Sini Kangas, War and Violence in the Western Sources for the First Crusade (History of Warfare 143) Leiden / Boston 2024, Brill, XII u. 436 S., 20 Abb., ISBN 978-90-04-69033-2, EUR 155,15. – An Büchern, die sich mit dem Ersten Kreuzzug befassen, besteht insgesamt wohl kein Mangel, das Thema scheint für die Forschung nach wie vor von Belang zu sein. Die finnische Historikerin legt nun eine sehr breit angelegte Studie zur Gewalt in den Quellen des Ersten Kreuzzugs vor. Darin geht sie der Frage nach, wie sich die Autoren zur Gewalt äußern, um die Denkweise derjenigen, die an der Unternehmung partizipierten, besser verstehen zu können. Es geht ihr um den Glauben, aber auch um die Taten der Kreuzfahrer, um ihre Moral, um ihre Traditionen, nicht zuletzt auch um die militärische Praxis. Die Ideologie der Kreuzfahrer entstand aus einer Kombination aus römischem Recht, christlicher Theologie, militärischem Brauchtum und Volksglauben. All dem geht K. in ausführlichen Kapiteln nach, wobei sie sich zunächst der kanonischen Theorie und dem bellum iustum zuwendet. Hierbei betont sie zu Recht den Einfluss von Augustinus, dessen Ideen Eingang in das kanonische Recht fanden, doch hätte bei Ivo von Chartres besser herausgearbeitet werden können, wie sehr der Kirchenvater hier rezipiert wurde. Anders als viele andere Arbeiten zum Thema macht sich K. auch Gedanken darüber, was ein „heiliger Krieg“ aus ihrer eigenen Sicht ist, doch fehlt hier wirklich viel Forschungsliteratur. Sie kommt letzten Endes zu dem Schluss, dass der Kreuzzug als „a narrow case“ des heiligen Krieges gesehen wurde, während letzterer wiederum eine Erweiterung des gerechten Krieges war (S. 110). Im zweiten Teil geht die Vf. auf die militärischen Traditionen ein und befasst sich mit der Kriegführung der Zeit. K. deckt ein breites Spektrum an Themen ab, wobei sie stets sehr quellennah arbeitet. Bei ihren Bemerkungen zur Versorgung von Wunden unterscheidet sie allerdings zu wenig zwischen christlicher und muslimischer Medizin. Im letzten großen Kapitel befasst sich die Vf. mit dem Glauben der Kreuzfahrer. Dass K. an dieser Stelle auf das Konzil von Clermont samt der Predigt Urbans II. eingeht, versteht sich im Grunde von selbst. Natürlich setzt sie sich auch mit der Bußfunktion des Kreuzzugs auseinander. Im Glauben der Kreuzfahrer war göttlicher Beistand ein wichtiger Erfolgsgarant, die Quellen zeigen die Präsenz Gottes auf dem Schlachtfeld, der die Krieger zum Sieg führt, flankiert von Heiligen. Wenn K. im Einklang mit der Kreuzzugsforschung behauptet, dass die Bezeichnung crucesignati für die Kreuzfahrer erst im späten 12. Jh. aufkam, dann ist dies nicht ganz richtig, denn bereits Albert von Aachen kennt diese Begrifflichkeit. Nicht zu Unrecht geht K. auf die aggressive Jesusfigur ein, die Raimund von Aguilers seiner Leserschaft präsentiert, doch sei ergänzend hinzugefügt, dass dieser „Jesus“ nicht nur feige Kreuzfahrer, sondern auch Juden hasst. Auch wenn gerade die deutsche Kreuzzugsforschung viel zu wenig rezipiert wurde, so liegt doch eine Stärke des Buchs in dem großen Fundus an Quellenstellen, den es aufbietet.
Boris Gübele