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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

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Mobilizing Money for the Common Good. The social dimension of credit (14th–19th century), ed. by Mauro Carboni / Pietro Delcorno (Percorsi – Storia) Bologna 2024, il Mulino, 288 S., ISBN 978-88-15-38828-5, EUR 28. – Mit einer Tagung im November 2022 und dem nun erschienenen Sammelband verfolgen die Hg. das Ziel, die unterschiedlichen Ansätze in Geschichte und Wirtschaftswissenschaften zu Staatsverschuldung, gemeinschaftsbasierter Kreditvergabe und Kapitalbildung proto-wohlfahrtsstaatlicher Institutionen miteinander zu verbinden. Gegliedert sind die Beiträge in drei Sektionen. In der ersten Sektion zu Kredit und öffentlichen Institutionen beschreibt Antoni Furió (S. 17–45) die Entwicklung langfristiger öffentlicher Schulden in Valencia. Er zeigt, wie der Verkauf von Renten durch Stadt, König und Königreich neue Investitionsmöglichkeiten schuf, die zwar auch für breite Bevölkerungsschichten zugänglich waren, im Grunde aber hauptsächlich von der städtischen Elite (Adligen, Patriziat) als Investitionsmöglichkeit genutzt wurden. Das gesamte öffentliche Finanzwesen diente so weniger sozialen Zwecken als vielmehr den wirtschaftlichen Interessen der Elite. Jacopo Sartori (S. 47–66) richtet seinen Fokus von der öffentlichen Verschuldung auf die öffentlichen Banken und untersucht die Taula de Canvì, die 1401 in Barcelona gegründet wurde. Trotz rechtlicher Beschränkungen, die öffentliche Kreditvergabe untersagten, etablierte sich die Taula im 15. Jh. als eine Art verdeckter Kreditgeber der Stadt. S. zeigt anhand der Analyse von Ratsprotokollen und quantitativen Quellen, wie die Bank durch gezielt undurchsichtige Buchführung Praktiken des öffentlichen Kreditwesens aufrechterhielt und gesetzliche Verbote umging. Jaco Zuijderduijn (S. 89–112) analysiert die öffentliche Verschuldung in den vormodernen Niederlanden zwischen 1250 und 1800. Seine quantitative Studie zeigt, dass neben politischen Eliten auch Handwerker und andere Bürger regelmäßig kleine Renten erwarben, um ein stabiles Einkommen zu sichern. Dies stärkte die Bindung zwischen Bürgern und Stadtregierungen, ohne dass dabei soziale Zwecke explizit das Rentenwesen legitimierten. Im Beitrag von Giorgio Lizzul (S. 67–87) geht es nicht um reale Kredite oder Schulden, sondern um die symbolische Darstellung öffentlicher Schulden im spätma. und frühneuzeitlichen Venedig. Er zeigt, wie der Staat als kranker Körper beschrieben wurde, dessen Heilung durch Kapital erfolgen sollte, und wie topographische Metaphern – etwa die Vorstellung von Schulden als „Berg“ (monte) – genutzt wurden, um komplexe finanzielle Sachverhalte anschaulich zu machen. Diese Bildsprache diente seiner Meinung nach dazu, öffentliche Beteiligung am Staatskredit zu fördern und Vertrauen in die Finanzpolitik zu stärken. In der zweiten Sektion geht es um die Bedeutung und Funktion von Kleinkrediten. Stephan Nicolussi-Köhler (S. 115–148) untersucht die Rolle lombardischer Geldverleiher und ihrer Pfandhäuser im ma. Tirol. Er zeigt, dass die sogenannten casane fortschrittliche Finanzdienstleistungen anboten, die denen moderner Banken ähnelten und eine wichtige Rolle in der lokalen Wirtschaft spielten. Matteo Pompermaier (S. 149–177) durchleuchtet die Kreditnetzwerke im Florenz des 15. Jh. Er zeigt, dass die Mehrheit der Kredittransaktionen innerhalb persönlicher Netzwerke erfolgte und dass gut vernetzte Personen auch bei wiederholten Zahlungsausfällen aufgrund ihrer sozialen Kontakte weiterhin Zugang zu Krediten behielten. In der dritten Sektion geht es um die Gründung und Finanzierung von Institutionen der Armenfürsorge. Maria Giuseppina Muzzarelli (S. 205–216) analysiert die Predigten des Franziskaners Bernardino da Feltre, der sich für die Gründung von Monti di Pietà einsetzte – gemeinnützige Pfandleihen, die Kleinkredite an Bedürftige vergaben. Sie untersucht die Strategien, mit denen Bernardino und seine Mitstreiter bei verschiedenen Städten Mittel und Unterstützung für diese Einrichtungen sammelten. Francesco Bianchi (S. 217–239) beleuchtet die Finanzierung von Gesundheits- und Wohlfahrtsdiensten in italienischen Kommunen des Spät-MA. Er zeigt, wie sowohl öffentliche als auch private Initiativen zur Finanzierung von Gesundheitsdiensten beitrugen und wie die Pflege der Kranken zunehmend als gemeinschaftliche und öffentliche Verantwortung angesehen wurde. Núria Preixens Vidal (S. 241–258) untersucht die Pia Almoina von Lleida im 14. Jh., die Bedürftige und Pilger mit Nahrung, Kleidung und Unterkunft versorgte. Sie erläutert, wie die Almoina verwaltet wurde und wie sie über ihre ursprüngliche Funktion hinaus auch finanzielle Operationen durchführte. Der Band überzeugt vor allem dort, wo Kreditvergabe und Wohltätigkeit zusammen gedacht werden. Besonders die Beiträge zu proto-wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen zeigen eindrucksvoll, wie finanzielle Praktiken mit sozialer Verantwortung zusammenhängen konnten. Etwas bedauerlich ist dagegen, dass dieser Zusammenhang nicht in allen Texten gleichermaßen deutlich wird; vereinzelt überwiegen rein ökonomische oder institutionengeschichtliche Perspektiven. Zudem wirkt die geographische und zeitliche Auswahl der Fallbeispiele streckenweise etwas unsystematisch. Das ändert nichts an der anregenden Fragestellung, für deren weitere Diskussion hier Grundlagen geschaffen wurden.

Thomas Ertl