Mittelalterliche Handschriften der Kölner Dombibliothek. Neuntes Symposion der Diözesan- und Dombibliothek Köln zu den Dom-Manuskripten (25. und 26. November 2022), hg. v. Harald Horst (Libelli Rhenani 85) Köln 2024, Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibl. mit Bibl. St. Albertus Magnus, 354 S., Abb., ISBN 978-3-939160-94-6, EUR 25. – Abseits der Hss.-Zentren in Berlin, Frankfurt am Main, Leipzig, München, Stuttgart und Wolfenbüttel betreibt die Erzbischöfliche Diözesan- und Dombibl. Köln aktiv die Erschließung und Erforschung ihrer ma. Hss. Alle zwei Jahre findet ein Symposion zu diesen Hss. statt. Einzelne oder zusammenhängende Hss. sind Gegenstand von sehr unterschiedlich ausgerichteten Beiträgen, die in der Reihe Libelli Rhenani mit den üblichen Paratexten als Tagungsbände veröffentlicht werden. Der neunte Band eröffnet mit einer gelungenen Studie (mit Edition) von Lukas J. Dorfbauer (S. 19–52) zur Überlieferung des unvollständig erhaltenen Matthäus-Kommentars des ‘Frigulus’ (CPL 1121e) im Kölner Codex 57. Diese Hs. (9. Jh, 1. Drittel) enthält umfangreiche Exzerpte aus dem Text des ‘Frigulus’, die für eine Rekonstruktion des Urtexts unentbehrlich sind. Peter Orth (S. 53–88) nennt seinen Beitrag über die Passio (BHL 145) des im 8. Jh. ermordeten Kölner Bischofs Agilolf einen „Werkstattbericht“. Er rekonstruiert die zwei Überlieferungslinien der Passio Agilolfi (aus Malmedy und aus Köln) von den Anfängen bis ins Spät-MA anhand der vorhandenen Hss. In Ruotgers Vita des Kölner Erzbischofs Bruno (amt. 953–965) wird erwähnt, dass Bruno (wie der heilige Bonifatius) auf seinen Reisen Bücher mitführte. Henry Mayr-Harting (S. 89–109) hat den ebenso mutigen wie klugen Versuch unternommen, anhand der reichen Kölner Bestände diese Reisebibliothek zu rekonstruieren. In Betracht kommen Werke von Gregor d. Gr., Prudentius, Priscianus, Martianus Capella, Boethius und Macrobius. Ralf Georg Czapla (S. 111–139) beschreibt die Besitzgeschichte einer Kölner Hs. (Cod. 168) mit Boccaccios De casibus virorum illustrium und De mulieribus claris. Das erste Werk soll 1392 von Burchardus v. Hoya für Johannes v. Hoya, Bf. von Hildesheim (1399–1424), geschrieben worden sein. Burchardus sei, so C., ein Verwandter des Bischofs gewesen, was er nicht überzeugend belegt. Durch Vererbung kam die Hs. in den Besitz des Kölner Kanonikers und Sammlers Moritz von Spiegelbergh (1406/07–1483), später in die Dombibliothek. Michael Eber (S. 143–159) behandelt den Entstehungs- und Verwendungskontext der in Cod. 212 überlieferten kanonistischen Collectio Coloniensis bzw. der Collectio Coloniensis systematica. Aus nachvollziehbaren Gründen lokalisiert er den Text in das südfranzösische Gap; die Hs. entstand wohl dort im 7. oder 8. Jh. Anlass war womöglich ein Streitfall am Konzil von Chalon-sur-Saône mit dem Bischof von Arles. Lioba Geis (S. 161–186) stellt ausgewogen dar, wie kirchenrechtliche Bestimmungen gegen Simonie in drei Hss. des 9.–11. Jh. für die kirchenrechtliche Praxis aufgearbeitet werden (Cod. 92, 124 und 119). Diese Hss. enthalten Briefe Gregors d. Gr., die Vier-Bücher-Sammlung und das Dekret Burchards von Worms. Glasklar formuliert ist Benedikt Lemkes (S. 187–231) langer Aufsatz über die Liturgie zum Gottesurteil im Pamelius-Sakramentar (Cod. 137). Anhand einer Einbettung der relevanten Texte in dieser Hs. des 9. Jh. in die etwas jüngere Überlieferung aus Trier, Mainz und Köln stellt L. fest, dass eine praktische Verwendung der Liturgien zum Gottesurteil in diesen drei Diözesen „sehr wahrscheinlich“ ist. Einen ähnlichen Ansatz nutzt Julia Exarchos (S. 233–258) in ihrem Beitrag über ein Pontifikale des 11. Jh. aus der Diözese Cambrai-Arras (Cod. 141). Durch eine genaue Analyse der dort überlieferten Ordines und eine Kontextualisierung der Hs. als ganzer belegt sie, wie das Pontifikale in einer Diözese funktionierte, die politisch Teil des Reichs war, kirchenpolitisch jedoch der Erzdiözese Reims unterstand. Über Beziehungen zwischen Trier und Köln im Bereich der Buchmalerei im späten 10. Jh. handelt der gut dokumentierte Beitrag von Ursula Prinz (S. 261–290). Sie belegt, wie bestimmte Akteure (Bischöfe) den künstlerischen Austausch zwischen den beiden Metropolen förderten und wie externe Einflüsse, etwa aus Reichenau, am Rhein und an der Mosel rezipiert wurden. Bis tief in die Baugeschichte des Trierer Doms reicht der Beitrag von Hiltrud Westermann-Angerhausen (S. 291–314), um zu erläutern, wie die dort vorhandenen antiken Kopfkapitelle vom Gregormeister, vom Buchmaler des Kölner Hillinus-Codex (Cod. 12) und anderen Künstlern als Motiv in der Trierer und Kölner Buchmalerei des späten 10. Jh. verwendet werden. Als Zugabe enthält der gelungene Band einen biographischen Aufsatz von Christoph Müller-Oberhäuser (S. 315–344) über den einflussreichen Kölner Juristen und Musikliebhaber Erich Heinrich Verkenius (1776–1841) und dessen Bedeutung für das Musikleben in Köln. Besondere Aufmerksamkeit bekommt Verkenius’ Musikaliensammlung.
Eef Overgaauw