DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

L’abbaye de Bellevaux. Neuvième centenaire 1119–2019, vol. 1: Fondation et rayonnement d’une abbaye cistercienne. Actes du colloque (Vesoul, 16 et 17 mai 2019). Textes réunis par Nathalie Bonvalot / Romain Joulia; vol. 2: Le premier siècle (1119–1220). Le premier censier (début XIVe siècle). Documents recueillis et traduits par Gérard Moyse / René Locatelli (Collection Annales littéraires 1034) Besançon 2022, Presses univ. de Franche-Comté, 2 Bde. mit 371 u. 422 S., Abb., ISBN 978-2-84867-920-4, EUR 70. – Die zwei Bände sind dem ersten Zisterzienserkloster der Franche-Comté gewidmet, der ersten Tochtergründung von Morimond. Der erste versammelt Beiträge von 20 Vf. mit neuen Annäherungen an das Kloster im speziellen und den Zisterzienserorden im allgemeinen; der zweite befasst sich mit dem archivalischen Bestand, der aus den Jahren 1119–1220 309 Stücke umfasst, die im Original oder in Kopie in zwei Chartularen und im ältesten Zinsregister der Abtei (Anfang 14. Jh.) erhalten sind. Die 15 Beiträge des ersten Bandes werden eingeleitet durch Gérard Moyse (S. 19–24). Er hebt die Bedeutung von Bellevaux hervor, die einerseits auf seinem umfangreichen Archivbestand beruht – der lange Zeit schwer zugänglich war, da in einen öffentlichen und einen privaten Fonds unterteilt –, andererseits auf den archäologischen Kampagnen von Nathalie Bonvalot mit Unterstützung des Eigentümers Félix Ackermann. Den Reigen der qualitätvollen Aufsätze eröffnet René Locatelli (S. 25–55) mit einer Rückschau auf die Situation der Christenheit Anfang des 12. Jh. und einer Verortung der Expansion des Zisterzienserordens und der Gründung von Bellevaux im Herzen einer Bewegung monastischer Reformen. Nicole Brocard (S. 57–82) stellt die Anfänge des Klosters in der Zeit von 1119 bis 1220 vor anhand einer detaillierten statistischen Untersuchung der im zweiten Band edierten Dokumente. Der rasante Aufstieg von Bellevaux zwischen 1120 und 1160 ist in ihren Augen zurückzuführen auf die Unterstützung durch die Erzbischöfe von Besançon und durch die Familie de La Roche, die dem Konvent den Aufbau eines soliden Grundbesitzes ermöglichten. Zu diesem Zweck konnte das Kloster sich auf ein verlässliches Netzwerk von Adeligen stützen; im Gegenzug diente es seit dem Ende des 12. Jh. als Begräbnisort für Laien. Nach Anne Wagner (S. 83–88) hängt die Attraktion des Klosters mit der Verehrung des Petrus von Tarentaise zusammen, der dort gestorben und begraben ist und dessen Kult von Alexander III. gefördert wurde. Benoît Chauvin (S. 89–97) vertieft das Thema der Grablegen von Laien in Zisterzienserklöstern, indem er den Streit zwischen La Charité, einer Tochtergründung von Bellevaux, und der Mutterabtei um das Begräbnis des Ponce de La Roche (1203) untersucht. Ihm zufolge haben sich die Zisterzienser nach und nach den traditionellen monastischen Praktiken angeglichen. Ausgehend von der Arbeit von Michel Parisse über Morimond européenne (in: Cahiers Haut-Marnais, 1994), interessiert Hubert Flammarion (S. 99–115) sich für die Filiationen von Morimond in der Franche-Comté im 12. und 13. Jh., und Ernst Tremp (S. 117–130) untersucht, welche Umstände es Bellevaux erlaubten, die Klöster Lützel in der Diözese Basel (1123/24) und Montheron in der Diözese Lausanne (1135) zu gründen. Die zentrale Rolle, die die Frauen der Gründerfamilie de La Roche-sur-l’Ognon spielten, analysiert Laurence Delobette (S. 131–150), die ihre Beteiligung am Aufschwung dieses Männerklosters hervorhebt und ihr Bestreben, sich dort begraben zu lassen wie die männlichen Familienangehörigen. Die Grangien und Besitzungen von Bellevaux und die Verwaltung seines zeitlichen Besitzes sind das Thema von Nathalie Bonvalot (S. 151–163), insbesondere diejenigen in Valleroy, Champoux und Braillans. Patricia Guyard (S. 165–177), die den Beitrag von Denis Grisel († 2020) für den Druck bearbeitet hat, stellt die Organisation der Grundherrschaft von Bellevaux vor und das Netz der Beziehungen zwischen dem Kloster und den umliegenden Gemeinden im 12.–14. Jh. Vincent Bichet (S. 197–204) widmet sich detailliert den geographischen Gegebenheiten, der Topographie und der Hydrologie im Umkreis des Klosters. Diese Vorarbeit ermöglicht es, den Umgang mit dem Wasser in Bellevaux zu verstehen. Nathalie Bonvalot (S. 205–225) kann so detailliert die wasserbaulichen Anlagen des Klosters beschreiben, die noch besser erhalten sind als die von Morimond. Die ma. Bodenfliesen aus der Klosterkirche, die bei Ausgrabungen in den Jahren 1986/87 entdeckt wurden und heute im Museum von Vesoul verwahrt sind, werden durch Magali Orgeur (S. 227–240) untersucht. Weitere Beiträge behandeln neuzeitliche Themen; der Band schließt mit einer kommentierten Auswahlbibliographie von Benoît Chauvin (S. 361–369). Im zweiten Band legen M. / L. eine reiche Ernte von Dokumenten aus den Archives départementales von Haute-Saône, Doubs, Jura und Côte-d’Or vor. Mit Ausnahme des ersten Zinsregisters vom Anfang des 14. Jh. betreffen sie alle das erste Jahrhundert des Klosters (1119–1220). Eine kurze Einführung (S. 13–25) macht mit dem Fonds, insbesondere den zwei Chartularen (Archives départementales de la Haute-Saône, H 1096 und 1097), und seiner wechselvollen Geschichte von der Entfremdung durch die Familie Saint-Mauris 1813 bis zur Rückkehr in die Archive bekannt. Darauf folgt die Edition der Urkunden, nach Episkopaten geordnet, jeweils mit Übersetzung (S. 29–344), dann diejenige des Registers (S. 345–369). Schließlich findet man Fotografien von 17 Urkunden (S. 371–394), eine Auflösung der Ortsnamen (S. 397–412) und fünf genealogische Tafeln zu bedeutenden Familien der Umgegend (S. 415–420). Mag auch der erste Band mit den verschiedenen behandelten Aspekten sein Interesse haben, so ist es doch der zweite, der mit seinen Editionen wertvolles neues Material für künftige Forschungen bereitstellt. Eine regelrechte Zusammenfassung des Ganzen an Stelle des kurzen Nachworts von Romain Joulia (Bd. 1 S. 371) wäre sicher begrüßenswert gewesen, ebenso eine umfassende Bibliographie und ein (oder mehrere) Register; aber auch so ist das Ganze eine gewinnbringende Ergänzung der Forschung zur Welt der Zisterzienser seit dem Beginn des 21. Jh.

Marlène Helias-Baron (Übers. V. L.)