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Guido Faccani (Hg.), Das Grab von Erzbischof Erkanbald († 1021). Erforschung einer Sarkophagbestattung in der ehemaligen Mainzer Kathedrale St. Johannis, Regensburg 2024, Schnell & Steiner, 120 S., zahlr. Abb., 14 Karten, 10 Schaubilder, ISBN 978-3-7954-3743-5, EUR 20. – Der mit Bischof Bernward von Hildesheim verwandte Erkanbald amtierte von 997 bis 1011 als Abt von Fulda, bevor er durch Heinrich II. zum Erzbischof von Mainz berufen wurde und dort ein Jahrzehnt wirkte. Er bereicherte die Mainzer Sakraltopographie durch das außerhalb der Stadt gelegene Kanonikerstift St. Maria im Feld (später Heilig Kreuz). Das spätma. Nekrolog des Stifts gibt Auskunft über den Tod seines Gründers im August 1021 und die Beisetzung in der St. Johannis-Kirche (sepultus ad s. Iohannem). Damit ist der sogenannte Alte Dom in Mainz gemeint. Erkanbald ist der erste Mainzer Erzbischof, für den ein Begräbnis in seiner Kathedrale nachweisbar ist (vgl. Ernst Gierlich, Die Grabstätten der rheinischen Bischöfe vor 1200, 1990, vgl. DA 47, 732, S. 169f.). Der Alte Dom wurde 1036 durch einen benachbarten, St. Martin geweihten Kathedralneubau ersetzt und als Stiftskirche St. Johannes nachgenutzt. Der dortige Bestattungsplatz Erkanbalds war bis 1737/38 durch eine Tumba gekennzeichnet, deren Inschrift überliefert ist (Die deutschen Inschriften 2, 1958, S. 349 Nr. 654). Archäologische Untersuchungen wurden in der seit 1828 evangelischen Kirche durch den Einbau einer Fußbodenheizung ab 2013 möglich (vgl. Marlene Kleiner / Matthias Untermann, Der Alte Mainzer Dom, in: In situ 9, 2017, S. 153–162; Guido Faccani, St. Johannis – ursprüngliche Mainzer Kathedrale, in: Archäologie in Deutschland 6,2, 2020, S. 24–27; ders., St. Johannis, 2021). Aufsehenerregend – und wichtig für die Diskussion um die Frage nach dem Alten Dom – war der im Sommer 2019 gemachte Fund eines Sarkophags im Mittelschiff der Kirche, der aufgrund der historischen Überlieferung mit Erkanbald in Verbindung gebracht wurde (vgl. ausführlich Ernst-Dieter Hehl, Der alte und der neue Dom in Mainz, das Grab des Erzbischofs Erkanbald [1011–1021] und die „Entstehung“ der Johanniskirche, in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte 74, 2022, S. 11–62). Entdeckt wurde im schweren Steinbehälter die mäßig erhaltene Bestattung eines großen älteren Mannes in geistlicher Gewandung, der mit Kalk bedeckt war. Nach der Einleitung (S. 9–15) fasst der Hg. (S. 17–37) die bauhistorische Entwicklung von St. Johannis aufgrund der Grabungsergebnisse zusammen. Ein spätantiker Großbau wurde im 5./6. Jh. mutmaßlich zur Bischofskirche umgenutzt. Um 1000 entstand unter Erzbischof Willigis der doppelchörige Neubau der Martinskathedrale mit Westkrypta, der bereits 1009 ausbrannte. Danach erfolgte eine Wiederherstellung des Gebäudes. Vor dem neu errichteten Ostchor wurde Erkanbald am Ende des Mittelschiffs in einem Sarkophag unter dem Kirchenfußboden beigesetzt; es ist anzunehmen, dass der Bestattungsort durch eine darüberliegende Inschriftplatte gekennzeichnet war. Den Sarkophag und die um 1250 über einem neuen Tonplattenboden errichtete steinerne Tumba Erkanbalds behandelt Rüdiger Gogräfe (S. 39–56). Bei jüngeren Erhöhungen des Fußbodenniveaus blieb zumindest die Deckplatte des Denkmals bis zu seiner Entfernung im 18. Jh. sichtbar. Dem Sarkophag aus rotem Sandstein widmet sich der Hg. (S. 59–68). Wichtig waren C14-Datierungen (Alfred Dewald / Guido Faccani, S. 71–74): Ein Fußwurzelknochen des Individuums wies für eine Altersbestimmung zu wenig Kohlenstoff auf. Deutlich älter sind vier Insektenlarven aus dem Sarkophag aus dem Früh-MA, die F. mit einer