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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

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Klaus Lohrmann, Babenberger und Traungauer. Landesherrschaft und Ökonomie (1150–1250), Wien 2025, Böhlau, 435 S., 21 Abb., ISBN 978-3-205-22158-6, EUR 60. – Den Ausgangspunkt der Studie bildet die detaillierte Bestätigung eines nicht erhaltenen Privilegs des steirischen Markgrafen Otakar III. über Rechte der Kaufleute aus Regensburg und aus anderen Städten auf dem Jahrmarkt zu Enns durch dessen Sohn 1191. Davon ausgehend wird als einleitende These formuliert, dass die gesteigerten Einnahmen infolge der Forcierung des Fernhandels, der Einrichtung von Jahrmärkten oder von Münzprägestätten und der damit einhergehende Ausbau einer vor allem von Ministerialen getragenen Verwaltung wichtige Bausteine für die Entstehung und Verdichtung von Landesherrschaft in der Steiermark waren (vergleichend wird ausführlich auch das Herzogtum Österreich behandelt). L. datiert die Gründung des Jahrmarkts zu Enns durch Otakar III. in die Mitte des 12. Jh., als der Fernhandel auf der Donau grundsätzlich an Fahrt aufnahm und der Markgraf auch sonst seine Herrschaft intensivierte. Die Frage, weshalb Otakar III. und nicht der König einen Jahrmarkt einrichtete und Zollhoheit ausübte, führt zu grundsätzlichen Überlegungen über die Anfänge von Landesherrschaft, die vor allem als Beanspruchung ehemals königlicher Vorrechte durch ehemalige Stellvertreter des Königs vor Ort, die Markgrafen, angesehen wird, eine vielleicht verkürzte Sichtweise. Eine wichtige Rolle im Vorfeld der Privilegien sei den Ministerialen zugekommen, die der Landesfürst als Experten und Berater heranzog und die zum Teil später im führenden Bürgertum der großen Städte aufgingen. Dass um 1200 eine neue „Funktionselite“ aufkam und diese zwischen Ministerialität und Bürgertum changierte, ist nicht ganz neu, Dietrich der Reiche eignet sich dafür aber nicht als Beispiel, zumal es für seine Abkunft aus der Ministerialität keine validen Anhaltspunkte gibt. Auch die Bedeutung der Ministerialen als Ratgeber des Markgrafen überrascht nicht. Die Entstehung des Landes Steiermark sieht L. anders, aber nicht unbedingt überzeugender als die zum Teil nicht herangezogene neuere Literatur. Es folgen Überlegungen zur territorialen Entwicklung, zu einzelnen Ministerialenfamilien und zur Bedeutung von Handelswegen und Zentralorten der Steiermark. Weitere Abschnitte beschäftigen sich mit der Rolle der Regensburger Kaufleute und des Hansgrafen in Enns, mit dem Problem der Grundruhr, die freilich in den damaligen ostösterreichischen Quellen gar nicht vorkommt, umfassend mit den einzelnen Zollbestimmungen der Urkunde des Jahres 1191 und anderer zeitnaher Privilegien, mit den Anfängen des Donauhandels der flandrischen und der Rheinstädte sowie mit dem Warenaustausch der Regensburger Kaufleute mit Ungarn und der Kiewer Rus’. Weiter geht es um frühe Münzprägestätten und durchaus innovativ um die wirtschaftliche Nutzung des Waldes sowie um deren Bedeutung für die Ausübung der landesfürstlichen Herrschaft. Dazwischen eingeschoben findet sich ein knappes Kapitel über den zeitgenössischen theologischen Diskurs über mögliche moralisch-ethische Bedenken gegenüber Handel und dem dadurch erworbenen Reichtum. Dass die Erhöhung der Einnahmen und der damit verbundene Ausbau einer Verwaltung auch für die steirischen (und österreichischen) Landesfürsten bereits um 1200 aus vielerlei Gründen von Nutzen waren, ist zwar nicht neu, es ist aber durchaus verdienstvoll, dies materialreich und umfassend in Erinnerung zu rufen. Die dabei vorgebrachten eigenen Überlegungen sind immer wieder bedenkenswert, bleiben aber häufiger spekulativ oder allzu vage. Dies trifft nicht zuletzt auf die Passagen über die Entstehung der Länder, die Entwicklung der Landeshoheit und die Rolle der Ministerialität zu, wo mitunter neuere Literatur übersehen wurde. In anderen Teilen ist das Buch durchaus anregend, grundsätzlich hätte ihm aber eine straffere und stringentere Gliederung gutgetan. 

Roman Zehetmayer