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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

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Nancy Bisaha, From Christians to Europeans: Pope Pius II and the Concept of the Modern Western Identity, London / New York 2023, Routledge, XII u. 285 S., ISBN 978-1-032-32616-0. – Die „first in-depth examination of Pope Pius II’s development of the concept of Europe“ (Klappentext) kommt zu dem Ergebnis, dass die Eroberung Konstantinopels 1453 für Piccolominis Konzeption von Europa eine entscheidende Rolle spielte, da im Anschluss daran das von ihm verbreitete Bild der Osmanen immer negativere Züge annahm und er immer wieder seiner Hoffnung Ausdruck gab, dass eine kollektive Verteidigung Europas durch die christliche Gemeinschaft, die somit noch immer eine wichtige Rolle für die Europakonzeption spielt, den besten Schutz gegen die Bedrohung aus dem Osten darstelle. Somit kommt die Vf. cum grano salis zum gleichen Ergebnis wie schon Johannes Helmrath in seinem Beitrag „Enea Silvio Piccolomini (Pius II.) – Ein Humanist als Vater des Europagedankens?“, in der Festschrift für Hartmut Kaelble 2005 (vgl. DA 62, 333). Helmrath benötigte dafür nicht einmal zehn Seiten, die Vf. deren 285. Auf ihnen sammelt sie entlang der Biographie Piccolominis einschlägige, auf die Osmanen und das Europabild bezogene Passagen aus seinen Werken, wobei die Biographie oft die Oberhand gewinnt, zumal die Vf. dieser erhebliche Bedeutung (etwa durch die durch Piccolomini auf seinen Reisen gemachten geographischen Erfahrungen) für das Thema beimisst. Ausgehend von „From Siena to Vienna: The Foundations of Aeneas’s Worldview“ (Kapitel 1) über „1453–1455: Constantinopel, ‘Europe vs. Asia’“ (Kapitel 2), „‘The German Cardinal’ at the Roman Curia“ (Kapitel 3) bis zu „Papacy and Crusade (1458–1464)“ wird die Vita Piccolominis bis zum Ende seines Lebens wie auch seiner Kreuzzugsbemühungen verfolgt, und diese Kapitelüberschriften dürften jenen, die auch nur am Rande mit der Piccolomini-Literatur in Berührung gekommen sind, sehr vertraut vorkommen. Die Vf. fügt den ohnehin schon zahlreichen Biographien Piccolominis und den – kaum weniger zahlreichen – Publikationen zum Begriff „Europa“ (bei Piccolomini und anderswo) eine weitere hinzu; dass sich die dabei erzielten neuen Erkenntnisse in Grenzen halten, ist bei der Themenwahl nicht weiter überraschend, und man könnte die Frage stellen, ob es in der Piccolomini- bzw. Humanismusforschung nicht wichtigere Dinge zu tun gibt, als alte Publikationen aufzuwärmen. Dazu mag man aber stehen, wie man will. Weniger diskutabel ist die Tatsache, dass die Vf. in keiner Weise auf dem Stand der neuesten Literatur und die Monographie somit schon rein handwerklich höchst problematisch ist. Dies betrifft ganz simple Fakten der Biographie (so kann z. B. die Gicht Piccolominis schon aus medizinischen Gründen keinesfalls auf seine winterliche Wanderung zu einer Marienkirche in Schottland zurückgeführt werden, auch wenn er selbst dieser Meinung war, vgl. S. 19), insbesondere aber die Entstehungsgeschichte vieler Werke Piccolominis, die hier selbstredend eine wesentliche Rolle spielt und deren Erforschung gerade durch die deutschsprachige Mediävistik in den letzten Jahren erheblich vorangekommen ist, was der Vf. allerdings größtenteils entgangen zu sein scheint: So fehlt in der benützten Literatur der wichtige Aufsatz Claudia Märtls über die Entstehung der Commentarii (vgl. DA 71, 149–174); dass es sich bei der Beschreibung Wiens um einen Brief Piccolominis aus dem Jahr 1438 (so S. 31) handeln soll, ist mittlerweile seit mehr als 20 Jahren widerlegt, usw. Für viele Texte wird nicht die maßgebliche Edition benützt (die Reichstagsaktenbände und damit die dort enthaltenen Editionen der Türkenreden Piccolominis sind der Vf. offenbar völlig unbekannt); schließlich werden manche Texte, die durchaus Relevanz für das Thema besessen hätten, gänzlich ignoriert (so etwa die Historia Austrialis – während die Germania, Historia Bohemica und die Europa als Beispiele für Piccolominis Interesse „in early nationalist thought“ [S. 251] angeführt werden).

M. W.