Crusade, Settlement and Historical Writing in the Latin East and Latin West c. 1100–c. 1300, ed. by Andrew D. Buck / James H. Kane / Stephen J. Spencer (Crusading in Context 5) Woodbridge 2024, The Boydell Press, XIV u. 298 S., Abb., ISBN 978-1-78327-733-9, GBP 95. – Der Sammelband befasst sich in 15 Aufsätzen mit der Geschichtsschreibung im Heiligen Land in der Zeit der Kreuzzüge und der Kreuzfahrerstaaten. Die lateinische Geschichtsschreibung im Orient und die im Okzident sollen hier nicht wie so oft als kategorisch verschieden betrachtet werden, sondern als ein großes Corpus von Schriften, das wichtig war für die Verbindungen zwischen den Kreuzfahrerstaaten und der westlichen Christenheit. Eingeleitet wird der Band durch einen umfassenden Forschungsüberblick der Hg. Besonders dafür werden ihnen viele dankbar sein, denn sie machen nicht nur mit vielen der wichtigsten Trends der Kreuzzugsforschung bekannt, sondern versuchen diese auch mit der Geschichtsforschung zu dieser Epoche allgemein zu verknüpfen. Die Hg. sind sich wohl bewusst, dass die Kreuzzugsforschung zu großen Teilen gewissermaßen in ihrer eigenen Blase stattfindet, und bemühen sich deshalb, sie nicht isoliert zu betrachten, sondern als wichtige Strömung innerhalb der gesamteuropäischen Geschichte der Epoche. Darin liegt eine der Stärken der Einleitung und des ganzen Bandes. Die einzelnen Beiträge behandeln die verschiedensten Aspekte der Geschichtsschreibung – von historiographischen Elementen in Briefen (Thomas W. Smith, S. 34–47) über Belege für Kreuzfahrergelübde in der Chronistik (Edward J. Caddy, S. 68–85) bis zu den Reaktionen ma. Geschichtsschreiber auf den Fall von Jerusalem (Katrine Funding Højgaard, S. 211–227). Auch die methodischen Zugänge unterscheiden sich stark. Eine detailreiche Studie zur Rezeption der Historia Hierosolimitana Fulchers von Chartres in England (Stephen J. Spencer, S. 137–154), die deutlich macht, dass eine Neubewertung der Überlieferung dieses wichtigen Werks angebracht ist, steht neben narratologischen Betrachtungen zur Darstellung der Siedlung in den Kreuzfahrerstaaten im selben Werk (Katy Mortimer, S. 102–120). Ausführungen zur Darstellung von Kriegsbeute und Plünderungen bei den Chronisten (Connor Wilson, S. 86–101) finden sich neben Gedanken zu Erzählkunst und Männlichkeit bei Wilhelm von Tyrus (Andrew D. Buck, S. 155–173, und Katherine J. Lewis, S. 191–210). Der Band erweist sich als ebenso flexibel in seinem Zugang zum Thema wie aktuell auf dem Forschungsstand. Und gemeinsam ergeben die Beiträge dennoch eine Einheit, was man nicht von jedem Sammelband sagen kann. Interessant wäre die Frage, ob all die feinsinnigen Motivationen, die den ma. Autoren hier unterstellt werden, wirklich in den Köpfen dieser Autoren vorhanden waren und nicht nur in denen moderner Historiker – in anderen Worten, ob nicht mancher zu viel in seine ma. Quellentexte hineinliest. Zugegeben, mit diesem Problem muss sich jeder MA-Historiker auseinandersetzen, der es mit Schriftquellen zu tun hat, und die Vf. machen hier keine größeren Fehler als die meisten ihrer Kollegen. Der Qualität und dem Nutzen des Bandes tut das jedenfalls keinen Abbruch. Persönlich würde ich mir wünschen, in der nächsten Zukunft eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kreuzzugshistorikern und Fachleuten zur Geschichte Westeuropas zu sehen. Wir haben es oft mit denselben Problemen zu tun, wenn wir versuchen, die Epistemologie und die Motivation unserer Quellen zu verstehen. Das Buch kann hierzu als Vorreiter dienen.
Thomas J. H. McCarthy (Übers. V. L.)