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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

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Women and Monastic Reform in the Medieval West, c. 1000–1500. Debating Identities, Creating Communities, ed. by Julie Hotchin / Jirki Thibaut (Studies in the History of Medieval Religion 54) Woodbridge 2023, Boydell & Brewer, XVIII u. 276 S., 2 Karten, 19 Abb., ISBN 978-1-83765-049-1, GBP 95. – Die Frauenklosterforschung hat ihren Finger am Puls der Zeit, wie der Titel des Sammelbandes eindeutig zeigt, denn Reform, Verhandlung, Identität, Gestaltung und Gemeinschaft sind Begriffe, die gegenwärtig nicht nur in Diskussionen der Mediävistik oft genannt werden. Es ist allerdings weniger das Ziel der Beteiligten, sich in das Minenfeld gegenwartsbezogener Debatten zu begeben, als vielmehr dem Fachpublikum die Ergebnisse ihres internationalen Zusammenschlusses zur Verfügung zu stellen, der sich nicht zuletzt dank des IMC 2019 in Leeds und des Projekts „Re-evaluating Female Monasticism’s ‘Ambiguous Identities’ in the Ninth-to-Eleventh-Century West“ gegründet hat (S. XVf.). Den Auftakt bildet eine Einleitung der Hg. (S. 1–23) zu zehn Fallstudien, die geographisch, zeitlich und auch in ihren Untersuchungsgegenständen breit gefächert sind. Die Beiträge sind chronologisch sortiert; eine geographische oder thematische Ordnung wäre aber ebenso möglich. So behandeln Gordon Blennemann (S. 24–56), Katie Ann-Marie Bugyis (S. 57–80), Mercedes Pérez Vidal (S. 154–179) und John Glasenapp (S. 249–269) vor allem hsl. Zeugnisse als Text und Objekt. Tracy Collins (S. 81–97) und Jennifer Edwards (S. 202–226) analysieren die Zusammenhänge zwischen spirituellen Vorstellungen und monastischer Architektur. Julie Hotchin / Vera Henkelmann (S. 98–131) und Katharina Ulrike Mersch (S. 227–248) leisten eine detaillierte Auswertung und Einordnung textiler Arbeiten monastischer Frauen, während Elena Vanelli (S. 132–153) und Sherri Franks Johnson (S. 180–201) den organisatorischen Kräften zwischen Frauenkonventen und ihren Orden nachspüren. Hier wie auch in mehreren anderen Artikeln stehen die Zisterzienserinnen im Mittelpunkt. Weitere wiederkehrende Aspekte sind das Verhältnis zwischen monastischen Frauen und Männern auf organisatorischer und ideeller Ebene, sowie das besondere Augenmerk auf den Ausdrucksformen, mit denen die Rolle der Gottesbräute von den Frauen selbst und von ihrem jeweiligen regionalen und überregionalen Umfeld verhandelt wurde. Solche Verhandlungen der sozialen Rolle und des Selbstverständnisses wurden besonders in Augenblicken monastischer Erneuerungsbewegungen virulent, die wiederum recht unterschiedliche Akteure und Motivationen in sich vereinigen konnten. Hier trafen Erwartungen und Konzepte aufeinander, die eine Positionierung quasi unumgänglich machten. Auch die Formen und Ergebnisse solcher Debatten konnten unterschiedlich ausfallen. Und schließlich waren Reformen weniger fest umgrenzte Momente, als vielmehr prozesshafte und nicht-progressiv-teleologische Entwicklungen auf kultureller und sozialer Ebene. Durch diese (völlig folgerichtige) Aufweichung und Erweiterung des Reformbegriffs in der Klosterforschung der jüngeren Zeit beginnen nun auch bislang eher abseitig liegende Quellen, ihren Informationsgehalt zu offenbaren. Gleichzeitig wird so aber die monastische Reform selbst zu einem Instrument mit zunehmender Unschärfe. Es ist daher etwas schade, dass der Band keine Artikel speziell zu mendikantischen und beginischen Kommunitäten, zu Reformgegnerinnen oder zur protestantischen Reformation enthält, in denen nochmals andere Strukturen und andere Reaktionen kontrastiert werden könnten. Dieser Wunsch aus der bequemen Position der Rez. heraus ist freilich wohlfeil und soll keinesfalls die vorhandenen Studien abwerten. Lediglich in der Einleitung, die einen auf englischsprachiger Literatur basierenden Überblick der Reformforschung enthält, kann die definitorische Klammer des Bandes als schwammig bezeichnet werden. Etwas verwunderlich ist auch die mehrfach formulierte Absicht, konventionelle Narrative und frühere Einschätzungen von Reform als negativ oder irrelevant für Frauen korrigieren zu wollen (Klappentext; S. 7f.), da diese Mauer doch längst schon eingerissen ist. Die Hg. betonen allerdings selbst, dass der Band nicht eine neue Erzählung von Frauen und Reform oder eine Synthese der verschiedenen Standpunkte bieten möchte, sondern einen Beitrag zum differenzierten Verständnis der Bemühungen und Ausdrucksformen religiöser Frauen, die in der Auseinandersetzung mit Änderungserwartungen ihre gewünschte Lebensform aktiv ausgestalteten (S. 17). Dies ist zweifelsfrei eindrucksvoll gelungen.

Lena Vosding