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Stefan Pätzold (Hg.), Chroniken als Quellen der landesgeschichtlichen Forschung (Westfälische Quellen und Archivpublikationen 32) Münster 2023, LWL-Archivamt für Westfalen, 164 S., Abb., ISBN 978-3-936258-36-3, EUR 20. – Die Historische Kommission für Westfalen hat sich eine westfälische Quellenkunde zur Aufgabe gemacht. In diesem Kontext steht der Tagungsband. Roman Deutinger (S. 11–24) behandelt Welt- und Reimchronistik im ma. Westfalen, der mit zwei Beiträgen vertretene Wilfried Reininghaus Dietrich Westhoff und die Dortmunder Chronistik des 14.–18. Jh. (S. 25–38) und chronikalische Elemente in westfälischen Stadt- und Amtsbüchern vor 1806 (S. 123–131), Markus Müller (S. 39–56) Text und Kontext am Beispiel der spätma. Münsteraner Bistumschronik des Florenz von Wevelinghoven, Gunnar Teske (S. 77–121) bürgerliche und adelige Familienchroniken und Hausbücher. Hervorstechend ist der ausgezeichnete Beitrag von Brigitte Englisch, Passio domini? – Grundlagen und Entwicklungen chronologischer Systeme im frühen Mittelalter (S. 133–163), bei dem man sich nur fragt, ob er nicht am falschen Platz publiziert ist. Behandelt wird die Durchsetzung der Inkarnations-Datierung gegenüber der älteren Passio Domini-Datierung in der karolingischen Reform. Anlass zu Fragen gibt der Beitrag von Stefan Pätzold (S. 57–76) über westfälische Kloster- und Stiftschroniken des MA und der frühen Neuzeit. Er meint damit „in einem Kloster oder Stift entstandene“ Texte und „Schriften, die sich überwiegend mit dem jeweiligen geistlichen Institut selbst beschäftigen“ (S. 58). Dafür wertet er das Westfälische Klosterbuch (1992–1994, vgl. DA 53, 776) aus, übersieht aber dort genannte Werke, so die in MGH SS 16 S. 439–441 edierte Gründungsgeschichte des Klosters St. Marien Überwasser in Münster (11. Jh.). Unbekannt sind ihm aus demselben Kloster auch chronikalische Aufzeichnungen von 1460–1533 (Landesarchiv NRW, Abt. Westfalen, Studienfonds Münster), ebenso Chroniken wie die des Klosters Galiläa (Meschede). Unkritisch folgt er Sebastian Schröder (Nonkonforme Nonnen und ‛böze Lutterie’, 2019) und übernimmt dessen Fehleinschätzung der Ordenschronistik in der Bursfelder Reform, besonders in Frauenklöstern. In Unkenntnis des seit Heike Uffmann (2008, vgl. DA 67, 325f.), Charlotte Woodford (2002/08), den Studien im Umkreis der Ausstellung „Krone und Schleier“ (2005, vgl. DA 65, 904–906) und des Kölner Tagungsbands „Fromme Frauen als gelehrte Frauen“ (2010) bestehenden Forschungsstands meinte dieser bei der Chronistin Anna Roede aus dem Benediktinerinnenkloster Herzebrock in Bezug auf die Reformation das Motiv feststellen zu können, „ihre eigene Gegenwart verstehen zu können“ (S. 74). Doch gibt Anna Roede selbst als Motiv ihrer historischen Rückbesinnung Bewahrung der geistlichen, rechtlichen und ökonomischen Kontinuität ihres Konvents zu erkennen. Angesichts dieser pragmatischen Ausgangssituation erübrigt sich die von P. als Forschungsperspektive vorgeschlagene Suche nach der „Vorstellungswelt der Verfasserin“ (S. 74).

Harm Klueting