Anna Esposito, „Roma pare una abatia spogliata“. Una città e i suoi abitanti al tempo della peste (1522–1523). Appendice: Andrea Turini, Utile consiglio preservativo e curativo della peste, a cura di Giuseppe Crimi (RR inedita 101) Roma 2022, Roma nel Rinascimento, 190 S., Abb., ISBN 978-88-85800-85-0, EUR 34. – Das periodische Auftreten der Pest in Rom seit dem Quattrocento ist inzwischen gut dokumentiert, doch erst der vorliegende Band widmet sich erstmals der gewaltigen Pestepidemie, die während des kurzen Pontifikats Papst Hadrians VI. (1522/23) in Rom wütete. E., durch zahlreiche Publikationen ausgewiesener Spezialistin für Rom in MA und Renaissance, gelingt es auch in diesem Band, auf der Grundlage ihrer nahezu exklusiven Kenntnis der dezentralen römischen Archivlandschaft eine bemerkenswerte analytische Rekonstruktion der Stadt, ihrer Bewohner und der Ereignisse vorzulegen. Die zentrale Frage lautet: Wie gingen die Bewohner Roms mit der Pest um, wie reagierten sie auf die virulente Seuche? Es ist kein Zufall, dass dieses intensive Werk, das frühere Studien der Vf. mit neuen verbindet, im Corona-Jahr 2020 entstand, das ihr Gelegenheit gab, die Entvölkerung der Stadt Rom, die Ansteckung, die Maßnahmen und Strategien der päpstlichen und kapitolinischen Behörden zur Bewältigung der durch die Epidemie verursachten Notlage zu untersuchen. Vor allem aber gelingt es ihr, die wichtigsten Protagonisten dieses tragischen Ereignisses in den Mittelpunkt zu rücken: die Bewohner der Urbs, die Romani und die forenses, die Probleme, mit denen sie in dieser schwierigen Situation konfrontiert waren, ihr Verhalten, ihre Geschichten. Schon im ersten Teil, der dem Leben in der Stadt gewidmet ist, wird der Titel des Buchs verständlich: Die „abatia spogliata“ ist das Symbol für den rapiden Bevölkerungsrückgang, der Mitte 1522 einsetzte. Wer es sich leisten konnte, verließ die Stadt, allen voran die Kardinäle mit ihrem Gefolge und die Barone von Rom. Bis zum 9. Januar 1523 griffen die Stadtverwaltung und die Vertreter des Apostolischen Stuhls nicht ein, während die Zahl der Opfer täglich stieg, das Wirtschaftsleben stagnierte und Roma caput mundi in Aufruhr war. In den Hospitälern, die von den Bruderschaften getragen wurden, stiegen die Personalkosten ins Unermessliche, und es fehlte an Geld. Die Einwohner bekämpften die Seuche mit Essig, Parfüm und verwandten Produkten sowie mit überlieferten Heilmitteln, die seit jeher in Pestzeiten verwendet wurden. Die Angst, in einem Massengrab zu enden, ging durch alle sozialen Schichten. Es fehlte an Solidarität in den zwischenmenschlichen Beziehungen, gleichzeitig wurde in öffentlichen Andachten, Gebetsrufen, ständigen Prozessionen und mit abergläubischen Handlungen das Mitleid Gottes erfleht. Im zweiten Teil konzentriert sich die Vf. auf die Notariatsurkunden, die zu Recht als „una fonte privilegiata“ (S. 73) bezeichnet werden. Hier wird deutlich, wie Rechtsquellen ein ausschnitthaftes und dabei realistisches Abbild des gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und individuellen Lebens sein können. Die Vf. nutzt diese Quellengattung, um den modus operandi der während der Epidemie in Rom verbliebenen oder zeitweise anwesenden römischen und nichtrömischen Notare zu erfassen, die privat, in der Stadtverwaltung oder am Rechnungshof der Apostolischen Kammer „an vorderster Front“ tätig waren. Dabei geht es naturgemäß in erster Linie um die Errichtung von Testamenten und Schenkungen, aber auch um andere Urkunden wie Vollmachten, Schuldscheine, Unterhaltsforderungen etc. Wenn die Notare ihre Klienten aufsuchten, handelten sie ante portam domus ihres eingeschlossenen Klienten – wohl wissend um die Ansteckungsgefahr (propter suspitionem morbi). Notar und Klient konnten sich aber auch auf der Straße, in einer Kirche oder außerhalb der Stadt treffen, und nur im Hospital von Santo Spirito di Sassia konnten die Infizierten ihr Testament direkt am Krankenbett aufsetzen. Oft konnte die vorgeschriebene Anzahl von sieben Zeugen propter periculum pestis nicht herbeigerufen werden, andererseits wurden vom Testierenden vorsichtshalber zwei Zeugen mehr verlangt. Die Vf. weiß auch die tagebuchartigen Eintragungen in den Notariatsakten sowie die den Urkunden beigefügten Inventare zu nutzen, die von den Testamentsvollstreckern, den Erben selbst oder den zuständigen Richtern in Auftrag gegeben wurden, aber auch von Privatpersonen, wenn sie Rom verließen und ihren Besitz Freunden oder Hospitälern zur Aufbewahrung anvertrauten. Eine akribische Aufarbeitung der nun einsetzenden obrigkeitlichen Erlasse als Maßnahmen gegen die Pest und zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung schließt den Teil ab. Im dritten Teil werden unter dem Titel „Storie“ mehrere Dokumente zum Thema Frauen, Juden etc. besprochen bzw. ediert. Inmitten der von der Pest bedrohten Bevölkerung Roms verfasste der Arzt Andrea Turini das medizinische Werk „Utile consiglio preservativo e curativo della peste“. C. hat es herausgegeben und ausführlich kommentiert – eine wertvolle Appendix zum vorliegenden Werk, das die Schwelle zur Neuzeit zwischen Humoralpathologie und Hygienevorschriften markiert. Und soeben haben E. und C. eine Biographie Papst Hadrians VI. vorgelegt. Man darf gespannt sein.
Gisela Drossbach