vorherigen Belegung des Steintrogs in Verbindung bringt. Die Untersuchung durch die Konstanzer Anthropologin Carola Berszin (S. 77–81) ergab, dass der Beigesetzte 1,82 m groß war und ein matures bis frühestseniles Lebensalter von etwa 40 bis 60 Jahren erreicht hatte. Er litt an Fußgicht und einer chronischen entzündlich-rheumatischen Erkrankung der Wirbelsäule (Morbus Bechterew). Eine Todesursache war nicht festzustellen. Das Skelett war sehr brüchig. Vom Schädel war kaum etwas vorhanden. Für eine genetische Untersuchung reichte die Qualität des in Bozen von Albert Zink beprobten Felsenbeins nicht. Aufgrund der Beobachtungen der Restauratorin Anja Bayer und der Schweizer Textilforscherin Regula Schorta (S. 83–103) ist anzunehmen, dass der Tote eine Glockenkasel aus blauer Seide trug, die mit einer Goldborte am Nacken abschloss. Über der Kasel war ein Wollstoff vorhanden, dem Seidenkreuze eingearbeitet waren. Dabei handelte es sich um ein den Metropoliten kennzeichnendes Pallium (S. 92–96). Geringe Seidenreste mit schmalem Streifenbesatz dürften zu einem unter der Kasel getragenen, mit Medaillons mit Tierdarstellung gemusterten Gewand (Dalmatika oder Tunicella) gehört haben (S. 96). Weiterhin trug der Beigesetzte eine verzierte Fußbekleidung, an deren Ziegenleder mit der C14-Methode eine Altersbestimmung auf die Jahre um 1000 möglich war (S. 96–100). Die Seidenkasel, das Pallium, die Dalmatika (?) und die Schuhe gehören zusammen mit dem Pallium zur Pontifikalgewandung eines Erzbischofs. Die anzunehmende Albe als Untergewand fehlt im Nachweis. Eine Mitra als Kopfbedeckung kommt für eine Bestattung spätottonischer Zeit nicht in Frage, der Erzbischof war barhäuptig beigesetzt. Der Tote trug keine strumpfartigen Beinlinge, sondern Beinbinden aus Wolle, die so nicht zum Pontifikalornat gehörten (S. 101). Der Kopf ruhte wohl auf einem Federkissen, von dem sich letzte Reste fanden (ebd.). Der Abschlussbeitrag von Ernst-Dieter Hehl (S. 105–114) würdigt Wirken und Nachwirken Erkanbalds. Leider fehlt dem aufwendig gedruckten und gut illustrierten Buch eine Zusammenfassung im Hinblick auf die Gesamterkenntnis. Obwohl die Identifizierung nicht durch eine zeitgenössische Grabauthentik gesichert ist, sondern nur durch die jüngere inschriftliche Benennung des Bestattungsplatzes wahrscheinlich gemacht werden kann, muss die Zuschreibung als wissenschaftlich verifiziert gelten, da mit der Datierung in spätottonische Zeit kein anderer Erzbischof zur Verfügung steht. Erkanbald dürfte 965/67 im niedersächsischen Ölsburg in der dortigen Grafenfamilie geboren und mit etwa 30 Jahren Abt von Fulda geworden sein, zum Zeitpunkt der Bischofsweihe im fünften Lebensjahrzehnt gestanden haben und vielleicht 55-jährig verstorben sein. Sein Vorgänger Willigis († 1011) kommt nicht zur Identifizierung in Frage, da er in seiner Stiftsgründung St. Stephan beigesetzt wurde. Dies gilt auch für Erkanbalds Nachfolger, den 1031 im Westchor des noch unfertigen Domneubaus bestatteten Erzbischof Aribo. Die Position des Sarkophags am Ostende des Mittelschiffs nahm Bezug auf den Chor mit dem Johannesaltar, für den Erkanbald als Bauherr zu gelten hat. Die Sarkophagbestattung selbst dürfte aber bereits im Hinblick auf die Körperlage nicht ungestört sein. Unter den zu erwartenden Beigaben fehlen beispielsweise Bischofsstab und Fingerring. Der Kalküberguss dürfte nicht gleich bei der Bestattung zur Absorption von Verwesungsflüssigkeiten und -gerüchen erfolgt, sondern mit jüngeren Bauarbeiten in Verbindung zu bringen sein, die in romanischer Zeit für die Stiftskirche St. Johannis bezeugt sind und spätestens bei Errichtung der Tumba erfolgt sein können.

Bernd Päffgen