DA-Rezensionen online

Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,2 (2025) *.

Sie bleibt nach Erscheinen der Printausgabe online verfügbar.

Pietro Silanos, Nel segno del toro. Conflitto e identità nello spazio politico parmense (secc. XII–XV) (Micrologus Library 124) Firenze 2024, SISMEL – Edizioni del Galluzzo, X u. 342 S., 10 Abb., ISBN 978-88-9290-354-8, EUR 59. – Auf den ersten Blick scheint es überraschend, dass S. eine Monographie vorlegt, die lediglich zwei überlieferte Objekte ins Zentrum stellt: einen aus 27 Pergamenturkunden zusammengefügten Rotulus mit Zeugenaussagen zur bischöflichen Gerichtsbarkeit in Parma und im Territorium der Stadt aus dem frühen 13. Jh. sowie die nicht mehr erhaltene steinerne Darstellung eines Stiers am ersten Palazzo del comune der emilianischen Metropole. Die Zeugenaussagen entstammen einem Prozess, in dem Bischof Obizzo Fieschi beim Papst gegen die Usurpation von Gerichtsrechten durch die Stadtregierung geklagt hatte und im Sommer 1220 von Honorius III. Recht bekam. Weil sich das päpstliche Urteil nicht durchsetzen ließ und es erneut zu Konflikten gekommen war, fanden der Bischof als Vertreter des Bistums und der Podestà Torello da Strada als Repräsentant der Kommune zu einem Kompromiss, der am 10. Juni 1221 öffentlich geschlossen und ratifiziert wurde. Torello da Strada ist das Scharnier, das die beiden Ausgangspunkte der Studie miteinander verbindet, denn zur Erinnerung an ihn und seinen Namen wurde die Statue des Hornviehs errichtet. Der weitgefasste Titel des Buchs verweist darauf, dass S. weit mehr vorlegt als nur eine Auswertung der extrem detaillierten und faszinierenden Zeugenaussagen zur bischöflichen Herrschafts- und Konfliktpraxis im späten 12. und frühen 13. Jh. bzw. Beobachtungen zu den „Zeichen der Ordnung“, wie er in Anlehnung an Ch. F. Weber formuliert (S. 241). Vielmehr bietet der Band eine ausführliche Darlegung der Entstehung des bischöflichen Grundbesitzes und seiner Herrschaftsrechte seit der späten Karolingerzeit und verfolgt den wachsenden Raum, den die Kommune im „spazio politico“ von Parma seit dem 12. Jh. einnahm. Dies kontextualisiert er mit der Einordnung der lokalen Ereignisse in das Spannungsgefüge von Kaisern und Päpsten, insbesondere ab dem Konstanzer Frieden von 1183, sowie mit der Genese des römisch-kanonischen Prozessrechts. Mit der zentralen Figur des Torello da Strada stellt S. einen Angehörigen der politischen Klasse Oberitaliens mit engen Verbindungen zu Friedrich II. vor, der zugleich in Boccaccios Dekameron verewigt ist. Schließlich nutzt er den Stier als Ausgangspunkt, die symbolische und rituelle Dimension der politischen Praxis der Kommune anzusprechen und an einigen Beispielen bis ins ausgehende MA zu verfolgen. Das Buch bietet also ausgehend vom konkreten Beispiel eine ebenso facetten- wie detailreiche Darstellung des politisch-religiösen institutionellen Gefüges von Parma im überregionalen Horizont der Stauferzeit. Besonders innovativ ist, dass der Aufstieg der Kommune zur dominierenden Institution während des 12. Jh. aus der Perspektive eines ‘Verlierers’ nachgezeichnet wird, denn die Herrschafts- und Gerichtsrechte des Bischofs wurden schlussendlich in symbolische und pekuniäre Erträge umgewandelt. Darin setzt S. Ansätze fort, die vor allem an der Mailänder Univ. Cattolica in den letzten Jahren vorangetrieben worden sind, die Dynamiken von Recht und Politik während des Hoch-MA unter angemessener Berücksichtigung kirchlicher Akteure neu zu vermessen, wie dies zum Beispiel G. Andenna, M. P. Alberzoni, N. D’Acunto und G. Cariboni getan haben.

Christoph Dartmann