb. Rauff (1883-1950), seit
1903 verheiratet mit Karl Hampe herzlichst grüssend,
stets Ihr ergebner
Ernst Kantorowicz.
Abbildungen (2)
Das Copyright am Brieftext liegt bei: Ariane Phillips
Projektphase 1: Transkription (Lisa-Maria Speck/Janus Gudian) | Textauszeichnung (Lisa-Maria Speck) | Kommentar (Lisa-Maria Speck)
Projektphase 2: Textauszeichnung (Andreas Öffner) | Kommentar (Martina Hartmann/Andreas Öffner)
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1Verfasst von: Andreas Öffner. Walter Gross war ein jüdischer Schüler Hampes und hatte Kantorowicz 1931 in Berlin kennengelernt, seither engen Kontakt gepflegt und vor seiner Heidelberger Promotion (1932) auch ein Gastsemester in Frankfurt eingelegt. Laut Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 187, der sich auf ein Interview mit Gross stützt, war dieser "nach der Machtergreifung der Nazis [...] zum Sommersemester 1933 nach Frankfurt zurück[gekehrt], nunmehr" - bzw. noch - "mit der Absicht, die Prüfung für das Lehramt abzulegen, von der er annahm, sie könne ihm bei der Emigration nach Palästina helfen". Zum Biographischen vgl. auch den Kommentar zu Inv.-Nr. 17Inv.-Nr. 17: Ernst H. Kantorowicz an Karl Hampe, 23.05.1932.
2Verfasst von: Andreas Öffner. Der aus einer ostpreußischen Buchdruckerfamilie stammende Lev/Leo S. Olschki hatte 1886 in Verona die Antiquariatsbuchhandlung "Libreria antiquaria editrice Leo S. Olschki" gegründet, die erst nach Venedig, dann Florenz umzog und vor wie nach einem Genfer Exil im Ersten Weltkrieg bis in die 1950er Jahre auch eine Dépendance in Rom unterhielt (vgl. Dörner, La vita spezzata (2005) Anke Dörner, La vita spezzata. Leonardo Olschki: Ein jüdischer Romanist zwischen Integration und Emigration, Tübingen 2005. , S. 13-16).
3Verfasst von: Andreas Öffner. Leo S. Olschkis ältester Sohn Leonardo, nachmals ein enger Freund Kantorowicz' in den USA, war anderes als die Brüder Cesare und Aldo nicht ins Antiquariats- und Verlagsgeschäft eingestiegen, dürfte sich aber als Vermittler empfohlen haben, zumal er dem Familienunternehmen "sein ganzes Leben eng verbunden [blieb] und in alle wichtigen Entscheidungen der Betriebsführung mit eingebunden" war (Dörner, La vita spezzata (2005) Anke Dörner, La vita spezzata. Leonardo Olschki: Ein jüdischer Romanist zwischen Integration und Emigration, Tübingen 2005. , S. 17). Seit 1924 war er Ordinarius für Romanische Philologie an der Universität Heidelberg (vgl. ebd. S. 72), woher sich die Verbindung zu Hampe erklären dürfte. Im April 1933 befand er sich allerdings für ein Gastsemester in Italien, von wo er in Anbetracht der Ereignisse in Deutschland nicht mehr an die Heidelberger Universität zurückkehrte (vgl. ebd. S. 88 f.).
4Verfasst von: unbekannt. Gemeint ist das "Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933.
5Verfasst von: Andreas Öffner. Zu Kantorowicz' Frontkämpferstatus und seinem Zögern, sich offiziell auf ihn zu berufen, vgl. Lerner, Kantorowicz (2020) Robert E. Lerner, Ernst Kantorowicz. Eine Biographie, Stuttgart 2020. , S. 196.