Peter Bakker, Kamper Kronieken. Stedelijke geschiedschrijving in de Noordelijke Nederlanden (ca. 1450–1550), Hilversum 2024, Verloren, 426 S., Abb., ISBN 978-94-6455-046-7, EUR 39. – Der Haupttitel der Diss., mit der B. an der Freien Univ. Amsterdam promoviert wurde, ist etwas verwirrend. Der ahnungslose Leser könnte meinen, es handele sich um eine Quellenausgabe, doch das ist nicht der Fall. Dass es eine digitale Version mit Transkription der Chroniken gibt, hätte man vielleicht zu Beginn prominenter erwähnen können (Website des Huygens Instituut, Peter Bakker met medewerking van Marjoleijn Palma, De Annalibus Quaedam [Jacob Bijndop]). Bei dem Buch handelt es sich um eine Abhandlung über die Bedeutung von Chroniken in Städten der nördlichen Niederlande, insbesondere in der Stadt Kampen. Angemerkt sei zweitens, dass eine kurze Einführung in die ma. Geschichte Kampens als bedeutender Hansestadt an der IJssel nicht fehl am Platz gewesen wäre. Der Leser fällt sozusagen in medias res. Dies sind die beiden wichtigsten Kritikpunkte. In sechs Kapiteln geht der Vf. auf die Stadtsekretäre oder Stadtschreiber von Kampen ein, auf die Bedeutung der Chroniken als Teil des Stadtarchivs, liefert eine inhaltliche Analyse der Chroniken und zieht abschließend einen Vergleich mit anderen nordniederländischen Städten Die Anhänge umfassen fast hundert Seiten und enthalten unter anderem Biographien der Stadtsekretäre und eine kodikologische Beschreibung der Hss. Abgerundet wird das Ganze durch ein Verzeichnis der herangezogenen Literatur und Quellen, ein Glossar sowie ein Personen- und Ortsregister. Eigentlicher Gegenstand der Forschung sind zwei spätma. Chroniken aus Kampen, die bis vor kurzem als eine Einheit galten, für die der Vf. jedoch nachweisen konnte, dass es sich um zwei getrennt entstandene Manuskripte handelt. Es gelang ihm auch, die Namen der Stadtschreiber herauszufinden, die diese Chroniken verfasst haben. Die Sekretäre, die auch über familiäre Bindungen zum Stadtrat verfügten, waren nicht nur an der sich im 15. Jh. rasch entwickelnden städtischen Registratur beteiligt, sondern standen auch als Notare, Archivare und Diplomaten im Dienst der Stadt. Mit dieser Verbindung zwischen Stadtschreibern und Chroniken gelangt der Vf. zum Kern seiner Forschung. Die von ihm beschriebenen Stadtchroniken sind nicht nur eine Auflistung historischer Fakten und Ereignisse, sondern standen in klarem Zusammenhang mit den im Stadtarchiv vorhandenen Urkunden und Privilegien. In narrativer Form verdeutlichen die Chroniken, in welchem Kontext die Urkunden mit den darin beschriebenen Rechten und Privilegien einst entstanden und wie sie zu interpretieren sind. Dies war manchmal nach einigen Generationen nicht mehr klar. So werden die Chroniken gewissermaßen zu einer Art Repertorium des Archivs, das als Beweis für die alten Rechte dienen sollte. Vor allem die Stadtschreiber waren als Archivare und diplomatische Vertreter der Stadt für diese Arbeit bestens geeignet. Diese Nutzung als Hilfsmittel zur Archivbenutzung erklärt auch, warum der ältesten Geschichte der Stadt vergleichsweise wenig Beachtung geschenkt wird. Dafür gab es natürlich auch Unterlagen. Auch richtete sich diese Form der Chronistik nicht an eine breite Leserschaft, sondern an einen kleinen Kreis von Interessenten innerhalb der Stadtverwaltung. Zusätzlich zu den Kampener Chroniken führt der Vf. mehrere Beispiele für andere Städte an, in denen Chroniken zum gleichen Zweck erstellt wurden. Abgesehen von ihrer lokalen historischen Bedeutung ist die Studie aus zwei Gründen auch von allgemeinem Interesse. Zunächst ist es sinnvoll, Chroniken nach Art und Zweck zu unterscheiden und sie in jedem Fall mit der Methodik der narrativen humanistischen Geschichtsschreibung zu vergleichen. In diesem Buch wird zwar nicht darauf eingegangen, aber eine interessante Frage für weitere Forschung wäre, in welchem Verhältnis diese städtischen Chroniken zu kirchlichen Chroniken stehen, etwa zu den Gesta von Bischöfen oder den Annalen einer Abtei. Die zweite für die allgemeine Archiv- und Registraturgeschichte wichtige Schlussfolgerung besteht darin, dass die klassische Trennung zwischen Archiven mit Urkunden und Akten einer- und Texten in erzählender Form andererseits nicht so scharf gezogen werden kann.
Jacques van Rensch