Adrian Jusupović, The Chronicle of Halych-Volhynia and Historical Collections in Medieval Rus’, translated by Miłka Stępień (East Central and Eastern Europe in the Middle Ages, 450–1450, 81) Leiden / Boston 2022, Brill, XXIIII u. 244 S., 5 Abb., ISBN 978-90-04-50843-9, EUR 114. – Das Buch bietet die etwas verkürzte Übersetzung einer bereits 2019 in polnischer Sprache erschienenen Studie. Der Vf. ist schon seit einigen Jahren vor allem durch Forschungen zur westlichen Rus’ hervorgetreten, besonders zu dem im 13. Jh. unter Fürst Roman Mstislavič zu einer Einheit zusammengewachsenen Fürstentum Halyč-Volyn (Galizien-Wolhynien), das, begleitet von intensiven Beziehungen zu Ungarn und Polen, begann, eine Sonderrolle in der Geschichte der alten Kiever Rus’ zu spielen, die schließlich seit dem späteren 14. Jh. in die (geteilte) Integration in die Länder der polnischen Krone und des Großfürstentums Litauen mündete. Eine Galionsfigur in dieser historischen Entwicklung und zugleich in der retrospektiven Wahrnehmung als Vorreiter einer ukrainischen Selbständigkeit bildet Fürst Danilo Romanovič, der 1253 eine vom Papst übersandte Königskrone annahm. An der neuesten kritischen Edition der galizisch-wolhynischen Chronik war der Vf. im Jahr 2017 als Ko-Herausgeber maßgeblich beteiligt (vgl. DA 74, 284f.). Die Herausgeber deuten dort durch den Nebentitel (Chronica Romanoviciana – „Chronik der Romanoviči“) explizit die enge Verbindung der regionalen Geschichtsschreibung mit dem das Fürstentum regierenden Zweig der Rjurikidendynastie an, die auch in dem besprochenen Buch zum Tragen kommt; einen anderen Faktor bilden die „Historical Collections in Medieval Rus’“, deren Erwähnung im Buchtitel allerdings etwas missverständlich geraten ist. Denn das polnische Original benennt nur eine „Sammlung“ (im Singular!), und auch das Vorwort der englischen Fassung lässt keinen Zweifel daran, dass es insgesamt um eine besondere historische Sammlung geht, deren fünf Bestandteile kapitelweise vorgestellt werden, das sind 1. Das Enkomion Roman Mstislavičs und der Letopis’ des späten 12. / frühen 13. Jh.; 2. Die Kiever Chronik der Rostislaviči; 3. Die hypothetische Chronik Danilos; 4. Inspirierte Chronistik; 5. Der Chronist Vladimir Vasil’kovičs. Das solchermaßen geformte Gesamtwerk, das nicht eigenständig erhalten, sondern nur als Kopie in der sogenannten Hypatiuschronik (Ipat‘evskaja letopis’) aus dem 15. Jh. überliefert ist, umfasst insgesamt den Zeitraum vom Tod Romans im Jahr 1205 bis 1291. Seine Schwerpunkte werden komprimiert in einer chronologisch-jahresweise angeordneten Tafel (S. 198–209) informativ benannt, in der eine Spalte die in der vorangehenden Analyse herausgefilterten Narrative („Construction of the narrative“) einzelnen (chronologisch gereihten) Textabschnitten zuweist: den Fürstentümern Halič und Volyn, den Hauptorten Vladimir und Chełm, der Sichtweise der Romanoviči („The Romanovichi perspective“), einer der gefährlichen Lage geschuldeten Darstellung („Thread-based layout“) der Jahre 1245–1259 mit den Bedrohungen seitens der Tataren und Litauer, aber auch der bloßen chronologischen Anordnung (ab dem Jahr 1229 überwiegend). Die chronologische Tafel erfasst auch die Kongruenz der Chronica Galiciano-Voliniana zur Hypatiuschronik. Einer breiteren Leserschaft, die der slavischen Sprachen nicht mächtig ist, die aber Interesse an den historischen Landschaften Galizien und Wolhynien hat, bietet J. mit diesem Buch in englischer Sprache einen quellenkritischen Zugang, der zugleich kompetent den historischen Hintergrund des so ereignisreichen 13. Jh. beleuchtet.
Christian Lübke