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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

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Laury Sarti, Orbis Romanus. Byzantium and the Legacy of Rome in the Carolingian World, Oxford 2024, Oxford Univ. Press, XII u. 399 S., 33 Abb., ISBN 978-0-19-774652-3, GBP 78. – Das Buch will zeigen, dass das Karolingerreich Teil einer anhaltend römischen Welt war. Es fragt nach Vorstellungen („visions“) von Römischem in der Antikerezeption, den Beziehungen zu Byzanz und einer „genuin fränkischen Romanness“, die eine Kombination der ersten beiden zu sein scheint. Ziel ist es, unvoreingenommen von modernen Konzepten (Antike, MA, renovatio, Renaissance) einen zeitgenössisch relevanten römischen Charakter des Karolingerreichs zu zeigen (S. 1–6). Das Buch ordnet sich somit der politischen Ideengeschichte bei, deren Spuren hier so weit wie möglich in der Lebenswelt gesucht werden. Die Kapitel behandeln einzelne Felder des Antike- und Byzanzbezugs: Titel und Rolle von Kaisern (II), Reisen und Gesandtenaustausch (III), Herkunftserzählungen (IV), Sprachkenntnisse (V), Religion und doktrinäre Selbstbehauptung (VII), Repräsentation und materielle Kultur (VIII). In jedem Kapitel diskutiert S. verschiedene Quellen und eine Fülle an Forschungen, um zu zeigen, dass die Franken sich zwar nicht mit gleichbleibender Frequenz, aber stets neugierig ihren römischen Vorfahren und ihren römischen Nachbarn widmeten. Die Päpste und Rom selbst kommen seltener vor (wenngleich mit dezidierten Annahmen bspw. über die Echtheit der griechischen Briefe Gregors II. oder den „Entzug des Illyricum“ als Strafe für Bilderfreundschaft: S. 217, 204). In jedem Kapitel folgt ein ‘Gegenschnitt’ auf die oströmische Praxis, etwa Lateinkenntnisse in Byzanz, dortige Antike-Entwürfe oder griechische Reisende im Westen. Mag das zunächst von der Frage nach der fränkischen Position wegführen, so bietet es doch immer wieder einen passenden, weil eng verwandten Vergleichsgegenstand. Kap. VI („Identity and Distinction“) behandelt gegenseitige Wahrnehmung der beiden römischen Reiche im Hinblick auf Geschichte, Sprache, Kaisertum etc. und bündelt so schon die Gegenstände, geht aber auch sehr differenziert auf ‘Römer’ in den Volksrechten ein. Außerhalb derer bleibe die Bezeichnung Romani dem päpstlichen Umfeld vorbehalten. Man selbst lebte eher in einem unausgesprochen-selbstverständlichen römischen Reich. Der Schluss (S. 313–321) fasst die Einzelbeobachtungen zusammen und bekräftigt diese Kernthese einer „Romanness“ ohne „Romans“. Zugleich macht S. klar, dass Franken und Byzantiner sich immer weiter entfremdeten und Karl d. Gr. den Anfang vom Ende der Einheit der römischen Welt markiert: War imperiale Gleichrangigkeit erst einmal etabliert, blieben beide Seiten stärker für sich. Der „Romanness“ der Franken tat das interessanterweise keinen Abbruch. Angesichts dessen hätte man sich hier und da mehr situationsspezifische Situierung gewünscht, etwa eine „new vision“ (S. 187) gegenüber beobachteten Kontinuitäten. Nichtsdestoweniger scheint am Ende die Feststellung passend, dass das Römische nie weg war, wenn auch die Einheit des orbis Romanus bei den Karolingern zu schwinden begann. Das Buch ist nicht nur klar geschrieben, sondern auch ansprechend gestaltet, auch durch gute Abbildungen hsl. Belege. In seinem Ansatz, politische Ideen- im Kontext fränkisch-byzantinischer Beziehungsgeschichte zu verfolgen (ein Buch zur byzantinisch-merowingischen Geschichte ist angekündigt), sollte es eine weite Leserschaft finden.

Philipp Winterhager