Johannes Pahlitzsch / Jörg Rogge (ed.), Victors and Vanquished in the Euro-Mediterranean. Dealing with Victory and Defeat in the Middle Ages (Byzanz und die euromediterranen Kriegskulturen 1) Göttingen 2024, V&R unipress – Mainz Univ. Press, 222 S., Abb., ISBN 978-3-8471-1477-2, EUR 45. – Der Sammelband geht auf eine Tagung zurück, mit der das an der Univ. Mainz angesiedelte Graduiertenkolleg „Byzanz und die euromediterranen Kriegskulturen“ eröffnet wurde. Sie zielte, wie P. in der Einleitung (S. 7–23) ausführt, darauf ab, ein besseres Verständnis für die verschiedenen vormodernen Kriegskulturen zu gewinnen, die sich mit dem Ende der Spätantike im europäischen Mittelmeerraum entwickelten und, so die These, miteinander in Austausch traten und beeinflussten. Drei Beiträge befassen sich allein mit dem hochma. Byzanz. Athina Kolia-Dermitzaki (S. 27–53) geht der Neigung der dortigen Historiographen und Oratoren nach, die Siege der Kaiser auf deren Tapferkeit und Listenreichtum zurückzuführen, während Tristan Schmidt (S. 55–81) ihr Bestreben herausarbeitet, bei den nur auf Zeit gelösten Grenzkonflikten mit den Petschenegen und anderen so genannten Barbaren den Sieg weniger im militärischen Erfolg des Kaisers als in den von ihm anschließend geführten Friedensbemühungen zu erblicken, womit die dauerhafte Zähmung der vermeintlich Wilden zur eigentlichen Leistung erhoben wurde. Und Michael J. Decker (S. 159–182) konzentriert sich auf die gescheiterten Vorstöße Johannes’ II. Komnenos nach Syrien, für die er den Plan des Kaisers, das reiche Antiochia den Franken zu entreißen, verantwortlich macht. Wie die Fürsten in der Kiewer Rus’ byzantinische Vorstellungen adaptierten, verfolgt Alexandra Vukovich (S. 83–112). Ihr zufolge standen dort anders als in Byzanz die Heiligen, deren Hilfe man für die Schlacht anrief und denen man für den Sieg dankte, stets mit der Person des siegreichen Fürsten in Verbindung, etwa als dessen Namenspatron. Die religiöse Rechtfertigung des Schlachtensiegs und Dankgottesdienste gehörten auch im Westen zur Kriegskultur, und zwar noch bis zum Ende des MA, wie Jörg Rogge (S. 115–123) anhand der Feierlichkeiten belegt, die englische Könige im Anschluss an ihre Siege auf dem Schlachtfeld veranstalteten. Nichtdestoweniger prägten hier seit dem 13. Jh. zusehends weltliche Elemente die Feiern. Deren Vordringen selbst im Bereich des Messgesangs führt Klaus Pietschmann (S. 125–137) vor Augen, kann er doch zeigen, wie die Melodie eines populären, am burgundischen Hof entstandenen Soldatenlieds im Zuge der Kreuzzugsaufrufe nach dem Fall Konstantinopels in Messkompositionen Einzug erhielt. Neben der religiösen Aufladung des Schlachtensiegs bildet der Umgang mit den Besiegten das zweite Hauptthema des Bandes. Thomas Scharff (S. 141–157) führt für die Karolinger eine große Bandbreite an Vorgehensweisen vor, von der Schonung bis zum exterminatorischen Terror, wobei die Abschreckung vor allem, aber nicht nur Gegner traf, die nicht zum fränkischen Herrschaftsverband zählten. Graham A. Loud (S. 183–197) betont den hohen Blutzoll und die rufschädigenden Zerstörungen, die die Normannen bei der Eroberung Süditaliens verursachten. Zugleich aber gingen sie trotz ihrer geringen Anzahl als Sieger aus den Auseinandersetzungen hervor, weil sie einzelne Gruppen aus verschiedenen Milieus auf ihre Seite zogen und an ihrer Herrschaft beteiligten. Wie die Normannen Elemente der Kultur der unterlegenen Muslime aufgriffen, um ihre feudale Herrschaft abzusichern, veranschaulicht Thomas Dittelbach (S. 199–220) unter anderem am Bild der gezähmten Dromedare auf dem Krönungsmantel Rogers II. Alles in allem geben die Beiträge unterschiedliche Einblicke in die ma. Kriegskulturen, wobei die Austauschprozesse zwischen Byzanz und dem übrigen Europa weniger ins Blickfeld geraten, als es die Einleitung erwarten lässt.
Hermann Kamp