Peacemaking and the Restraint of Violence in High Medieval Europe, ed. by Simon Lebouteiller / Louisa Taylor (Studies in Medieval History and Culture) London / New York 2024, Routledge, X u. 221 S., ISBN 978-0-367-14256-8, GBP 150. – Noch 2023 stellten Daniel Gerster, Jan Hansen und Susanne Schregel in der Einleitung zu dem von ihnen verantworteten Sammelband Historische Friedens- und Konfliktforschung fest: „Historiker:innen des Mittelalters und der Antike treten in programmatischen Debatten um die Historische Friedens- und Konfliktforschung kaum in Erscheinung“. Dieser Befund trifft allenfalls auf die deutschsprachige Forschung zu, wie der hier zu besprechende Sammelband zeigt, der Friedenschließen und die Eindämmung von Gewalt im europäischen Hoch-MA in den Blick nimmt und zugleich eine wichtige Intervention in der Diskussion um die Konzeptualisierung von Gewalt und Frieden als Interpretamente für ma. Gesellschaften darstellt. Die Hg. (Einleitung, S. 1–14) beschränken ihre Definition von Frieden nicht auf einen negativen Friedensbegriff im Sinne Johan Galtungs, sondern gehen davon aus, dass Friedenschließen neben der Abstellung von Konflikten immer auch ein Versuch war, eine neue soziale Realität zu etablieren, die Ordnung wiederherstellte und stabilisierte. Sie interpretieren Konflikt und Frieden daher als miteinander verwobene Gesellschaftsprozesse (S. 3). Die folgenden zehn Fallstudien sind in drei Themenblöcken angeordnet: Ideen und Praktiken der Gewalteindämmung, Definitionen und Verhandeln von Frieden sowie abschließend Beziehungspflege. Somit rückt jeder Teil des Sammelbandes einen bestimmten Aspekt von Friedenschließen und Konfliktregulation in den Mittelpunkt. Neben rituellen Unterwerfungen (Hermann Kamp, S. 17–35; Iain A. MacInnes, S. 65–85) untersuchen die Beiträge des ersten Teils Bestrafung von Aufständischen (Stephen D. White, S. 36–64) und Exil (Harald Endre Tafjord, S. 86–103) als Mittel der Konflikteindämmung. Der zweite Abschnitt stellt Definitionen von Frieden und deren Entwicklung wie etwa die Transformation von der Pax dei zur Pax regis (David Brégaint, S. 146–162) in den Mittelpunkt oder konkurrierende Konzeptionen in Handelsverträgen zwischen deutschen und russischen Kaufleuten (Tobias Boestad, S. 107–128). Aber auch über die Bedeutung von Verhandlungsorten wird am Beispiel von Verhandlungen an, auf oder in der Nähe von Flussufern, Inseln oder Brücken reflektiert (Simon Lebouteiller, S. 129–145). Die dritte Sektion beleuchtet Aspekte ritueller Gastlichkeit im Kontext von Friedensprozessen für den englischen Kontext (Lars Kjær, S. 165–181), im Kontakt mit Kreuzfahrerstaaten (Yvonne Friedman, S. 182–194) und in Byzanz (Nicolas Drocourt, S. 195–214). Die Mehrzahl der Fallstudien bewegt sich innerhalb des kulturellen Kontexts des lateinischen Westens. Dies trägt ebenso wie der geographische Fokus auf vor allem England, Schottland und den Ostseeraum zu einer höheren Vergleichbarkeit der Beobachtungen bei, da gemeinsame Normhorizonte, wenngleich in regionaler Spezifik, sichtbar werden. Erweitert wird diese eher nordeuropäische Perspektive durch Beispiele zum römisch-deutschen Reich, zur Iberischen Halbinsel sowie zu den Grenzregionen zwischen dem christlichen Westen und dem östlichen Mittelmeerraum. Die Beiträge von Boestad, Friedman und Drocourt liefern zudem wichtige Einsichten in transkulturelle Friedensprozesse und deren Bedingungen. Es wäre überaus wünschenswert, weitere ma. Beiträge zur historischen Friedens- und Konfliktforschung zu sehen, um die zeitliche Perspektive erweitern zu können, auch und gerade in der deutschsprachigen Forschung. Der Sammelband liefert neben anregenden Diskussionen einen Ausgangspunkt dafür.
Dorothée Goetze