Julia Roumier, Le faste et les fêtes. Ostentation et distinction dans deux chroniques du XVe siècle castillan (Bibliothèque du XVe siècle 92) Paris 2024, Honoré Champion, 336 S., ISBN 978-2-7453-6138-7, EUR 38. – In diesem Band werden Feste und Zeremonien anhand zweier historiographischer Texte des 15. Jh. untersucht, die jeweils die aufeinanderfolgenden Herrschaftsjahre der kastilischen Könige Johann II. und Heinrich IV. behandeln: der sogenannten Crónica del Halconero und der Hechos del condestable Miguel Lucas de Iranzo. In der ausführlichen Einleitung werden zunächst beide Quellen vorgestellt und Methoden zur Analyse höfischer Feste und der Rhetorik des Prunks unter Einbeziehung von Pierre Bourdieus Konzept der Unterscheidung sowie Theorien zur Herrschaftslegitimierung diskutiert. Zentrale Elemente aus dem Bereich des Zeremoniells sind Untersuchungsgegenstand der folgenden Kapitel. So wird im zweiten Kapitel die öffentliche Zurschaustellung als Bestandteil sozialer Konstruktion thematisiert, wozu das Überreichen von Geschenken, Ausdrucksformen von Frömmigkeit, die Verteidigung des Glaubens und die Repräsentation als Ritter gehören. Das dritte Kapitel ist den geschilderten Festen und Großereignissen gewidmet. Es beginnt mit der Gegenüberstellung zweier grundlegender Modelle, nämlich des fürstlichen und des städtisch-bürgerlichen Fests. Anschließend wird auf die facettenreichen Inszenierungen im Rahmen von Turnieren und mittels Dekoration, Musik und Beleuchtung eingegangen. Der letzte Abschnitt dieses Kapitels befasst sich mit der Beschreibung von Banketten als kommunikativen Räumen, in denen Überfluss und Vergnügen öffentlich präsentiert wurden. Im vierten und letzten Kapitel werden schließlich Aspekte der Ästhetisierung als soziale Distinktionsmerkmale untersucht. Das umfasst Mode, Luxus, Farbgebung, aber auch Bezüge zur Antike und den Hang zu paganer Symbolik sowie die Vorliebe für die Jagd. Der Band schließt mit einigen sachdienlichen Schlussfolgerungen, einer Bibliographie und einem Namenregister. – Die Monographie ist an der Schnittstelle von Literaturwissenschaft und Kulturgeschichte verortet, wobei letztere den Blick vor allem auf die sinnlich wahrnehmbare Dimension richtet. Gemäß den eingangs formulierten Thesen werden Festlichkeiten und die damit zusammenhängenden Inszenierungen als Mittel zur Demonstration und Konsolidierung von Status sowie zur Legitimierung von Herrschaft und als Instrumente der Konsensbildung verstanden. Trotz dieses eher traditionellen Zugriffs bleibt die einschlägige Forschung zur Ritualität – etwa von Alain Boureau, Philippe Buc und Gerd Althoff – jedoch weitgehend unberücksichtigt. Auch bei der Quellenkritik zeigt die Arbeit Schwächen: So behauptet die Vf. mehrfach, die Hechos seien erst nach dem Tod Miguel Lucas’ verfasst worden (S. 110, 295, 301), was eine Lesart als posthume Rechtfertigung nahelegt, obwohl deren Editor Juan de Mata Carriazo gute Argumente dafür vorbrachte, dass sie noch zu Lebzeiten des Konnetabels entstanden seien. Zudem weist die Vf. wiederholt auf das Potenzial eines Vergleichs mit anderen Quellen hin (S. 164 Anm. 46, S. 296), verzichtet jedoch auf eine entsprechende Analyse. Dem gegenüber steht eine ausgesprochen anschauliche Darstellung der Zeremonien und höfischen Großereignisse, wobei die vielleicht wichtigste Neuerung in der Berücksichtigung sensorischer Aspekte, z. B. von Farben und Klängen, liegt. Der deskriptive Charakter der Studie zeigt sich allerdings nicht nur in ihrem thematischen Aufbau, sondern auch in der häufigen Verwendung von Paraphrasen, ungeachtet ihrer Unzulänglichkeiten. Durch sie wird die Rhetorik der Quellen häufig unkritisch reproduziert, was alternative, insbesondere nicht-funktionalistische Lesarten erschwert. – Die Bibliographie ist umfassend und enthält die wichtigsten Werke. Aufgrund der thematischen Gliederung kommt es jedoch zu Mehrfachnennungen, während einige zitierte Titel wiederum in der Bibliographie fehlen. Bemerkenswert ist, dass gerade zentrale Werke nicht genannt werden. So sind die Studien zur ritterlichen Festkultur von Martín de Riquer nur indirekt in einem Zitat erwähnt (S. 191f.). Die Neuausgabe der Hechos von Carriazo mit einer Einleitung von Michel Garcia (2009) fehlt ebenso wie Thomas Devaneys Monographie Enemies in the Plaza (2015). Die lokale Verankerung der Hechos in Jaén, dem Wohnort des Konnetabels von 1460 bis zu seinem Tod 1473, verleiht ihnen im Vergleich zu anderen biographisch-chronikalischen Quellen ein Alleinstellungsmerkmal und hätte einen Vergleich mit weiteren städtischen Quellen erlaubt. Eine intensivere Auseinandersetzung mit der Forschung zur Verbindung von Festkultur und Stadtgesellschaft wäre auch aus methodischer Sicht wünschenswert gewesen. Nicht zuletzt ist es bedauerlich, dass die Zitate offenbar nicht überprüft wurden und Druckfehler sich häufen (z. B. S. 187 Anm. 96). – Resümierend sei festgehalten, dass die Erforschung ritueller Praxis und des höfischen Zeremoniells nach wie vor ein äußerst dynamischer Bereich der Forschung ist und die vorliegende Monographie dazu einen substanziellen Beitrag liefert. Zweifellos wird sie hilfreich sein, um zentrale Aspekte höfischer Feste und Rhetorik im spätma. Kastilien zu erschließen.
Francisco Bautista (Übers. A. N.)