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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

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Luciana Petracca, Il banco Strozzi di Napoli. Credito, economia e società nel Quattrocento (I libri di Viella 507) Roma 2024, Viella, 373 S., ISBN 979-12-5469-695-8, EUR 32. – Die Studie widmet sich der Tätigkeit des Banco Strozzi im Königreich Neapel unter aragonesischer Herrschaft. Auf der Grundlage bislang kaum ausgewerteter Geschäftsbücher des florentinischen Bankhauses – insbesondere zweier Libri Giornali aus den Jahren 1473 und 1476 sowie ergänzender Libri di Ricordanze bis in die 1480er Jahre – gelingt der Vf. eine quellengesättigte Analyse der spätma. Finanz- und Verwaltungspraxis im Mezzogiorno. Der Banco Strozzi erscheint dabei nicht lediglich als privates Handelsunternehmen, sondern als zentraler Akteur in der fiskalischen Infrastruktur der Monarchie. Ein zentrales Anliegen der Arbeit ist die Revision älterer Deutungsmuster, in denen der Süden Italiens als ökonomisch peripher oder strukturell rückständig erschien. Die Vf. positioniert sich hier bewusst gegen das Konzept einer „questione meridionale“ und betont stattdessen die Einbindung Neapels in das mediterrane Finanz- und Handelsnetzwerk. Dabei gelingt es ihr, das florentinische Bankwesen nicht als ausbeuterisch, sondern als strukturstiftend für staatliche Ordnung und gesellschaftliche Stabilität zu zeigen. Die enge Zusammenarbeit mit der Krone, insbesondere im Steuerwesen und bei der Verwaltung von Einkünften des Hofs, wird quellenkritisch überzeugend rekonstruiert. Besondere Stärke entfalten die Fallstudien zu Pascasio Diaz Garlon und Iñigo d’Avalos, die sowohl deren politische als auch private Finanzpraktiken differenziert darstellen. Die klare Unterscheidung zwischen öffentlichen und persönlichen Konten erlaubt vertiefte Einsichten in administrative wie familiale Handlungsspielräume. Auch die Rolle weiblicher Familienmitglieder wird anhand der Buchführung sichtbar gemacht, etwa bei Mitgiftzahlungen oder Repräsentationsausgaben – ein methodisch innovativer Zugriff. Gleichwohl bleibt anzumerken, dass die gut belegte Wirksamkeit des Banco Strozzi phasenweise zum Beleg einer generellen ökonomischen Modernität stilisiert wird. Strukturelle Ambivalenzen, konkurrierende Modelle oder Akte der sozialen Exklusion geraten dabei in den Hintergrund. Die Rekonstruktion staatlicher Ordnung durch Kredit erscheint mitunter glatter, als es die politische Realität gewesen sein dürfte. Nichtsdestoweniger liegt eine ausgesprochen fundierte und methodisch reflektierte Arbeit vor, die für die Wirtschafts- und Verwaltungsgeschichte des Spät-MA ebenso relevant ist wie für eine historiographische Neubewertung süditalienischer Strukturen. Sie ist ein wichtiger Beitrag zur Erforschung der Wechselbeziehungen zwischen Mobilität, Kredit und Herrschaft.

Nils Bock