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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

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The Chronique d’Ernoul and the Colbert-Fontainebleau Continuation of William of Tyre, ed. by Peter Edbury / Massimiliano Gaggero (The Medieval Mediterranean 135, 1–2) Leiden / Boston 2023, Brill, 2 Bde. mit IX u. 690 S. bzw. X u. 549 S., ISBN 978-90-04-54764-3 (hardback, set), ISBN 978-90-04-20993-0 (hardback, vol. 1), ISBN 978-90-04-54758-2 (hardback, vol. 2), ISBN 978-90-04-54316-4 (e-book, vol. 1), ISBN 978-90-04-54759-9 (e-book, vol. 2). – Wilhelm von Tyros schloss seine Chronik der Ereignisse in Palästina seit dem ersten Kreuzzug mit den Einträgen zum Jahr 1184 ab, mit der Übersetzung ins Französische um 1223 fand sie weite Verbreitung und war Ausgangspunkt für Fortsetzungen, die ebenfalls in der Volkssprache verfasst sind. Zwei dieser Fortsetzungen sind Gegenstand der vorliegenden Edition. Die sogenannte Chronique d’Ernoul ist nach dem Schreiber benannt, der sich selbst nennt, aber wohl nur für einen kleinen Teil des langen Texts verantwortlich ist. Die Chronik gibt einen Überblick über die Geschichte des Königreichs Jerusalem, Ernoul berichtet als Augenzeuge über den Fall Jerusalems 1187, die verschiedenen Hss. führen die Chronik bis etwa 1230 fort. In den 1240er Jahren entstand die zweite hier edierte Chronik, die direkt an die Übersetzung von Wilhelms Werk anschließt und die Ereignisse in Palästina bis 1247 fortführt. Die beiden Chroniken waren bisher nicht ediert, so dass die vorliegende Ausgabe wichtige Quellen für die Geschichte der Kreuzzüge und Palästinas im 12. und 13. Jh. erschließt. Die Chroniken sind in zwei getrennten Bänden ediert, dem Text ist jeweils ein ausführliches Vorwort vorangestellt. Dort entwirren die Hg. die komplexe Geschichte der Chroniken und erläutern die jeweiligen politischen Interessen der Schreiber, die maßgeblichen Einfluss auf die Darstellung der Ereignisse hatten. Damit zeichnen sie zugleich eine Geschichte der dramatischen Ereignisse Ende des 12. Jh. und der späteren Kreuzzüge. Diese Vorworte und auch die Kommentare zu den Hss. bieten einen sehr guten Überblick über die Ereignisse und die Rivalitäten im Kontext der Kreuzzüge und das Wissen darum im Westen. Die Texte sind gut lesbar ediert, ein umfangreiches Verzeichnis der Varianten bildet die Vielfalt der hsl. Überlieferung ab. Stellenkommentare erleichtern die Lektüre durch knappe Erklärungen. Die neue Edition der beiden Chroniken verortet die Darstellungen in ihrem historischen Kontext, die Vorworte verweisen darauf, dass es sich nicht immer um Geschichtsschreibung im heutigen Sinn handelt, sondern dass man in den Berichten die politischen Vorlieben der (weitgehend anonymen) Schreiber in Anschlag bringen muss. Sie sind ein hervorragendes Arbeitsinstrument für die Erforschung der Kreuzzüge und die Geschichte des Königreichs Jerusalem.

Brigitte Burrichter