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Stephan Dusil, Researching Medieval Canon Law around 1900. The Life and Work of Viktor Wolf Edler von Glanvell (1871–1905) (Rechtsgeschichtliche Forschungen 1) Baden-Baden 2023, Nomos, 147 S., 6 Abb., ISBN 978-3-7560-1136-0, EUR 44. – Ohne große Umschweife nennt D. direkt zu Beginn das Ziel seines Buchs: Er möchte eine Werkbiographie Wolf von Glanvells, des unter Rechtshistorikern bekannten Editors der Kanonessammlung des Deusdedit, schreiben und ihn als Forscher in seinem v. a. wissenschaftlichen Zeitkontext verorten (S. 9). Dazu unterzieht D. von Glanvells akademische Arbeiten einer intensiven Lektüre und nutzt für seine Studie zudem vielerlei Archivmaterial. Zu Recht macht er darauf aufmerksam, dass bis heute eine Geschichte der kanonistischen Forschung im 19. und beginnenden 20. Jh. fehlt (S. 11). Wolf von Glanvell ist auch deshalb ein interessanter Forscher, weil er nicht unbedingt als Kanonist, sondern eher als hochtalentierter Bergsteiger bekannt ist – eine Passion, die ihn Anfang Mai 1905 das Leben kostete, als er am Fölzstein tödlich verunglückte. Nach der Einleitung stellt D. in Kapitel 2 (S. 13–26) den Lebensweg des Grazers von Glanvell dar. In diesem Kapitel werden auch seine Bergsteiger-Aktivitäten angesprochen, die einen sehr wichtigen Bestandteil seines Lebens darstellten. Dies spiegelt sich in seinen populärwissenschaftlichen und alpinistischen Publikationen wider, die kurz in Kapitel 3 (S. 27–30) erörtert werden. Kapitel 4 (S. 31–59) widmet sich dann den Editionen von Glanvells. Er edierte zuerst die Kanonessammlung in der Hs. Vat. lat. 1348. Diese Sammlung war bis dahin unbekannt. Er konnte die Hs. 1895 bei einem mehrmonatigen Forschungsaufenthalt in Rom einsehen. Sein Hauptwerk ist die Edition der Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit, die nur in der Hs. Vat. lat. 3833 vollständig überliefert ist und vor 1087 entstand und die D. samt ihrer Entstehungsgeschichte und Rezeption eingehender untersucht. Wolf von Glanvell hatte die Edition im Jahr 1900 übernommen, nachdem man sie am Österreichischen Historischen Institut Rom unter der Leitung Theodor von Sickels trotz Vorarbeiten nicht beenden konnte. Die Edition war 1904 fertig und erschien 1905 – und ist bis heute maßgeblich. Ein beabsichtigter zweiter Band ist aufgrund des frühen Todes von Glanvells nie erschienen. Kapitel 5 (S. 61–75) widmet sich zwei Studien von Glanvells, die sich mit privatrechtlichen Fragen im kirchlichen Kontext beschäftigen und Rechtssätze aus dem dritten Buch des Liber Extra analysieren, dies in der Form von glossenartigen Kommentaren. Die Studien wurden in der Fachwelt ambivalent aufgenommen. Im sechsten Kapitel (S. 77–100) ordnet D. Wolf von Glanvell in den wissenschaftlichen Kontext seiner Zeit ein, wobei er auf von Glanvells akademische Lehrer und Kollegen, seine Privatbibliothek sowie die Bedeutung von Editionen eingeht. Es wird deutlich, dass von Glanvell stark von seinen akademischen Lehrern beeinflusst war und sich allgemein gut zeittypischen methodischen Ansätzen zuordnen lässt, auch wenn er bisweilen als traditionalistisch beschrieben werden muss. In Kapitel 7 (S. 101–103) werden die Ergebnisse noch einmal konzise zusammengefasst. Kapitel 8 (S. 105–109), der Epilog, geht kurz auf sein Nachleben ein: Wolf von Glanvell ist ganz überwiegend als Bergsteiger in Erinnerung geblieben. Die Studie hat mehrere Appendices, und zwar eine Übersicht über alle Publikationen und Vorträge von Wolf von Glanvell (S. 111–114), eine Übersicht über seine in Graz gehaltenen Lehrveranstaltungen (S. 115f.), eine Rekonstruktion seiner Privatbibliothek (S. 117–120) und die Edition der beiden Gutachten (S. 121–124), mit denen er 1897/98 habilitiert wurde. An der Bibliographie (S. 127–143) kann man gut ablesen, wie viel Archivmaterial herangezogen wurde. Den Abschluss bilden Register der Hss., Werke und Kanonessammlungen sowie der Namen (S. 144–147). Das anregende und sehr gut lesbare Buch sei uneingeschränkt insbesondere jenen empfohlen, die sich mit ma. Kirchenrecht befassen und über einen der wichtigeren Editoren und seinen Zeitkontext Näheres erfahren möchten.

D. T.