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Sandra Schieweck-Heringer, Iberische Grenzregime. Die Herrschaftsgrenzen Kastiliens im Vergleich (1140–1400) (Geschichte und Kultur der Iberischen Welt 18) Münster 2021, LIT Verlag, 396 S., ISBN 978-3-643-25038-4, EUR 34,90. – Die Diss. ist ein Beitrag zum „spacial turn“: Der titelgebende, aus den Politikwissenschaften stammende und von der Migrationsforschung präzisierte Begriff „Grenzregime“ konzeptionalisiert Grenzen als das Ergebnis dynamischer Aushandlungsprozesse von Räumen, an denen stets verschiedene Akteure beteiligt sind (S. 12). In eben diesem Sinn untersucht die Vf. die Konstruktion von sowie den Umgang mit Grenzen des Königreichs Kastiliens zu jenen von Aragón, Navarra, León (vor 1230), Portugal und dem Nasridenemirat. Auf Grundlage von ca. 40 Verträgen zwischen den genannten Reichen zeigt Sch.-H. in einem ersten Großkapitel, dass Grenzbestimmungen zu Beginn des Untersuchungszeitraums (seit Alfons VII.) noch vage ausfallen und großflächig weite Gebiete benennen. Nach und nach wurden frühere Verträge im Zuge der Reconquista nicht nur ergänzt, sondern auch um detailliertere Angaben von Städten und Burgen präzisiert. Zunehmend wurden dann Besitzungen diesseits und jenseits der Grenzen immer kleinteiliger aufgeführt und Grenzen überdies durch Steine auch visuell gekennzeichnet. In Fallstudien gilt der zweite Abschnitt dem konkreten Umgang an und mit eben diesen Grenzen an der Wende vom 13. zum 14. Jh. – der Frage, wie Grenzen etabliert, gehalten und gestaltet wurden. Die Vf. untersucht Rituale, die Grenzsetzungen vernehmbar machen (beispielsweise das öffentliche Vorlesen der Verträge), lokale Grenzkonflikte sowie grenznahen und grenzübergreifenden Handel. Damit treten neben den Herrschern Akteure wie Große, Kommunen, Stadträte und unterschiedlichste Bewohner der Grenzregionen in den Blick. Im Großen wie im Kleinen kann die Vf. zeigen, dass der Umgang an und mit Grenzen fast immer pragmatischen Anforderungen folgt und dass Konflikte eher diplomatischer oder ökonomischer, nicht religiöser Natur sind. In dieser Hinsicht unterschieden sich die Grenzen kaum. Bemerkenswert ist der Befund, dass die Bezeichnung frontera zunächst für die Grenze zum muslimisch beherrschten Gebiet reserviert war, nach und nach aber auch auf diejenigen zwischen den Reichen christlicher Könige übertragen wurde. Aufbauend auf der internationalen Forschung und sehr quellennah gearbeitet bietet die Diss. einen lesenswerten Beitrag zur Geschichte der Iberischen Halbinsel im Hoch- und Spät-MA. Die von Sch.-H. erprobten Perspektiven lassen sich indes auch für andere Grenzregionen fruchtbar machen, die Lektüre des Buchs sei daher einem weiteren Kreis als nur Experten der hier untersuchten Königreiche empfohlen.

Barbara Schlieben