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Il „Dialogo“ di Caterina da Siena. Per una nuova edizione critica: filologia, tradizione, teologia, a cura di Silvia Nocentini (La mistica cristiana tra Oriente e Occidente 36) Firenze 2023, Edizioni del Galluzzo, VIII u. 272 S., Abb., ISBN 978-88-9290-238-1, EUR 44. – Der Band versammelt die Vorträge des an der Pontificia Univ. San Tommaso d’Aquino in Rom vom 2. bis 3. Dezember 2021 abgehaltenen 16. Seminario di storia e teologia della mistica „Claudio Leonardi“, das auch der Vorbereitung einer Neuedition des Dialogo (Libro della divina provvidenza) Katharinas von Siena dienen sollte (Silvia Nocentini, Premessa, S. VIIf.). – Claudio Lagomarsini, L’orchestrazione della prosa nel „Dialogo“ di Caterina da Siena (S. 3–20), untersucht den Text des Dialogo in Bezug auf sprachliche und argumentative Strukturen, erkennt Einflüsse der Scholastik sowie der zeitgenössischen volkssprachlichen Predigt und schließt aus diversen Eigenheiten wie der beharrlichen Wiederholung bestimmter Formeln, dass Katharina mit ihrer Konzeption des Textes weniger auf ein lesendes als vielmehr auf ein zuhörendes Publikum abzielte. – Noemi Pigini, L’edizione critica del „Dialogo della Divina Provvidenza“: rimaneggiamenti sintattici e prassi ecdotica (S. 21–53), versucht auf der Basis ihrer Diss. zur Überlieferungsgeschichte des Dialogo eine erste Einordnung der Textzeugen und kommt zu dem Ergebnis, dass der den neueren Ausgaben zugrundeliegende, teils von Barduccio Canigiani kopierte Cod. 292 der Bibl. Casanatense in Rom aufgrund seiner Textveränderungen wohl nicht als Basis einer kritischen Edition in Frage kommt. – Francesco Santi, La Bibbia di Caterina da Siena (S. 55–84), interpretiert den Dialogo als Ergebnis von Katharinas Auffassung der Bibel als Buch von Prophezeiungen und der Verarbeitung ihrer eigenen ekstatischen Erfahrungen. – Alessandra Bartolomei Romagnoli, La teologia della croce di Caterina da Siena (S. 85–110), sieht als zentrales Motiv des Werks den Tod Christi am Kreuz, den Katharina nicht nur als Opfer zur Erlösung der Menschen, sondern auch als Offenbarung der Barmherzigkeit Gottes interpretiert habe. – Silvia Nocentini, Le traduzioni latine del „Dialogo“ di Caterina da Siena (S. 113–129), gibt zunächst einen guten Überblick über die hsl. Überlieferung der drei von Raimund von Capua, Cristofano di Gano Guidini und Stefano Maconi angefertigten (Teil-)Übersetzungen des Dialogo ins Lateinische und sieht in den Übersetzungsinitiativen eine bewusste Strategie, mit der man zur Verbreitung und Zugänglichkeit der Werke Katharinas (etwa auch außerhalb Italiens) beitragen und auf diesem Weg auch die Chancen auf ihre Kanonisierung erhöhen wollte. – Nicola Estrafallaces, La patrona d’Italia fuori dall’Italia: la diffusione del „Dialogo“ nell’Inghilterra medievale (S. 131–144), stellt nach genauerer Untersuchung der für die Nonnen von Syon hergestellten mittelenglischen Version des Dialogo (The Orchard of Syon) fest, dass die von der bisherigen Forschung betonte neue Gliederung dieser Fassung zum großen Teil bereits in ihrer Vorlage, nämlich in der lateinischen Übersetzung des Dialogo von Cristofano di Gano Guidini, vorhanden ist und dass damit im Vergleich mit anderen, meist sehr freien ma. englischen Bearbeitungen mystischer Texte vom Kontinent gerade diese werkgetreue Übernahme eine gewisse Originalität darstellt. – Pablo Acosta-García, La difusión de la obra de Caterina da Siena en la Península Ibérica: el caso de „El Diálogo“ (S. 145–169), zeigt, dass anders, als von der älteren Forschung angenommen, der Dialogo Ende des 15. Jh. zumindest in Kastilien in seiner lateinischen wie auch der italienischen Fassung durchaus nachweisbar ist, dass allerdings erst in der frühen Neuzeit Übersetzungen ins Katalanische und Kastilische angefertigt wurden. – Piotr Tylus, La source textuelle de la première traduction française du „Dialogue“ de sainte Catherine de Sienne (S. 171–178), kann nach stichprobenartiger Kollation der Drucke der italienischen Originalfassung des Dialogo als Grundlage für die von den Dominikanern der Rue Saint-Jacques in Paris 1580 gedruckte französische Übersetzung (1580) die von Marchio Sessa 1540 in Venedig publizierte Ausgabe wahrscheinlich machen. – Alexandra Diriart, La théologie de l’Église à l’œuvre dans le „Dialogue“ de Catherine de Sienne (S. 181–200), liest den Dialogo als Quelle für die Ekklesiologie Katharinas und hält die Deutung der Kirche als Körper sowie als Braut Christi für die beiden dominierenden Bilder im Gedankengut des Dialogo. – Clarisse Tesson, Le „Dialogue“, pièce maîtresse de la proclamation de Catherine de Sienne comme docteure de l’Église (S. 201–218), sieht die im 20. Jh. zunehmenden Bemühungen um Editionen der Werke Katharinas und insbesondere die Ausgabe des Dialogo von Giuliana Cavallini 1968 als einen entscheidenden Faktor für die Ernennung der Heiligen zur Kirchenlehrerin 1970 durch Papst Paul VI. an. – Gianni Festa, Il contributo di Innocenzo Colosio OP agli studi cateriniani in Italia (S. 219–249), sieht das Verdienst Colosios (1910–1997), der die von seinem Lehrer Réginald Garrigou-Lagrange initiierte Forschungsrichtung, die Theologie und Spiritualität Katharinas stark von (neo-)thomistischem Gedankengut geprägt sieht, weiterentwickelte, insbesondere darin, dass er im Unterschied zu anderen dominikanischen Vertretern dieses Ansatzes auf einer quellen-, also auf den Schriften Katharinas basierenden Argumentation und damit auf der historisch-kritischen Methode beharrte. Der interessante Band, dem hoffentlich bald eine Neuedition des Texts folgen wird, wird durch Register der Orte und Namen, erfreulicherweise aber auch durch einen Index der Hss. und Drucke gut erschlossen.

M. W.