Reutlinger Urkundenbuch, Teil 2: Die Urkunden von 1400 bis 1500, bearb. von Bernhard Kreutz unter Mitarbeit von Roland Deigendesch, Reutlingen 2023, Stadtarchiv Reutlingen, XXII u. 655 S., ISBN 978-3-939775-78-2, EUR 47. – Bd. 2 des Reutlinger Urkundenbuchs ist dem 15. Jh. gewidmet und stellt den vorläufigen Abschluss eines 2017 begonnenen Projekts dar, das auch eine Onlineversion umfasst (https://www.stadtarchiv-reutlingen.findbuch.net; vgl. DA 79, 711f.). Die kurze Einleitung (S. VII–XII) erläutert Quellenauswahl, „Inhalt und Erkenntnismöglichkeiten“, Gestaltung und Editionsgrundsätze, listet namentlich fassbare Stadtschreiber auf und merkt Änderungen im städtischen Siegelwesen an. Es folgt der Urkundenteil (S. 1–609) mit 793 Nummern, davon 236 Urkunden im Volltext, 557 nur als Regesten. An äußeren Merkmalen werden jeweils Beschreibstoff, „Entstehungsstufe“, Besiegelung und zeitgenössische Kanzlei- und Rückvermerke angeführt. Gegebenenfalls wird auf Literatur zur Reutlinger Stadtgeschichte, frühere Regesten oder Drucke verwiesen. Ein ausführlicher Orts- und Personenindex schließt den Band ab (S. 610–655). Dass er unter finanziellem Druck entstand, wird einleitend erwähnt (S. VII) und an mehreren Stellen deutlich: Die Quellenauswahl ist gegenüber Bd. 1 reduziert, indem Reutlinger Urkunden in der Überlieferung benachbarter Herrschaften, Einrichtungen und Städte ausgeklammert blieben. Zudem wurde nicht nur bei andernorts gedruckten Stücken auf Volltext verzichtet, sondern auch bei „ausufernden Lehensurkunden“, „vielseitigen Schiedsurteilen mit zahlreichen Zeugenbefragungen“ oder „stereotypen Gülturkunden“ (S. VIII). Leider ist auch die Urkunde mit der Ersterwähnung des städtischen Archivs nur als Regest aufgenommen (Nr. 362). In den Volltexten fallen bei stichprobenhafter Kollation mit online verfügbaren Digitalisaten zahlreiche Transkriptionsfehler auf, die für sich genommen oft nicht gravierend erscheinen (z. B. S. 2 ire statt ir, S. 253 von zwo ire statt und zwo ir, S. 319 tusent statt dusent). In der Menge irritieren sie jedoch, zumal schon Jürgen Treffeisen (in: Zs. für die Geschichte des Oberrheins 168, 2020, S. 636f.) auf solche Fehler in Bd. 1 verwiesen und einen zusätzlichen Korrekturgang für Bd. 2 angemahnt hat. Für sprachgeschichtliche Analysen ist der Band daher nur eingeschränkt zu gebrauchen. Diplomatische Studien hätten vom Hinweis auf bereits zugängliche Digitalisate (z. B. HStA Stuttgart, Bestand H 51) profitieren können; gleichwohl werden vielfältige Einblicke in das spätma. Urkundenwesen geboten: Neben Papst-, Herrscher- und Notarsurkunden finden sich etwa Gerichts- und Urfehdebriefe, Stiftungen und vor allem Gült- und Kaufbriefe. Und für die Reutlinger Stadtgeschichtsforschung stellt der Band trotz der Kritikpunkte zweifellos einen großen Gewinn dar. So weist das Register z. B. mehrere Hundert Reutlinger Bürgerfamilien aus, und aus den Urkunden erfährt man teils Lebensnahes, etwa von jugendlichen Straftätern, die an einem Totschlag beteiligt waren (Nr. 686) oder Unrat in Brunnen geworfen haben (Nr. 708), sowie von städtischen Strafmaßnahmen wie Verbannung (Nr. 778) oder gar lebenslänglichem Wirtshausverbot (Nr. 694).
Magdalena Weileder