Monumentum, documentum. L’epigrafia come documentazione medievale, a cura di Leonardo Magionami / María Encarnación Martín López (Palaeographica 10 – Studi 4) Spoleto 2023, Fondazione Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo, XI u. 223 S., Abb., ISBN 978-88-6809-382-2, EUR 42. – Der Sammelband vereint elf Beiträge einer losen, an den kulturellen Kontexten ma. Schriftproduktion interessierten Arbeitsgruppe italienischer und spanischer Epigraphiker und Historiker, die auf der Spur des titelgebenden, methodologischen Problemaufrisses von Jacques Le Goff (1978) nach dem Spektrum der Interaktionen zwischen „Dokument“ als Inhalt geschichtlicher Memoria und „Monument“ als spezifischer Form der materiellen Präsentation fragen. – Die Schnittmengen von Diplomatik und Epigraphik beleuchtet María Encarnación Martín López (S. 13–34) in einem breiten Überblick anhand von Formularelementen spanischer Grab-, Stifter- und Weiheinschriften des 10.–15. Jh., die diplomatische Rechtsklauseln reflektieren oder verarbeiten. – Den Wechselwirkungen von Inschriftenträger, -inhalt und -impaginierung geht Flavia De Rubeis (S. 35–49) vor allem am Beispiel der hochrangigen Grabplatten der nordlangobardischen Hofwerkstätten des 8. Jh. nach, deren Schriftpräsentation von vertikaler, einspaltiger Schmalseiten- hin zu horizontaler, zweispaltiger Breitseitenausrichtung wechselt, was nicht nur umfangreichere epigraphische Carmina ermöglicht, sondern auch eine nicht mehr boden-, sondern wandbezogene Anbringung und Wahrnehmung nahelegt. – Daniele Ferraiuolo (S. 51–64) nimmt die Standorte und Wahrnehmungskontexte ausgewählter, prominenter Grabmäler und -inschriften des 8.–12. Jh. in den Räumen süd- (S. Vincenzo al Volturno, Benevent) wie norditalienischer Klöster (Bobbio, Pavia, Brescia) in den Blick. – Roberto Farinelli (S. 65–73) behandelt die diplomatischen Merkmale und die Raumsituation der 1117 datierten, um den Hochaltarraum zentrierten Urkundeninschrift der südtoskanischen Reichsabtei Sant’Antimo zur umfangreichen Güterschenkung eines Grafen Bernardus (wohl degli Ardengheschi) im Kontext älterer Urkundeninschriften des 11. Jh. in Mailand, Verona und Collescipoli (Umbrien). – Javier de Santiago Fernández / Carla Cueto Martínez (S. 75–98) beschäftigen sich für den spanischen Raum mit Anniversarstiftungen in den verschiedenen Überlieferungsmedien Urkunden (Testamenten), Hss. (Obituarien) und besonders in Katalonien häufigen „Nekrolog-Inschriften“; ihr Augenmerk gilt vor allem den einschlägigen, im Anhang edierten Inschriften des 12.–14. Jh. aus dem Stadtkloster Sant Pau del Camp in Barcelona und dem Kreuzgang der dortigen Kathedrale. – Leonardo Magionami (S. 99–111) liest das Heiligengrab der Aretiner Urmärtyrer im Dom von Arezzo – ein Pasticcio antiker, ma. und neuzeitlicher Teile mit drei Reliquien- bzw. Translationsinschriften (1340, 1561 und 1810) – als Monument identitätsstiftender kultischer Kontinuität über alle translationsauslösenden Krisenmomente der Stadtgeschichte hinweg; bemerkenswert sind die Berichte der Reliquieninventionen der 1340 datierten Inschriftenplatte, in die offenbar Texte einer älteren Inschrift interpoliert sind. – Natalia Rodríguez Suárez (S. 157–170) spürt minutiös in spanischen Inschriften des 10.–13. Jh. spezifische Kürzungsformen, Formularteile und graphische Beglaubigungszeichen als Indizien dafür auf, dass mit der Beteiligung von Schriftexperten zu rechnen ist, die für Texte in verschiedenen Trägermedien (Codices, Urkunden) tätig waren. – Pablo Alberto Mestre Navas (S. 181–204) verfolgt die Legende von der Gründung Sevillas durch den mythischen Helden Herkules von Anfängen in den Geschichtschroniken des kastilischen Königs Alfons X. des Weisen (1252–1284), in denen auch eine inschriftliche Vorhersage der Stadtgründung eine Rolle spielt, bis zu den Bild- und Inschriftendenkmälern des 16. Jh. Den Band beschließt ein detailliertes Namen- und Ortsregister.
Albert Dietl