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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

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Peter Dinzelbacher, Vision und Magie. Religiöses Erleben im Mittelalter, Paderborn 2019, Verlag Ferdinand Schöningh, VI u. 221 S., 21 Abb., ISBN 978-3-506-78732-3, EUR 59. – D., der zahlreiche Publikationen zur Erforschung religiöser Erfahrungen vorgelegt hat, erörtert in den hier vorgelegten, seine Monographie „Vision und Visionsliteratur im Mittelalter“ (vgl. DA 39, 344f.; 2., stark erw. u. aktualis. Aufl. 2017) ergänzenden Studien Phänomene, die ihn seit langem beschäftigen: Visionen und Träume, sowie deren Typologisierung und mentalitätsgeschichtliche und psychologische Einordnung. Die acht Kapitel sind durchweg mit detailliert erzählten Beispielen aus den Quellen einschließlich originalsprachlicher und gegebenenfalls übersetzter Zitate gesättigt. Vision und Magie zusammen zu sehen (Kap. 1), erlaubt es dem Vf., magische Praktiken jenseits kirchlicher Rechtgläubigkeit, wie Nekromantie und Zauberei, zu thematisieren und zu systematisieren. Geistlich Lebende sowie als deviant Gelesene, wie etwa Hexen, erscheinen als Protagonisten. Auf Basis der Annahme „durch die historischen Epochen konstanter anthropologischer Grundgegebenheiten“ (S. 59) widmet der Vf. das umfangreichste Kapitel (Kap. 2) „Zur Psychologie der Visionäre“ der Erforschung der „psychischen Realitäten“ (S. 43) hinter ma. Visionen nach Maßgabe heutigen medizinisch-wissenschaftlichen Wissens. Ihm sei „nicht fraglich, daß auch das im Mittelalter so häufige Phänomen der Visionen und Erscheinungen aus dem Bereich des Übernatürlichen, Numinosen, Transzendenten und Mysteriösen in jenen nachvollziehbaren psychologischen Wissens verschoben werden kann, wie es mit so vielen anderen religiösen Phänomenen … bereits der Fall war“ (S. 85). Die mit Methodik und Schlussfolgerungen des Vf. teils seit längerem verbundenen Kontroversen werden angesprochen. Besessenheit, sei es durch Dämonen oder sei es im Enthusiasmos durch Gott, erörtert der Vf. im Blick auf dabei vorkommende Visionen und Erscheinungen (Kap. 3). Seine Diss. von 1973 ergänzend legt er neue schriftliche und bildliche Quellen zum Motiv der Jenseitsbrücke bzw. der Himmelsleiter und zu Motiven funktional ähnlicher Dinge als Werkzeuge des Übergangs oder des Aufstiegs vor (Kap. 4). Der Erzengel Michael wird in seinen diversen Funktionen als Heiliger gezeigt (Kap. 5). Bei den zeitgenössischen Beurteilungen von Visionen sowie Visionären (Kap. 6) sei die Frage der discretio spirituum hervorgehoben. Der Vf. stellt erwähnte sowie zu edierende Visionen zusammen (Kap. 7) und blickt auf Visionen in der Neuzeit (Kap. 8). Ein – erweiterungsfähiges – Personen- und Titelregister beschließt einen Band, der im Rahmen der der interdisziplinären, internationalen Forschung bekannten Theorien und Thesen des Vf. weiteres Material in dichter Weise präsentiert.

Sabine Schmolinsky