Pre-Carolingian Latin Computus and its Regional Contexts. Texts, Tables, and Debates, ed. by Immo Warntjes / Tobit Loevenich / Dáibhí Ó Cróinín (Studia traditionis theologiae 54) Turnhout 2023, Brepols, 254 S., Abb., ISBN 978-2-503-60556-2, EUR 70. – Der Sammelband zur vorkarolingischen Osterfestrechnung reiht sich ein in eine Veröffentlichungsreihe, die von den Hg. im Zuge der regelmäßig veranstalteten Computus Conference in Galway präsentiert wurde. Deren Entwicklung seit 2006 lassen die Hg. in ihrem Vorwort (S. 11–16) Revue passieren und dokumentieren so den vielfältigen Wissensfortschritt, der aus diesem weltweit vernetzten Diskussionsforum zur ma. Zeitrechnung erwachsen ist. Diesen belegen auch die in dem Band vorgelegten Einzeluntersuchungen, denen stets ein Abstract und eine sehr hilfreiche Liste von Keywords vorangestellt ist. Daniel Mc Carthy, The Zeitz Paschal Table of AD 447 (S. 17–85), liefert eine vollständige Beschreibung aller erhaltenen, auch der unlängst (2005) entdeckten Textfragmente, gefolgt von einer Rekonstruktion dieser Ostertafel (Zeitz, Stiftsbibl., fol. 33) und dem Versuch, der historischen Bewertung ihrer Entstehungssituation rund um den Streit um die Osterdaten in der Mitte des 5. Jh. näherzukommen. – Colin Ireland, How King Oswiu made Northumbria Orthodox. The Social and Political Background of the ‘Synod’ of Whitby (AD 664) (S. 87–120), rückt einen oft vernachlässigten Aspekt komputistischer Forschung in den Mittelpunkt, die Frage nach den gesellschaftlichen, religiösen und politischen Implikationen, in die auch eine programmatische Entscheidung über die Zeitrechnung eingebunden ist. – Eine erneute Diskussion von Bedas Argumentation zum problematischen, da in seinen Parametern für die ma. Osterrechnung nicht auflösbaren Datum der historischen Kreuzigung am 25. März 29 liefert Leofranc Holford-Strevens, ‘If you find it, give thanks’. A Problematic Chapter of Bede’s De temporum ratione (S. 121–140). – Als innovativ ist Immo Warntjes, A Visigothic Computus of AD 722 (Leiden, Universiteitsbibliotheek, VMI 11, 26r–27r (S. 141–157, mit Abb. der Hs.), zu bewerten, der erstmals eine bislang unbekannte Abhandlung zur Osterrechnung für den Zeitraum 722–816 ediert und westgotischer Provenienz zuweist. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, dass dieser Text als komplett unabhängig von vergleichbaren Überlieferungen dieses Zeitrahmens zu bewerten sei. – David Howlett, Irish Computistical Texts of the Seventh Century. Three Dating Passages (S. 159–175), vergleicht zwei Textpassagen irischer Provenienz („Münchener Computus“, Clm 14456, und Bremen, Staats- und Univ.-Bibl., msc 0046) mit dem Zyklus des Victorius von Aquitanien bezüglich des 140. und 141. Zyklusjahrs und sucht dies im Hinblick auf die Genese des abendländischen Komputus fruchtbar zu machen. – James T. Palmer, An Eighth-Century Irish Computus in Lombardy (S. 177–200), untersucht den allein in drei Hss. des 11. Jh. überlieferten, aber in das Jahr 747 zu datierenden Computus Amiatinus im Hinblick auf seine Relevanz für die irische Tradition der Osterfestschriften. – Der Band wird beschlossen durch die über den gesteckten Zeitrahmen hinausweisende Untersuchung von C. Philipp E. Nothaft, Victorian Survival in High Medieval Chronography. The Strange Case of the Angevin Paschal Chronicle (S. 201-222, mit Abb.), der u.a. die Hs. Oxford, Bodleian Library, Bodley 309, fol. 113r–120r, aus dem 11. Jh. als bemerkenswertes Zeugnis für die Passionszählung nach Victorius von Aquitanien nachweist. Insgesamt liefert der Band einen eindrucksvollen Beleg für die Vielfalt der unter dem Stichwort ma. Chronologie und Komputistik subsumierten Themen- und Forschungsfelder, die nicht nur spezifische Fachfragen erörtern, sondern gerade in der Vernetzung auch mit allgemein-mediävistischen Fragestellungen wie z.B. dem Kulturtransfer oder der gesellschaftlichen Relevanz von Zeitrechnung ganz neue Erkenntnisse bereitstellen können.
Brigitte Englisch