Medieval Manuscripts and their Provenance. Essays in Honour of Barbara A. Shailor, ed. by Anthony S. G. Edwards, Cambridge, Mass. 2024, D. S. Brewer, XII u. 176 S., Abb., ISBN 978-1-84384-723-6. – Die Beiträge der Festschrift für Barbara A. Shailor, Professor of classics an der Rutgers Univ., von 2001 bis 2012 Direktorin der Beinecke Rare Book and Manuscript Library in Yale und Vf. der mehrfach aufgelegten Einführung The Medieval Book (vgl. DA 50, 300f.) sowie von drei Hss.-Katalogen der Beinecke Library (vgl. die kurze biographische Skizze des Hg. S. 1–4 sowie das Werkverzeichnis der Jubilarin S. 5–7), widmen sich durchweg der Provenienzgeschichte ma. Hss., einem der zentralen Interessen der Jubilarin. – Andrew Kraebel, Text and Provenance: The Early Transmission of Richard Rolle’s Melos Amoris (S. 13–30), revidiert mittels exemplarischer Textkonstitution eines Kapitels aus Richard Rolles († 1349) Werk das Stemma der Hss. sowie deren Einschätzung in der unzuverlässigen Edition Arnoulds von 1957, kündigt eine Neuausgabe an und zeigt, dass in den ersten Jahrzehnten nach Rolles Tod der Text vor allem in Kreisen der Kartäuser Interesse fand. – Christopher de Hamel, Charles V, king of France, and Humfrey, duke of Gloucester (S. 31–42), identifiziert ein 2022 bei Christie’s in London versteigertes Fragment aus dem Besitz von Marvin Colker als ein Blatt aus dem bisher als verloren angesehenen Widmungsexemplar der lateinischen Fassung des Somnium viridarii Évrarts de Trémaugon für König Karl V. von Frankreich und rekonstruiert den Weg der Hs. von Frankreich nach England, der via Herzog von Bedford und Humfrey von Gloucester nach Oxford führt, wo sich die Spuren des Codex verlieren. – Roger S. Wieck, Kissing the Paten (S. 43–66), weist darauf hin, dass eine in Stundenbüchern meist, aber nicht ausschließlich in Zusammenhang mit dem Totenoffizium dargestellte Szene nicht, wie in der Literatur oft fehlinterpretiert, den Empfang der Eucharistie oder das Küssen der Pax, sondern das Küssen der (Unterseite der) Patene durch die Messteilnehmer im Rahmen des Offertoriums darstellt, und stellt aus teils sehr berühmten Stundenbüchern wie den Petites Heures Jeans de Berry zwei Dutzend Beispiele von Miniaturen zusammen, welche das Ritual darstellen. – Julia Boffey, The New Chronicles of England and France in New England (S. 67–78), verfolgt den Weg von Harvard Univ., Houghton Library, MS Eng 766, einer Hälfte der 1504 von Robert Fabyan vollendeten New Chronicles of England and France, die als Vorlage für den Druck von Richard Pynson 1516 diente und (gemeinsam mit dem ersten Teil des Werks, heute York Minster Library, MS XVI. Y. 9) wohl in London kurz vor der Drucklegung kopiert wurde, von seinem Entstehungsort nach New England, wohin die Hs. schon 1686 im Gepäck von Samuel Lee gelangte, ehe sie über zahlreiche, durch Notizen im Codex selbst ungewöhnlich gut dokumentierte Besitzer 1945 von Harvard erworben wurde. – Michael P. Kuczynski, F. J. Furnivall and the Macro Manuscript (S. 79–98), macht auf bisher nicht registrierte Bleistiftnotizen des Editors (1904) der sog. Macro-Plays in Washington, Folger Shakespeare Library, MS V.a.354, aufmerksam, die u. a. die bekannte, als Wiedergabe einer Bühne interpretierte Zeichnung am Ende der Hs. betreffen. – Lisa Fagin Davis, Fragmentation and Fragmentology: A Century of Ege Studies (S. 99–115), gibt einen profunden Überblick über die bisherigen Forschungen zum selbsternannten Biblioklasten Otto Frederick Ege, der für die Zerlegung hunderter ma. Hss. verantwortlich zeichnete, weil er möglichst vielen Menschen den Zugang zu ihnen ermöglichen wollte, und weist auf die digitalen Möglichkeiten (Rekonstruktion von zerschnittenen Hss. aus digitalen Bildern) wie auch auf deren Gefahren (Torsi zurücklassende Drittmittelprojekte mit beschränkter Laufzeit) in diesem Bereich hin. – Consuelo Dutschke, Mark Lansburgh: Collector and Seller of Medieval Manuscripts (S. 116–131), gibt einen kurzen Abriss der Biographie Lansburghs (1925–2012) und stellt anschließend eine 109 Nummern umfassende Liste von Hss., Briefen und anderen ma. und frühneuzeitlichen Dokumenten zusammen, die sich einst im Besitz dieses weitgehend unbekannten Hss.-Sammlers befanden. – William P. Stoneman, Medieval Manuscripts owned by Edward Duff Balken of Pittsburgh (S. 133–142), kann 18 dem Besitz des wenig bekannten amerikanischen Bibliophilen zuweisbare ma. Codices eruieren und führt die jeweils relevanten Katalogisate und weitere Provenienzangaben zu den Hss. an. – A. S. G. Edwards, H. Harvey Frost’s Collecting of Medieval and Renaissance Manuscripts and the 1931 Quaritch Illuminated Manuscripts Catalogue (S. 143–164), rekonstruiert aus den Anmerkungen, die der fast unbekannte Industrielle und Bibliophile in seinem Exemplar des berühmten Quaritch-Verkaufskatalogs von 1931 anbrachte, die 29 Hss.-Erwerbungen Frosts aus diesem Katalog, gibt eine weitere Liste von 32 einst im Besitz Frosts befindlichen Codices bei, wobei in beiden Listen, falls eruierbar, die derzeitigen Aufbewahrungsorte der Hss. oder zumindest ihre Erwähnungen in anderen Auktionskatalogen genannt werden, und steuert in einer Appendix solche Angaben auch für eine Reihe weiterer Signaturen aus dem Verkaufskatalog von 1931 bei. – Der interessante Band, der eine schöne und thematisch passende Festgabe für die Jubilarin darstellt, wird durch ein allgemeines Register von Personen- und Ortsnamen sowie von Werktiteln und durch ein Hss.-Register, das in jenen Fällen, in denen sie die letzte Information über eine Hs. darstellen, auch Auktionskataloge erfasst, gut erschlossen.
M. W.