Anna Martellotti, La cucina normannoaraba alla corte di Guglielmo II di Sicilia. Indagine storico-filologica sui ricettari Normanni (Iter gastronomicum 2) Firenze 2024, Olschki, 383 S., ISBN 978-88-222-6895-2. – Der Band, der im Rahmen des italienischen Forschungsprojekts PRIN 2017 ATLITEG (Atlante della lingua e dei testi della cultura gastronomica italiana dall’età medivale all’Unità) entstanden ist, untersucht zwei Rezeptbücher mit 61 Rezepten, die in zwei englischen Hss. überliefert sind. Die erste, London, British Library, Add. 32085 (Ende 13. / Beginn 14. Jh.), enthält neben vor allem juristischen Texten das Rezeptbuch NormannoA; die zweite, London, British Library, Royal 12.C.XII (zweite Hälfte des 14. Jh.), überliefert das Rezeptbuch NormannoB zusammen mit Texten hauptsächlich literarischer und medizinischer Natur. Diese beiden Rezeptbücher könnten mit der Hochzeit (1177) König Wilhelms II. von Sizilien mit Johanna Plantagenet, Tochter Heinrichs II. von England, in Verbindung gebracht werden, so die Vf. (S. 1–16) mit stichhaltigen Argumenten. Der umfangreichste Teil des Bandes (S. 17–230) betrifft die linguistische Analyse, die immer wieder auf den Vergleich mit dem einzigen arabischen Rezeptbuch zurückgreift, das den beiden Abhandlungen vorausging und Ausdruck der raffinierten Küche am Hof der abbasidischen Kalifen war: al-Warraqs Kitab al-tabik (wörtlich: „Kochbuch“). Diese umfassende und detaillierte Analyse macht mehrere ungeahnte Arabismen sichtbar. Im fünften Kapitel (S. 285–329) fügt die Vf. die beiden Rezeptbücher in den breiteren europäischen Kontext ein und hebt hervor, dass die staufische und noch früher die normannische Küche Siziliens, die fest in den kulinarischen Traditionen des Mittelmeers verwurzelt waren, in der Geschichte des kulinarischen Wortschatzes Westeuropas ein größeres Gewicht gehabt haben, als bisher angenommen wurde. Bereits von Constance B. Hieatt / Robin F. Jones als „anglo-normannisch“ ediert (in: Speculum 61, 1986, S. 859–882, vgl. DA 44, 615), sind die zwei Rezeptbücher nun in einer mustergültigen neuen Edition (S. 337–355) verfügbar, die den arabischen Beitrag stärker hervorhebt, so dass sie nicht mehr als „anglo-normannisch“, sondern als „normannisch“ bzw. „normannisch-arabisch“ angesehen werden können. Die Edition wird von einer italienischen Übersetzung und von Registern (S. 373–380) begleitet, die westliche und arabische Begriffe verzeichnen.
Agostino Paravicini Bagliani