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The Medieval Chronicle 14, ed. by Erik Kooper / Sjoerd Levelt, Leiden / Boston 2022, Brill, XIII u. 267 S., Abb., ISBN 978-90-04-47146-7, EUR 79,50. – Der Band ist in vier Teilbereiche gegliedert, die jedoch nicht unmittelbar aus dem Inhaltsverzeichnis hervorgehen. Erst die Einleitung der Hg. (S. IXf.) macht die Unterteilung deutlich: Vier Beiträge behandeln entsprechend der thematischen Ausrichtung der Reihe spätantike bzw. ma. Chroniken (S. 1–84). Fünf Beiträge mitsamt einer separaten Einleitung sind den „Frankish Minor Annals“ gewidmet und gehen auf zwei Sektionen des International Medieval Congress in Leeds 2018 zurück (S. 85–216). Daran schließen vier Rezensionen an (S. 217–233), gefolgt von einer Studie zusammen mit einer Edition zu der bislang kaum beachteten Fortsetzung des anglo-normannischen Brut für die Jahre 1332–1357 in der Sammelhs. New Haven, Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library, Ms 86 (S. 234–267). – Im Folgenden sei nur auf eine Auswahl der Beiträge eingegangen. Nicholas Coureas, The Phenomenon of the Divine in Medieval Cypriot Chronicles and Chronicles Referring to Cyprus (S. 1–26), fragt nach der Beschreibung göttlicher wie satanischer Einflüsse in altfranzösischen, italienischen und zypriotisch-griechischen Chroniken des 12.–16. Jh., die entweder auf Zypern geschrieben wurden oder thematisch mit der Insel in Verbindung stehen. – Lynne Echegaray, Narratives of Poisoning in the Chronicles of Pedro López de Ayala (S. 27–46), untersucht Berichte über die viel diskutierten Fälle von Vergiftungen im Umfeld der kastilischen Könige in der zweiten Hälfte des 14. Jh. anhand von vier Chroniken des königlichen Kanzlers Pedro López de Ayala und bewertet sowohl deren Glaubwürdigkeit als auch moralisch-didaktischen Zweck. – Im nächsten Beitrag geht es ebenfalls um den Tod am königlichen Hof: Catherine Emerson, Nicole Gilles’s Presentation of the Death of Louis XI and the Collection of Symbols of Kingship (S. 46–62), vergleicht die Schilderungen von Nicole Gilles und Philippe de Commynes zum Tod Ludwigs XI. im Jahr 1483 hinsichtlich der zugrundeliegenden Quellen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass beide Autoren sich zumindest teilweise auf dieselbe Überlieferung gestützt haben. – In der Einleitung zu den Beiträgen, die den „Minor Frankish Annals“ gewidmet sind, plädieren Bart van Hees / Sören Kaschke für eine Neubewertung der fränkischen Annalen des 8. Jh. und schlagen vor, sie als Gattung sui generis zu behandeln (S. 87–91). – Bart van Hees, Minor Annals and Frankish History Writing (S. 92–112), skizziert zunächst potentielle Ansätze für weitere Forschungen, die das Wissen über die Praxis der Geschichtsschreibung in der Karolingerzeit vertiefen könnten. Sieben Textzeugen der Annales Laureshamenses-Mosellani dienen ihm als Beispiel, um auf das Potenzial einer Untersuchung des kodikologischen Kontexts hinzuweisen. – Sören Kaschke, Fluid Historiography: The Annales Petaviani and the (Re)Writing of History in the Eighth Century (S. 113–135), macht wiederum deutlich, dass die in drei Hss. überlieferten Annales Petaviani charakteristisch für die Arbeitsweise fränkischer Geschichtsschreiber seien, deren Texte offenbar regelmäßig aktualisiert und an veränderte Rahmenbedingungen angepasst wurden, um auf wechselnde Interessen des Lesepublikums zu reagieren. – Robert Flierman, Hoc anno rex plures interfecit: The Year 782 in the Major and Minor Annals (S. 136–158), beschäftigt sich mit den divergierenden Bewertungen der Ereignisse des Jahres 782 seitens fränkischer Annalisten, die sowohl in der Darstellung des Geschehens als auch in der Zuschreibung der Verantwortung erheblich voneinander abweichen. Im Fokus stehen dabei der Sieg der Sachsen über die Franken in der Schlacht am Süntel sowie die umstrittenen Hinrichtungen in Verden. – Robert Evans, Christian Language and the Frankish ‘Minor’ Annals: Narrative, History and Theology in the Late Eighth Century (S. 159–183), analysiert den Einsatz von Inkarnationsjahren, biblischen Bezügen und des Motivs der göttlichen Hilfe. Die religiöse Deutung historischer Ereignisse könne sowohl als Reaktion auf zeitgenössische Entwicklungen verstanden werden als auch auf die wachsende Bedeutung des Christentums hindeuten. – Jennifer R. Davis, Reframing the Carolingian Annals (S. 184–216), schlägt vor, die karolingischen Annalen nicht mehr vorrangig im Kontext ihrer Abhängigkeitsverhältnisse zu diskutieren, sondern sie als jeweils eigenständige und individuell erzählende Quellen zur Geschichte des Karolingerreichs zu betrachten. Unabhängig von ihrem Umfang – ob es sich nun um die ‘kleinen’ oder ‘großen’ fränkischen (Reichs-)Annalen handle – hätten sie am politischen Diskurs ihrer Zeit teilgenommen und könnten etwa auf zeitgenössische Kommunikationsnetzwerke hinweisen. – Abschließend sei festgehalten, dass die Beiträge zu den „Frankish Minor Annals“ zur kritischen Reflexion gängiger Vorstellungen anregen, während die übrigen Beiträge sich zwar mit vergleichsweise weniger prominenten Geschichtswerken befassen, dabei aber das Spektrum historiographischer Forschung aufzeigen und das Potenzial textnaher Analysen vor Augen führen. Insgesamt sind in dem Band thematisch und methodisch vielseitige Studien versammelt, die eine lohnende Lektüre bieten.

A. N.