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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

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Sergio Pagano, Dall’Archivio del papa. Documenti dal medioevo all’età contemporanea (La corte dei papi 35) Roma 2024, Viella, 376 S., Abb., ISBN 979-12-5469-579-1, EUR 32. – Wohl kein anderes europäisches Archiv ist derart gut erforscht wie das Archivio Apostolico Vaticano. P. ist als früherer Präfekt des Archivs zweifellos in besonderem Maß dafür geeignet, den bisherigen Perspektiven eine neue an die Seite zu stellen. Vorgelegt hat er weder ein klassisches Handbuch noch eine Geschichte des Archivs, vielmehr führt er in dessen Bestände anhand einer Auswahl von 40 teils bekannten, teils weitgehend unbekannten Archivalien ein. Versammelt sind überwiegend textliche, gelegentlich auch bildliche Quellen. Das MA ist in der bis 1972 reichenden Auswahl gut vertreten: Zehn Stücke fallen in die Zeit vor 1500. Für jedes Dokument werden die Entstehungsumstände und die historische Bedeutung herausgearbeitet. Geboten wird für kürzere Texte eine italienische Übersetzung, gelegentlich eine Transkription. Auf die einschlägige Forschung sowie auf korrespondierende Dokumente wird verwiesen. Die meisten der behandelten Archivalien werden in einer Farbabbildung gezeigt, die allerdings häufig so klein ist, dass sie allenfalls einen Eindruck vermittelt. Kurz vorgestellt seien die zehn ma. Dokumente, die P. bespricht: Den Auftakt macht ein Pergamentbüchlein aus dem 9. Jh. (Misc., Arm. XI 19), das Formeln für den Kanzleigebrauch sammelt. Es gilt in der Forschung als frühes Zeugnis für Formalisierungsbemühungen in Bezug auf das kuriale Schrifttum. Es folgt ein gefälschtes Dokument, mit dem die reiche Benediktinerabtei Santa Maria in Elce im 11. Jh. ihre Rechte und Besitztümer absichern wollte (Arch. Boncompagni Ludovisi 270). Das vorgebliche Privileg wurde den Fürsten Guaimario III. und Guaimario IV. von Salerno zugeschrieben. Einem der spektakulärsten hochma. Häresieprozesse entstammt der Eid des Priesters Berengar von Tours, in dem dieser 1059 die Realpräsenz Christi in der Eucharistie bekannte. Unter Gregor VII. wurde die Erklärung in die Vatikanischen Register aufgenommen (Reg. Vat. 2 fol. 109v). Ein Notariatsinstrument aus dem späten 13. Jh. ist weniger wegen des Inhalts (des Erwerbs von Land nahe dem Vatikan) bemerkenswert, sondern weil ihm eine kurze Notiz im Volgare angefügt ist (Instr. Misc. 145v). 1332 verlangte der Bischof von Viterbo vom örtlichen Franziskanerkonvent, die sterblichen Überreste der Imelda aus ihrer Kirche zu entfernen, da die Adlige exkommuniziert und unbußfertig gestorben sei (A. A., Arm. C 1045). Auf dieses Dokument, das die Bemühungen der Kirche zeigt, ihre Ordnungsvorstellungen durchzusetzen, folgt eine Zusammenstellung von Fällen, in denen Männer trotz ihres zu jungen Alters zu Kardinälen gemacht wurden. Den Auftakt macht Pierre Roger de Beaufort, später Papst Gregor XI., Nepot von Clemens VI. Kardinal Anglic de Grimoard, Bruder Urbans V., ist präsent durch eine in einem Notariatsinstrument wiedergegebene Erklärung, mit der er 1380 Position zugunsten Clemens’ VII. und gegen dessen Kontrahenten Urban VI. bezog (A. A., Arm. D 46). Im Spät-MA wurden immer häufiger kryptographische Techniken zur Verschlüsselung heikler päpstlicher Schreiben eingesetzt. Eine Anleitung aus der Zeit Benedikts XII. ist ein frühes Zeugnis dieser Praxis (A. A., Arm. C 1166). Eine Supplik vom 27. Dezember 1418 dokumentiert das (vergebliche) Bemühen aragonesischer Prälaten, (Gegen-)Papst Benedikt XIII. dazu zu bringen, auf sein Amt zu verzichten und Martin V. anzuerkennen (A. A., Arm. D 137). Das zehnte Beispiel schließlich zeigt Sixtus IV. als Verteidiger der Juden in einem Schreiben an den Bischof von Palencia. In diesem Fall liegt das Dokument allerdings nicht im Vatikanischen Archiv, sondern im Archivio di Stato di Roma (Acquisti e doni 27/1, fol. 238r–v). Bedeutsames päpstliches Schrifttum lässt sich also auch außerhalb der Mauern des Vatikanischen Archivs finden, dass dieses jedoch die maßgebliche Adresse für künftige Forschungen bleibt, illustriert P.s gelungener Band in Wort und Bild auf ebenso anschauliche wie ansprechende Weise.

Jan-Hendryk de Boer