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Die Inschriften des Landkreises Mayen-Koblenz 1 (ehem. Lkrs. Koblenz mit Andernach), gesammelt und bearb. von Eberhard J. Nikitsch (Die Deutschen Inschriften 111 – Mainzer Reihe 16) Wiesbaden 2021, Dr. Ludwig Reichert Verlag, 579 S. und 220 Taf. mit 565 farb. Abb., 20 s/w Abb., 1 Karte, ISBN 978-3-7520-0602-5, EUR 98. – Nach Publikation der Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises in zwei Teilbänden (Die Deutschen Inschriften 60 und 79; vgl. DA 63, 716f. und 69, 272–274) legt N. die Edition der Inschriften des nördlich anschließenden Landkreises Mayen-Koblenz in einem weiteren Teilband vor, der dem ehemaligen Landkreis Koblenz und der Stadt Andernach gewidmet ist. Die Besiedelungsspuren in diesem kulturell hochstehenden Gebiet reichen zurück bis in das 3. Jh., als Kelten und nachfolgend Römer, Germanen und Franken die untere Mosel und den oberen Mittelrhein kolonisierten. Kulturelles Zentrum bildet Andernach, das römisches Militärlager, merowingischer Königssitz und Streitgut zwischen den Erzstiften Köln und Trier war, ehe es 1167 an den Kölner Erzbischof Rainald von Dassel überging. Von den Inschriften des Bearbeitungsgebiets bis zum Jahr 1650 kann Andernach etwa ein Drittel für sich vereinnahmen. Die zu 532 Katalognummern zusammengefassten Inschriften (367 im Original erhalten), von denen Nr. 88 in diesem Band erstmals veröffentlicht wird, setzen bereits im ausgehenden 5. Jh. ein. Über 60 frühma. Inschriften des 5.–7. Jh. (Nr. 1–66), die vornehmlich aus frühchristlichen Friedhöfen aus Kobern-Gondorf, Andernach und dem Neuwieder Becken stammen, nehmen innerhalb der bislang weit über hundert erschienenen Bände des deutschen Inschriftenunternehmens alters- und mengenmäßig eine Ausnahmestellung ein. Die außergewöhnlich reiche Materialdichte von 42 Originalen ermöglichte N. die eingehende Analyse von äußerer Gestaltung, Formular und Schrift der Grabdenkmäler. Den groben Datierungsrahmen für die nicht mit Jahresangaben versehenen Grabinschriften geben archäologisch bzw. kunsthistorisch datierte Grabbeigaben vor; N. kann ihn mit einem in fünf Phasen unterteilten chronologischen Gerüst für die Schrift verfeinern. Erst um die Mitte des 12. Jh. liegen im Bearbeitungsgebiet die nächsten Inschriften als lokal und zeitlich eng begrenzter Bestand vor. Bei den drei ältesten hochma. Inschriften aus dem ehemaligen Augustinerinnenkloster St. Maria bzw. St. Thomas in Andernach handelt es sich um nichtoriginale Überlieferungen, eine Wandmalerei mit leoninisch gereimtem Bittgebet an Maria (um 1150; Nr. 67) sowie zwei Grabdenkmäler für die Vorsteherin der Frauengemeinschaft, Tenxwindis (nach 1152, Nr. 68), und für den Prior Konrad (nach 1152?, Nr. 69), deren Inschriften in jeweils drei leoninischen Hexametern ausgeführt wurden. Vom selben Kloster erhielt sich auf der mehrfach gebrochenen Deckplatte eines Sarkophags die stark verderbte Inschrift für den Mönch Isenbert, die N. mit älteren kopialen Überlieferungen abgleicht und anhand epigraphischer Indizien in die 2. Hälfte bzw. Ende 12. Jh. datiert (Nr. 70). Ebenfalls aus Andernach stammt das zweite hochma. Original, eine Bleitafel aus dem angeblichen Grab eines römischen Kaisers Valentinian. Sie enthält eingeritzte Translationsinschriften aus dem 1. Viertel des 13. Jh. und von 1337 sowie Beglaubigungsinschriften von 1543 und 1591 (Nr. 72). Die Kölner Annalen von St. Pantaleon berichten zum Jahr 1174 von diesem Grabfund, der sich durch den Reichtum seiner Beigaben auszeichnete und bei den Zeitgenossen viel Aufsehen erregte. Das Schwert Kaiser Valentinians wurde dem damals amtierenden Kaiser Friedrich I. Barbarossa übersandt. Sechs weitere Inschriften ordnet N. noch dem 13. Jh. zu, die Bendorfer Grabplatte des ersten Sayner Abts Hermann, die gleichzeitig die Gruftdeckplatte für die nachfolgenden Sayner Äbte bildete (Mitte 13. Jh.; Nr. 73), eine Wandmalerei mit Bibelzitaten und Namensbeischriften aus Winningen (2. Drittel 13. Jh., Nr. 74) sowie Glasmalereien aus Andernach-Namedy und Kobern-Gondorf (3. Drittel 13. Jh.; Nr. 75 bzw. 76). Die ersten Glocken im Bearbeitungsgebiet lassen sich aus dem 4. Viertel des 13. Jh. in Andernach und Bendorf nachweisen (Nr. 77, 78). Glocken sind im Katalog mit 32 Beispielen und 6 % Anteil am Gesamtbestand der Inschriften trotz absoluter Dominanz der Grab- und Sterbeinschriften (47 %) gut vertreten. Bis zur Mitte des 14. Jh. weisen die äußerst vielfältigen Inschriften auf Glocken allerdings weder Jahresdatierungen noch Gießernamen auf. 16 Inschriften ordnet N. dem 14. Jh. zu, aus dessen letztem Viertel haben sich in der katholischen Pfarrkirche von Vallendar erstaunlicherweise vier Reliquiare erhalten (Nr. 85–87, 94). Bis zum Jahr 1500 erfasst der Katalog insgesamt 134 Nummern. Die große Menge an Inschriften im 16. und 17. Jh. ergibt sich insbesondere aus den neu hinzugetretenen Totengedächtnismalen für den nichtadeligen Personenkreis. Allein der Friedhof der katholischen Pfarrkirche Kobern-Gondorf überliefert 98 Basalt-Grabkreuze für diesen Zeitraum und weit über 160 bis zum 18. Jh. Sie erlauben Einblicke in die bürgerliche, vielleicht auch bäuerliche Struktur des Ortes. Den gewissenhaft erarbeiteten Katalog der Inschriften erschließen ausführliche Register. Nahezu alle Inschriften sind mit exzellenten Abbildungen dokumentiert.

Franz-Albrecht Bornschlegel