Mateusz Goliński, History of Prague Towns until the Early 15th Century (East Central and Eastern Europe in the Middle Ages, 450–1450, 92) Leiden / Boston 2024, Brill, XII u. 439 S., 6 Abb., ISBN 978-90-04-69458-3, EUR 158. – Die Publikation – das Ergebnis langjähriger Studien des Vf. – geht einerseits von der umfangreichen bisherigen Literatur aus, die vielfach auch für Teilaspekte der Entwicklung des ma. Prag zur Verfügung steht und mit der sich der Vf. in einigen Fällen polemisch auseinandersetzt; zum anderen basiert sie auf eigener Quellenforschung, wobei es sich in der Regel um bisher nicht unbekannte Quellen handelt, die jedoch vielfach innovativ oder zumindest diskussionsfördernd interpretiert werden. Prag, über Jahrhunderte Residenzstadt der böhmischen Fürsten und Könige, wird in seinen historischen Grenzen untersucht, d. h. als sich auf beiden Ufern der Moldau erstreckende Agglomeration in einem von zwei Burgen begrenzten Raum (Prager Burg am linken und Wischehrad am rechten Flussufer). Der Vf. skizziert die allmähliche Entwicklung von zersplitterten weltlichen und kirchlichen Besitzungen zur hochma., von Mauern umgebenen Stadt (die „Stadt innerhalb der Mauern“ nahm auf 80 ha ungefähr die Hälfte der Prager Siedlungsagglomeration ein, die auf 140 ha geschätzt wird). Die Stadt versteht er als einen sich allmählich entfaltenden, wachsenden und sich wandelnden urbanistischen und zugleich sozialen Organismus mit einer breiten Funktionsskala; die Studie erfasst so die Entwicklung der Stadt zum Zentrum von Machtpolitik, Kirchenverwaltung, Wirtschaft, aber auch Kultur. Die Interpretation reflektiert die Aussage aller zugänglichen Quellentypen (neben schriftlichen Quellen auch Ergebnisse archäologischer, bauhistorischer und kunsthistorischer Forschungen). Der chronologische Rahmen umfasst mehrere Jahrhunderte: von der Formierung Prags als hochma. Stadt im 12. Jh. (die Anfänge sind natürlich weitaus älter) bis zur Schwelle des 15. Jh. (Eckpunkt ist hier das Kuttenberger Dekret von 1409; danach steuerte die Entwicklung innerhalb eines Jahrzehnts auf die hussitische Revolution zu, die aus Sicht Prags wie der anderen königlichen Städte ihrer historischen Rolle eine neue Dimension verlieh). Das Werk ist übersichtlich gegliedert: Die Kapitel spiegeln die entscheidenden Entwicklungsstufen wider, die Abschnitte innerhalb der Kapitel sind thematisch konzipiert; die Siedlungsentwicklung sowie die Formierung des Pfarreinetzes und einige andere Phänomene werden mit Hilfe von Karten präsentiert; zum Buch gehören auch eine Bibliographie sowie ein Personen- und Ortsregister. Zahlreiche inspirierende Aspekte bietet G.s Geschichte des vorhussitischen Prag der vergleichenden Stadtgeschichte im mitteleuropäischen Raum – mit Blick auf die urbanistische Entwicklung, die Formierung eines machtpolitischen Zentrums sowie soziale und ethnische, wirtschaftliche und andere Entwicklungen. In zahlreichen Fällen musste sich der Vf. mit einer äußerst umfangreichen älteren Literatur auseinandersetzen, so dass sein Werk gewissermaßen auch einen Beitrag zur Geschichte der Historiographie darstellt.
Robert Šimůnek