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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

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Raphaël Carbonne, Les messagers à la cour de Philippe le Bon et Charles le Téméraire (Historiques) Paris 2024, L’Harmattan, 191 S., ISBN 978-2-336-45171-8, EUR 21. – Wie gestaltete sich das Botenwesen unter den burgundischen Herzögen Philipp dem Guten (1419–1467) und Karl dem Kühnen (1467–1477)? Wer waren die Männer, die als Sendboten, Abgesandte und Meldegänger für den burgundischen Hof unterwegs waren? Und welche Rolle spielten sie in dem politischen System, das die Herzöge im 15. Jh. errichteten? Diesen Fragen geht C. vor allem unter Rückgriff auf die Finanzarchive und hier besonders auf die Recette générale de toutes les finances nach. Deren Entwicklung und der institutionelle Rahmen des burgundischen Botenwesens werden im ersten Kapitel abgehandelt (S. 19–51). Die Vielschichtigkeit des Begriffs messager wird an fünf Typen aufgezeigt: So konnten die Herzöge und ihr Zirkel gleichzeitig auf Boten zu Pferd und zu Fuß, Kleriker, officiers d’armes und anlassbezogene Spezialboten zurückgreifen, die sowohl schriftliche als auch mündliche Nachrichten überbrachten. Die konkrete professionelle Tätigkeit und das Auftreten der Boten werden im zweiten Kapitel beschrieben (S. 53–79). Sehr aufschlussreich sind die aus der Rechnungsführung abgeleiteten Distanzen, welche die berittenen Boten zurücklegen konnten, so erreichten sie z.B. alle Bestimmungsorte im flandrischen Herrschaftsbereich der Herzöge innerhalb von vier Tagen. Anhand von Miniaturen in online zugänglichen Hss. wie etwa den französischen Übersetzungen des Octavien de Saint-Gelais von Ovids Heroides aus dem 16. Jh. in BnF, Ms. Fr. 873 und 874, entschlüsselt C. die Ikonographie der Gesandten. Das Herzstück der Studie bildet das dritte Kapitel (S. 81–120), in dem anhand der Finanzquellen versucht wird, das Leben von vier Boten zu rekonstruieren. Hier ist das Ergebnis allerdings ernüchternd. Zwar lassen sich Rückschlüsse auf die oftmals bescheidene Herkunft der Boten aus allen Teilen des herzoglichen Herrschaftsbereichs ziehen sowie konkrete Aufträge nachverfolgen. Wie der Vf. selbst einräumt, verraten die Quellen jedoch nichts über ihr Fortkommen außerhalb der konkreten Botengänge und über das Prozedere der eigentlichen Übermittlung. Dass die Arbeit von Boten in Zeiten der Krise essenziell war, zeigt schließlich das letzte Kapitel (S. 121–146), in dem die Rolle der chaotischen Nachrichtenübermittlung zum Lütticher Aufstand von 1468 in den Mémoires des burgundisch-französischen Diplomaten Philippe de Commynes aufgezeigt wird. Demnach führte ein „dysfonctionnement des réseaux officiels de messagerie“ (S. 143) zur wütenden Reaktion Karls des Kühnen, die schließlich in die Belagerung und systematische Zerstörung Lüttichs mündete, was durch eine stabile Nachrichtenlage hätte verhindert werden können. Die Studie überzeugt insgesamt durch eine gute Leserführung und eine konzise Zusammenfassung der Ergebnisse auf dem Stand der hauptsächlich französischsprachigen Forschung zu den Valois-Herzögen. C. ist sich der Lücken seiner Arbeit bewusst und verweist auf das Forschungspotenzial des Themas. Eine Reihe nützlicher Karten, Graphiken und Tabellen beschließt den Band.

Johannes Luther