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Die Urkunde. Text – Bild – Objekt, hg. von Andrea Stieldorf (Das MA, Beiheft 12) Berlin 2019, De Gruyter, VIII u. 429 S., 52 s/w Abb., 89 Farbabb., ISBN 978-3-11-064396-1, EUR 99,95. – Der auf eine Bonner Tagung von 2017 zurückgehende Sammelband setzt sich zum Ziel, durch einen „interdisziplinären bzw. transkulturellen Ansatz“ einer „Relativierung des bisherigen Europazentrismus in der Diplomatik“ und einem „Perspektivwechsel“ (S. 15) vom Primat des Textes zu kultur- und gesellschaftsgeschichtlichen Fragestellungen Vorschub zu leisten. Dazu werden in drei Abschnitten 1. Urkunden als Quellen und als Rechtsmittel, 2. Urkunden als Schriftbilder zwischen Recht und Repräsentation und 3. Urkunden in Kopiaren und auf Stein in den Blick genommen. Am Beispiel von jüdischen Kreditvergabe-Urkunden zeigt Eveline Brugger (S. 19–40), dass hebräische Gewährleistungsformeln und Unterschriften als Rechtsgarant nach jüdischem Recht Aufnahme fanden. Alheydis Plassmann (S. 41–97) kommt mittels statistischer Auswertung der Urkunden Heinrichs II. von England bezüglich Ausstellungsort, Empfängern und Zeugen zu Erkenntnissen hinsichtlich der herrschaftlichen Durchdringung der Regionen. Andrea Schindler (S. 99–124) weist nach, dass diplomatische Termini in literarischen Werken höchst selten, allenfalls im metaphorischen Sinn Verwendung fanden. Klaus Herbers (S. 125–139) hebt hervor, dass der zentrale Unterschied zwischen Papsturkunden und Papstbriefen des Früh-MA auf der Ebene der Kommunikation und der Überlieferung zu konstatieren ist. Christoph U. Werner (S. 141–160) reflektiert über die Anwendbarkeit des Begriffs der Privaturkunde für den persisch-islamischen Kultur- und Rechtskreis. Im zweiten Teil, in dem die äußeren Merkmale im Mittelpunkt stehen, zeigt Peter Schwieger (S. 163–181) formale und funktionale Übereinstimmungen zwischen tibetanischen und lateinischen Herrscherurkunden des frühen MA. Andreas E. Müller (S. 183–198) hebt u.a. bezüglich Protokoll, Kontext, Rubrizierungen, Subskription und Goldbulle die Elemente der Machtdemonstration in den großen byzantinischen Kaiserurkunden hervor. Irmgard Fees (S. 199–232) betont das äußerst seltene Vorkommen graphischer Elemente in hochma. Bischofsurkunden – Salzburg und Augsburg bilden zwischen 1120 und 1200 Ausnahmen, die auf das Selbstverständnis der betreffenden Amtsinhaber zurückzuführen sind. Die Kunsthistorikerin Gabriele Bartz (S. 233–258) wiederum hebt anhand Avignoneser Bischofssammelindulgenzen die Relevanz illuminierter Urkunden für die Datierung der zeitgenössischen Buchmalerei hervor. Martin Roland (S. 259–327) zeigt den illustrativen Zusammenhang der Miniaturen illuminierter Urkunden und Abschriften mit den entsprechenden performativen Handlungen der Urkundenübergabe und deren öffentlicher Verkündung auf. Den dritten Teil eröffnet Franz-Albrecht Bornschlegel (S. 331–361) mit einer Untersuchung zum Einfluss der Urkundenschrift auf Urkundeninschriften und Urkunden imitierende Inschriften. Wolfgang Huschner (S. 363–381) stellt am Beispiel geistlicher Empfänger Italiens das Motiv der Sicherung eigener Rechte als Antrieb zur Anfertigung kopialer Textzeugen in den Mittelpunkt. Susanne Wittekind (S. 383–417) schließlich betont am Beispiel katalanischer Chartulare, dass Illuminationen und kalligraphische Gestaltungselemente der Herrschaftslegitimation und repräsentativen Zwecken dienten. Ein Register (S. 419–429) rundet diesen Sammelband ab, der wichtige Anregungen für eine moderne Diplomatik enthält.

S. P.