L’oro dei santi. Percorsi della „Legenda aurea“ in volgare, a cura di Speranza Cerullo / Laura Ingallinella (mediEVI 41) Firenze 2023, Edizioni del Galluzzo per la Fondazione Ezio Franceschini, XXXII u. 462 S., Abb., ISBN 978-88-9290-224-4, EUR 62. – In der ersten der zwei Einleitungen erläutert Lino Leonardi (S. VII–XVI) die Umstände, unter denen das Projekt einer Edition der florentinischen Übersetzung der Legenda aurea (A) zustandegekommen ist, und das Potenzial dieser kritischen Edition für die Deutung des Textes; in der zweiten zeigt Paolo Squillacioti (S. XVII–XXXII) den Wert der Neuausgabe für die Lexikographie des Altitalienischen auf. Der erste Abschnitt ist der lateinischen Legenda aurea gewidmet. Giovanni Paolo Maggioni, I manoscritti toscani latini della „Legenda aurea“ e il volgarizzamento fiorentino anonimo del XIV secolo (S. 3–27), identifiziert innerhalb der toskanischen Überlieferung diejenigen Textzeugen, die auf makro- oder mikrotextueller Ebene Übereinstimmungen mit der Florentiner Übersetzung aufweisen. – Antonella Degl’Innocenti, Leggendari agiografici latini nella Toscana del XIV secolo (S. 29–40), entwickelt eine Typologie der lateinischen Legendare, die in der spätma. Toskana in Gebrauch waren. – Mit Abschnitt 2 wandert der Blick zu den italienischen Texten. Speranza Cerullo, Le traduzioni italiane: itinerari nella tradizione manoscritta (S. 43–81), untersucht Hss., in denen ein odere mehrere Kapitel der italienischen Legenda aurea als Teile größerer Sammlungen vorkommen. Insbesondere geht es um Sammlungen von Viten der Kirchenväter, um Hss. für den Predigtgebrauch und um volkssprachliche Sammlungen, die man als Lektionare oder Miszellaneen charakterisieren könnte. – Michele Colombo, Primi sondaggi su tre vite di santi in genovese (S. 83–96), behandelt die Viten der Heiligen Christophorus, Sebastian und Blasius in den Hss. Genua, Bibl. Franzoniana, Urbani 56, und New Haven, Beinecke Library, Marston 56. – Mario Pagano, Lacerti della „Legenda aurea“ in volgare siciliano (S. 97–115), kann Verbindungen zwischen der sizilischen und der katalanischen Überlieferung der Legenda aurea nachweisen. – In Abschnitt 3 geht es um die florentinische Version der Legenda aurea. Laura Ingallinella, „Una storia viva“: copisti-editori della „Legenda aurea“ fiorentina tra Quattro e Novecento (S. 119–151), verschafft einen Überblick über die hsl. und gedruckten Textzeugen und setzt sich mit der Edition von A. Levasti (1924) auseinander. Von Interesse für die Mediävistik sind vor allem ihre Ausführungen zu den Anmerkungen und Leserspuren in den Hss. – Zeno Verlato, Il manoscritto Giaccherino I F 2 e la tradizione della „Legenda aurea“ fiorentina (S. 153–212), ordnet die Hs. G in die volkssprachliche Produktion des Klosters S. Francesco ein und wertet ihren Text als Bearbeitung (in sprachlicher und stilistischer Hinsicht); am Ende stehen wichtige Gedanken zum Umgang mit G im kritischen Apparat der Edition. – Diego Dotto, Itinerari lessicali e traduttologici dentro e fuori il volgarizzamento fiorentino della „Legenda aurea“ (S. 213–250), dringt anhand von drei sehr charakteristischen Lemmata (burbanza, miluogo und das Adverb mezzolanamente) tiefer in den kulturellen Hintergrund des Übersetzers ein. Diese Vokabeln zeugen einerseits für einen Wortschatz von galloromanischer Prägung und sprechen andererseits für eine Datierung der florentinischen Legenda aurea schon in die erste Hälfte des 14. Jh. – Die linguistische Analyse wird weitergeführt von Roberto Tagliani, Sondaggi tra sintassi e testualità nella traduzione fiorentina trecentesca della „Legenda aurea“ (S. 251–281), der die Syntax anhand der Vita des heiligen Pelagius untersucht. – Abschnitt 4 weitet den Blick auf die übrigen romanischen Sprachen. Fabrizio Cigni, Il punto sui leggendari francoitaliani della fine del sec. XIII: nuove ricerche e osservazioni (S. 285–319), konzentriert sich auf französischsprachige hagiographische Hss., die in der Gegend um Pisa und Genua entstanden sind, insbesondere die Hss. Lyon, Bibl. municipale, 866; Tours, Bibl. municipale, 1008; Modena, Bibl. Estense e Univ., α.T.4. 14. In zwei von ihnen wurde der Légendier français A mit Viten aus der Legenda aurea kompiliert. So kann C. zeigen, in welchem Ausmaß die volkssprachige Legenda aurea in der unmittelbaren Umgebung des Sitzes von Jacobus de Voragine kursierte, und dass eine französische Tradition der Legenda aurea schon vor der Gesamtübersetzung durch Jean de Vignay existierte. – Letzterer widmet sich Géraldine Veysseyre, Prolégomènes à l’édition de la „Légende dorée“ traduite en français d’oïl par Jean de Vignay (ca. 1340–1348) (S. 321–365), aus rein editorischer Perspektive. Nach einem kurzen Überblick über die hsl. Überlieferung erklärt sie, aus welchen Gründen sie eine Klassifikation der Hss. und damit die Rekonstruktion eines Archetypus für unmöglich hält, und plädiert stattdessen für eine Edition nach der Hs. Paris, Bibl. nationale, fr. 241, mit Emendationen anhand von vier Textzeugen aus dem 14. Jh. – Jacopo Gesiot / Fabio Zinelli, La „Legenda aurea“ nello spazio catalano-occitano: traduzioni e diffusione (S. 367–401), studieren die beiden eng miteinander verflochtenen Traditionen: Die älteste der drei okzitanischen Versionen ist eine Bearbeitung des katalanischen Textes. G. sichtet die katalanische Tradition und betont die Daten, die eine Entstehung des Texts an sich oder zumindest des Archetypus in Girona vermuten lassen. Z. referiert die Überlieferungsgeschichte der okzitanischen Version in der Hs. Paris, Bibl. nationale, fr. 9759. – Der Band schließt mit Luca Sacchi, Arborescenze della „Legenda aurea“ in Castiglia (S. 403–431), der es mit zwei Übersetzungen zu tun hat, Flos santorum und Leyenda de los Santos, die sich auf mikro- wie auf makrotextueller Ebene unterscheiden. Aber auch die 13 Textzeugen selbst unterscheiden sich grundlegend und weisen Phänomene von Überarbeitung und Réécriture auf, angefangen mit der Zufügung von Legenden, die im lateinischen Urtext nicht vorkommen. S. untersucht einige Passagen im Detail, um den Umgang der beiden Übersetzer mit ihrer lateinischen Vorlage und ihre Arbeitsweise herauszuarbeiten. Der Band wird erschlossen durch zwei Register, eines der Hss. und eines der ma. und modernen Autoren und anonymen Werke.
Caterina Menichetti (Übers. V. L.)