Testamentary Freedom, ius commune and Particular Law (c. 1400–1620), ed. by Mark Vermeer / Wouter Druwé / Maciej Mikuła (Iuris Scripta Historica 31) Leuven / Paris / Bristol, CT 2023, Peeters, 230 S., ISBN 978-90-429-5230-0, EUR 45. – Die Publikation präsentiert Ergebnisse einer 2023 im Rahmen des Projekts CELSA (Central Europe Leuven Strategic Alliance), einer Kooperation zwischen der KU Leuven und der Jagiellonen-Univ. Krakau, am Collegium Maius in Krakau veranstalteten Tagung. Das Projekt beschäftigt sich vergleichend mit dem ius commune und lokalen normativen Bestimmungen zur Erbfolge durch Testament im polnisch-litauischen Raum und den Niederlanden. Der zeitliche Rahmen entspricht einer Epoche, in der Fürsten in ganz Europa versuchten, ihre Macht zu konsolidieren und Gesetzgebung und Justizwesen stärker zu kontrollieren und zentralisieren. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt den Hg. zufolge auf der Erforschung der akademischen Rechtskultur in oft als „Peripherie“ Europas und der Rezeption und Anwendung des ius commune bezeichneten Gebieten: dem Königreich Polen, dem Großherzogtum Litauen, der Böhmischen Krone, den Niederlanden und deutschen Gebieten wie Sachsen und Brandenburg (S. 8f.). Der Band enthält eine Einleitung der Hg. und drei thematische Sektionen mit jeweils drei chronologisch angeordneten Beiträgen. Die Sektionen beschäftigen sich mit der testamentarischen Praxis als „Lupe“ (lens) zur Beobachtung sozialen Lebens (I), dem Verhältnis von ius commune, lokalem Rechtsdiskurs und Praxis (II) und mit Verhältnis von Partikularrecht und Testierfreiheit (III). In den Aufsätzen zum Spät-MA geht es um Erbteilung in Flandern und Brabant (Chanelle Delameillieure, S. 17–35); Quellen und Rechtspraxis von durch Testamente geregelten Erbschaften in ländlichen Gebieten Polens (Agnieszka Bartoszewicz, S. 37–54); consilia der Löwener Rechtsprofessoren Robertus de Lacu († 1483) und Nicolaus Everardi († 1532) zu letztwilligen Verfügungen (Wouter Druwé, S. 83–104); die Anzahl der erforderlichen Zeugen bei der Errichtung von Testamenten in Friesland im 15. Jh. (Marvin Wiegand, S. 105–130); die Literatur der differentiae zum Thema der Quarta Trebellianica und den Beziehungen von Rechtspraxis und gelehrtem Diskurs des ius commune in Spät-MA und früher Neuzeit (Piotr Alexandrowicz, S. 131–152); letzten Willen, Verfügungen von Todes wegen und Testamente im sächsischen Recht (vom Sachsenspiegel bis zu den Kursächsischen Konstitutionen von 1572) und den Einfluss des ius commune auf das sächsische Recht (Adrian Schmidt-Recla, S. 155–169) und um Testierfreiheit im böhmischen Recht (16. Jh. und ma. Vorläufer-Regelungen) (Marek Starý, S. 171–202). Im Zentrum der Betrachtung stehen das mitunter erkennbare Spannungsverhältnis zwischen dem Willen des Erblassers und Beschränkungen der Testierfreiheit durch gesetzliche und gewohnheitsrechtliche Bestimmungen, Formerfordernisse und Interessen Dritter, die sich auch aus der sozialen, rechtlichen und familiären Situation und der Standeszugehörigkeit der Betroffenen ergeben konnten. Die Zusammenschau der Aufsätze zeigt, dass sich in allen behandelten Gebieten zunächst ähnliche Fragen stellten: die Stellung von Ehegatten (einschließlich Witwengut, Schicksal der Aussteuer der Frau, gegenseitige Schenkungen, gemeinsames Testament, kinderlose Ehe, etc.), die Erbberechtigung und gegebenenfalls Enterbung von Kindern, die Behandlung un- und außerehelicher Kinder, die Gleich- oder Ungleichbehandlung von Söhnen und Töchtern, Erst- und Nachgeborenen, Pflichtteile, Erbengemeinschaften, Erbverträge und Erbeinungen, Fideikommisse; spezifische Bestimmungen für Kleriker, Unfreie, Adelige und zur Immobilien- und Landbesitzvererbung usw. Eine wichtige Rolle spielten u.a. auch Unterschiede in den Formerfordernissen zwischen römischem (Erfordernis von sieben Zeugen bei der Testamentserrichtung) und kanonischem Recht (geringere Zeugenzahl), der Einfluss der städtischen Rechtskultur und von Stadtrechten wie dem Magdeburger Recht auf ländliche Gebiete, die Verhinderung eines übermäßigen Anwachsens von Besitz der „toten Hand“, die Notwendigkeit, herrscherliche oder grundherrliche Erlaubnisse für Testamente einzuholen. Insgesamt erweist sich der Untersuchungsgegenstand als bestens für länder- und epochenübergreifende Vergleiche geeignet. Für Leser ohne Kenntnisse der slawischen Sprachen bietet der Band auch sehr interessante Einblicke und Zusammenfassungen des neueren Forschungsstands zu Ostmitteleuropa in englischer Sprache.
Gisela Naegle