Alberto Luongo, La Peste Nera. Contagio, crisi e nuovi equilibri nell’Italia del Trecento (Quality Paperbacks 660) Roma 2022, Carocci, 241 S., ISBN 978-88-290-1504-7. – Dieses Büchlein hat sich vorgenommen, einen kompakten italienischsprachigen Überblick zur Geschichte der Pest im Italien des 14. Jh. zu bieten: „La constatazione dell’inesistenza di una qualsiasi opera di sintesi organica sulla peste e l’Italia del Trecento è all’origine di questo libro che, stante la richiamata diversità della situazione storiografica, si propone ... di raccogliere quanto sappiamo della peste e delle sue conseguenze nella penisola“ (S. 16). Man merkt dem Buch an, dass es bereits vor Covid-19 geplant und mit Blick auf eine historische Perspektive auf die Entwicklungen des 14. Jh. geschrieben worden ist – aus Sicht des historisch interessierten Lesers ist das ein Vorteil, denn bemühten Gegenwartsbezug würde man vergeblich suchen, findet dafür aber einen Schatz an gut aufbereiteten Quellen und weiterführenden Überlegungen über die Bedeutung der Pest für das Spät-MA. L. führt Schritt für Schritt durch die einzelnen Aspekte des Themas. Er fokussiert auf einen eng gesetzten zeitlichen und räumlichen Rahmen (Italien im 14. Jh.), der aber doch nichts anderes als einen Kernbereich der bekannten Quellen und der bisherigen mediävistischen Pestforschung umreißt. Erfreulich interdisziplinär greift er gerade am Anfang des Buchs auch auf die Ergebnisse der naturwissenschaftlichen Forschung zurück und blickt dabei zwangsläufig punktuell auch über den engeren Rand des gesteckten Rahmens hinaus, was den Band breiter anschlussfähig macht. Gegliedert ist das Buch in zehn Kapitel von etwa gleicher Länge (circa 20 Seiten), die der Vorgeschichte (Kap. 1), der unmittelbaren Ereignisgeschichte und dem demographischen Einschnitt (Kap. 2 und 3), den administrativen und gesellschaftlichen Reaktionen (Kap. 4), der Neuverteilung von Armut und Reichtum (Kap. 5), den Folgen für die Wirtschaft (Kap. 6), sozialen Umwälzungen, zu denen L. auch die Aufstände der zweiten Jahrhunderthälfte zählt (Kap. 7), und den medizinischen sowie künstlerischen Reaktionen gewidmet sind (Kap. 8 und 9). Das kurze letzte Kapitel wertet dann zusammenfassend die Frage aus, wie die Pest in der Entwicklung der italienischen Geschichte des ausgehenden MA einzuordnen ist. Während im ersten Teil aufgrund der guten Forschungslage vor allem ein konziser Überblick geboten wird, der insbesondere durch den breiteren Blick auf viele Städte und Regionen Italiens bereichert, die sonst gegenüber den bekannten Beispielen – allen voran von Venedig und Florenz – weniger betrachtet werden, erlauben die Kapitel zu den Auswirkungen der Pest dann auch weitergehende Überlegungen, die zur Reflexion einladen. Das gilt etwa für die Verteilung von ökonomischen Mitteln: Einerseits konnte es durch Vererbung zu großen Vermögen der Überlebenden kommen. Dem stellt L. aber die Verschlechterung der Lebenssituation für bestimmte gefährdete Gruppen gegenüber: Für verwitwete Frauen, die in der unübersichtlichen Lage nicht immer das ihnen zustehende Erbe erlangen konnten, aber auch für die vielen Vollwaisen, deren Aufnahme durch entfernte Verwandte oder Bekannte zu prekären Situationen führen konnte – was von italienischen Städten wie Orvieto rasch erkannt und durch die Obrigkeiten reguliert wurde, wenn auch der Erfolg solcher Maßnahmen aufgrund der demographischen Nöte zweifelhaft sein dürfte. Interessant ist die Einschätzung, dass die medizinische Reaktion durchaus relevant gewesen sei, vor allem mittelfristig ein geordnetes Sanitätswesen und Regulierungen des öffentlichen Raums bewirkt habe. In die von der neueren Forschung bereits mehrfach geschlagene Kerbe, dass unmittelbare Reaktionen auf die Pest auch oft unterblieben, dass die Seuche in den Quellen mitunter fast unsichtbar werden kann, da man sich bemühte, den gewohnten Alltag – etwa beim Bestattungswesen – möglichst lange aufrecht zu erhalten, wo das nur ging, schlägt auch L. und bietet Beispiele aus Italien, die die extremen Darstellungen (etwa bei Boccaccio für Florenz) relativieren und zu einem ausgewogeneren Bild beitragen. So wird man am Schluss seinen Überlegungen gerne folgen, dass die Pest zwar einerseits eher als Beschleuniger denn als eigentliche Ursache gesellschaftlichen Wandels zu sehen sei. Krisen des Kreditwesens waren schon vor 1348/49 in Italien deutlich zu erkennen, wie L. mit Verweis auf Bankrotte von Florentiner Handelshäusern im vorausgehenden Jahrzehnt unterstreicht. Weil aber das ausgefeilte System der Kleinkredite durch die hohe Mortalität grundlegend ins Wanken geriet, musste seit der Jahrhundertmitte eine Neuausrichtung der Wirtschaft erfolgen. Die Pest forcierte in L.s Sicht also gesellschaftliche Prozesse, schnitt sie aber gerade nicht ab. Zugleich macht L. deutlich, dass dies nicht bedeutet, dass die Pest keine Auswirkungen auf den Gang des Lebens gehabt hätte – vielmehr veränderte sie alle Lebensbereiche. Ein wichtiger Punkt sei dabei nicht die Katastrophe von 1348/49 allein, sondern die Erkenntnis gewesen, dass sich die Pestepidemien nun regelmäßig wiederholten, was den Zeitgenossen seit den 1360er Jahren klar geworden sei. Stärke und Schwäche des Bandes liegen in seinem Konzept begründet. Die Anmerkungen sind sehr überschaubar und verweisen ausschließlich auf direkte Zitate. Dieses Manko wird durch eine ausführliche kommentierte Bibliographie abgefedert, die Interessierten eine Möglichkeit bietet, sich nach Kapiteln geordnet einen Überblick zur Forschungslage zu verschaffen und besser zu verstehen, auf welcher Basis L. seine Darstellung im jeweiligen Kapitel aufgebaut hat. Ein Index hilft zudem, einen besseren Zugriff auf den Inhalt zu bekommen. Wer also einen Überblick zur Pest im Italien des 14. Jh. sucht, der wird hier fündig werden.
Romedio Schmitz-Esser