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John Osborne, Rome in the Ninth Century. A History in Art (British School at Rome Studies) Cambridge / New York 2023, Cambridge Univ. Press, XI u. 326 S., Abb., ISBN 978-1-009-41537-8, GBP 85. – Das Buch ist der zweite Band einer dreiteiligen Reihe über die Geschichte der Stadt Rom im frühen MA, die sich vor allem auf materielle Kultur als Primärquelle stützt. Der Vf. definiert seinen Ansatz daher als „history in art“ im Gegensatz zur traditionellen „history of art“. Nach dem Band über das 8. Jh., der 2020 erschien, behandelt diese Monographie das 9. Jh. Der Aufbau folgt den aufeinanderfolgenden Pontifikaten, von Leo III., der seinen Ruf vor allem dem erfolgreichen Pakt mit den Franken verdankt, bis zu einer Reihe beklagenswerter Päpste am Ende des Jahrhunderts. Der Großteil der Objekte stammt jedoch aus der ersten Jahrhunderthälfte. Das Buch ist daher ein Diptychon, das auf der einen Seite die Geschichte einer blühenden Stadt mit einem „unprecedented surplus wealth“ (S. 6) zeigt, während gegenüber das Bild von externen Bedrohungen, wirtschaftlichem Niedergang und der Erschöpfung der päpstlichen Schatzkammer in der zweiten Jahrhunderthälfte steht. Es zeigt sich, dass die materiellen und schriftlichen Quellen in dieser Hinsicht dieselbe Geschichte erzählen, so dass von einem Zufall der Überlieferung keine Rede sein kann. Die entscheidende Quelle für die Untersuchung, der Liber Pontificalis, spiegelt diese Entwicklung eindeutig wider. Für die aurea Roma (Modoin von Autun, S. 131) der ersten Jahrzehnte folgte eine Zeit aufeinanderfolgender Rückschläge, die dazu führten, dass das Jahrhundert endete „not with a bang but a whimper“ (S. 261, nach T. S. Eliot). O. führt den Leser souverän, gleichzeitig luzide und zugänglich durch die Wechselfälle einer Stadt an der Schnittstelle einer dauerhaften Ost-West-Achse, die die alte Mittelmeerwelt umspannte, und einer relativ neuen Nord-Süd-Achse, die über die Alpen bis nach England reichte. Das Buch ist eine Synthese im besten Sinn des Wortes, in der aktuelle Debatten über die zahlreichen offenen Fragen verwoben sind und eine sehr ausführliche Bibliographie den Leser weiterführt. Es fällt auf, dass einige Themen, mit denen sich der Vf. als hervorragender Experte bereits früher ausführlich beschäftigt hat, relativ viel Aufmerksamkeit erhalten, wie beispielsweise die Wandmalereien von Leo IV. in San Clemente und die Buchproduktion in Rom im späteren Verlauf des Jahrhunderts, während andere bedeutende „Quellen“ wie der spektakuläre Neubau der Kirche SS. Quattro Coronati etwas zu kurz kommen. Diese relativen Ungleichgewichte beeinträchtigen jedoch weder den Argumentationsfluss noch den Lesegenuss. Der einzige wirkliche Mangel des Buchs ist die sparsame Verwendung von Abbildungen. Zahlreiche Objekte, die im Text ausführlich besprochen werden, müssen ohne Abbildung auskommen, wodurch das Konzept der „Geschichte in der Kunst” manchmal seine Wirkung zu verlieren droht. O. gelingt es jedoch, eine kohärente Erzählung zu schaffen, in der die materiellen und schriftlichen Quellen wie „Fäden in einem Teppich“ miteinander verwoben sind (S. 9). Dies weckt Neugier auf den angekündigten Band über das 10. Jh., der neues Licht auf das traditionelle Bild von „Rome in the Dark Ages“ zu werfen verspricht.

Sible de Blaauw