Francesco Borghero, Ser Lando di Fortino dalla Cicogna. Notariato e ascesa sociale a Firenze nel tardo Medioevo (Biblioteca storica toscana 88) Firenze 2024, Olschki, XXII u. 334 S., ISBN 978-88-222-6922-5, EUR 45. – Das Buch basiert auf Archivalien eines Notars, der aus dem Umland von Florenz stammte und im 14. Jh. lebte. Es handelt sich um etwa zehn Registerbände aus den Jahren 1345–1376, in denen Rechtsakte verschiedener Natur in gekürzter, aber rechtsgültiger Form aufgezeichnet sind (imbreviature). Die Karriere des Lando di Fortino endete nicht in seiner Geburtsregion (dem oberen Arnotal), sondern führte ihn auch in die Stadt Florenz, wo Lando im Dienst des Generalabts von Vallombrosa und in dem des Bischofs tätig war. So ermöglichen seine Imbreviaturregister Einblicke in ganz unterschiedliche Milieus (Stadt und Land, Patriziat und hoher Klerus) und das in einer sehr unruhigen Zeit. Sie fällt genau in die Jahre der Schwarzen Pest (1347–1349), die in Florenz zwischen 1359 und 1363 noch mehrmals heftig wieder aufflammte. Die demographischen Folgen der Seuche wirkten sich freilich auf Landos Karriere positiv aus, denn da viele seiner Kollegen nicht überlebt hatten, konnte er immer wichtigere Rollen unter den professionellen Notaren der Stadt übernehmen. Das Buch reiht sich ein in einen lebhaften Forschungsdiskurs zum Notariat in der Toskana, in dem sich zwei Hauptströmungen abzeichnen: einerseits zur Rolle des Notariats in der Gesellschaft, andererseits zu mehr technischen Aspekten. Zur ersten gehören unbestritten Sergio Tognetti, Da Figline a Firenze. Ascesa economica e politica della famiglia Serristori (2003), und Philippe Lefeuvre, Notables et notabilité dans le contado florentin des XIIe–XIIIe siècles (2022), zur zweiten Andreas Meyer, Felix et inclitus notarius (2000, vgl. DA 58, 351f.), Rémi Oulion, Scribes et notaires face à la norme dans la Toscane du haut Moyen Âge (2013), und Franek Sznura, I debiti di Dante (2014). Weiter konnte B. von den reichen Erträgen des Forschungszentrums Notariorum Itinera (https://notariorumitinera.eu/) profitieren. Sein Buch bietet Beiträge zu beiden Forschungsströmungen. Florenz erscheint darin als ein Ort der Einwanderung und des sozialen Aufstiegs vieler Angehöriger der ländlichen Oberschicht. Dieser Aufstieg wurde für die Notare erleichtert durch die Entwicklung eines ausgedehnten und stabilen Netzwerks professioneller Beziehungen. Freilich bedeutete die Einwanderung keineswegs den endgültigen Bruch mit der Herkunftsregion: Die vormaligen ländlichen Notabeln und jetzt neuen Stadtbürger übten immer noch die Kontrolle über ihren Grundbesitz aus. So konnte die Stadt über diesen Zufluss von Immigranten intensivere Beziehungen zu ihrem Umland entwickeln. Der Reichtum dieser Neureichen erschöpfte sich nicht im Grundbesitz: Die Nachkommen Landos di Fortino – wie diejenigen vieler anderer Immigrantenfamilien – betätigten sich auch im Handel und in der Produktion. So war Florenz in der zweiten Hälfte des 14. Jh. alles andere als ein Ort des wirtschaftlichen Niedergangs. Wenn auch diese wirtschaftlichen Aspekte in B.s Untersuchung weitgehend im Vordergrund stehen, verdient ein weiteres Ergebnis seiner Arbeit ebenfalls hervorgehoben zu werden: Das toskanische Notariat verdankte seinen erfolgreichen Aufstieg in die höheren Schichten der Aristokratie auch seinem intellektuellen Profil. Gerade damit dürfte es die Aufmerksamkeit so vieler Wissenschaftler in den letzten 30 Jahren auf sich gezogen haben.
Enrico Faini (Übers. V. L.)