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Mediterraneo mare aperto (secc. XII–XV). Atti del LIX Convegno storico internazionale Todi, 9–11 ottobre 2022, a cura del Centro Italiano di Studi sul Basso Medioevo – Accademia Tudertina (Atti dei Convegni del Centro italiano di studi sul basso medioevo – Accademia Tudertina N. S. 36) Spoleto 2023, Fondazione Centro Italiano di Studi sull’Alto Medioevo, XI u. 418 S., XVI Tafeln, Abb., ISBN 978-88-6809-388-4, EUR 45. – Der Sammelband mit 17 Beiträgen in italienischer Sprache geht auf eine Tagung im Oktober 2022 in Todi zurück. Er präsentiert in interdisziplinärer Perspektive eine facettenreiche Analyse des Mittelmeers als kulturelles, wirtschaftliches und rechtliches Gefüge und hinterfragt dessen offene Struktur. Dieser Aspekt wird in einem essayistisch gehaltenen Aufsatz behandelt, der das Mittelmeer als multidimensionalen Raum und zentralen Knotenpunkt für den globalen Austausch beleuchtet (Franco Cardini, S. 1–16). Die Gewässer des Mittelmeers, in Verbindung mit Handelsrouten wie der Seidenstraße, erleichterten maßgeblich den Austausch von Waren, Menschen und Ideen. Trotz des permanenten Austauschs ist die Frage nach einer einheitlichen „Mittelmeerdiät“ eher als modernes Konstrukt zu betrachten. Vielmehr entwickelten die byzantinischen, islamischen und westeuropäischen Kulturräume jeweils unterschiedliche Ernährungskulturen, die durch spezifische Gebote und Verbote geprägt waren (Massimo Montanari, S. 93–106). Nicht alle Häfen wurden in gleichem Maß angelaufen, und nicht alle Handelsstädte waren überall vertreten. Alexandria fungierte als zentraler Umschlagplatz für den Handel mit der muslimischen Welt und wurde von Genuesen und Katalanen dominiert (Bruno Figliuolo, S. 143–177). Die Fischerei, für die man eine zentrale Rolle erwarten würde, war in großen Handelszentren wie Venedig oder Genua von untergeordneter Bedeutung. Stattdessen florierte sie in Küstengemeinden der Provence und Spaniens (Simone Lombardo, S. 301–334). Der rechtliche Status des Meers war in der römischen Antike nicht eindeutig definiert (Aldo Andrea Cassi, S. 61–76). Stattdessen unterlag er einer graduellen Transformation, die von der bloßen Jurisdiktion (iurisdictio) über die Herrschaftsgewalt (imperium) bis hin zum Eigentum (dominium) führte. Im MA erweiterten Juristen wie Bartolomeo di Sassoferrato und Baldo degli Ubaldi diese Konzepte, um die Gerichtsbarkeit über angrenzende Meere und Inseln zu legitimieren, was insbesondere für die Seerepubliken (Venedig, Genua, Pisa) von entscheidender Bedeutung war. Die Frage nach der „Achse“ des Mittelmeers (Francesco Paolo Tocco, S. 179–206) führt zu einer Analyse der Entwicklung Siziliens zu einem strategischen und wirtschaftlichen Zentrum, insbesondere unter der normannischen Herrschaft. Die Regierungszeit Friedrichs II. leitete den schrittweisen Verlust der unter den Normannen begründeten zentralen Rolle ein. Die Eingliederung der Insel in die aragonische Krone im Jahr 1392 führte zu weitreichenden wirtschaftlichen Veränderungen. Das Mittelmeer diente sowohl als Ort der Begegnung als auch der Abgrenzung. Dies zeigt sich im Blick islamischer Gelehrter auf die maritime Welt, die die Weltmeere anhand rechtlicher und theologischer Kategorien ordneten (Marco di Branco, S. 77–91). Die Schwächung der byzantinischen Seemacht verdeutlicht, inwiefern politische Strukturen, die an das Meer grenzten, auf dessen Kontrolle angewiesen waren. Dieser Wandel beeinflusste die Machtverhältnisse im Mittelmeerraum nachhaltig (Giorgio Ravegnani, S. 207–222), was sich exemplarisch auch an den Pisanern zeigt (Ignazio Del Punta, S. 245–267): Ihre führende Rolle im westlichen Mittelmeer, die im 11. Jh. begann, wurde Ende des 13. Jh. von den Genuesen überschattet. Der Mittelmeerraum wurde in Zentren wie Genua, Venedig und Mallorca abstrakt, d. h. kartographisch erfasst (Piero Falchetta, S. 365–384), während die Kunst zwar eine kulturelle Wahrnehmung des Raums vermittelte, aber auch technologische Aspekte des Schiffbaus versinnbildlichte (Maria Rosaria Marchionibus, S. 385–418, 32 Abb.). Die technologische Führungsrolle im Schiffbau verblieb im Mittelmeerraum, und der Austausch mit anderen Regionen scheint weitgehend einseitig gewesen zu sein – vom Mittelmeerraum nach Nordeuropa (Enrico Basso, S. 335–364). Die Unterscheidung zwischen „echten“ Pilgern und Kreuzfahrern erweist sich für die Anfänge als anachronistisch (Marina Montesano, S. 107–122, 1 Abb.). Hingegen lässt sich die Trennung zwischen negativ konnotierten Piraten und akzeptierten Korsaren als ein gradueller Prozess betrachten (Pinuccia Franca Simbula, S. 267–299). Wie die zitierten Studien von Victòria Burguera zeigen, war die strafrechtliche Behandlung von Piraten im 15. Jh. durchaus differenziert. Der Johanniterorden spielte bei deren Bekämpfung zunächst keine bedeutende Rolle. Zwar errichtete er im 15. Jh. eine auf Rhodos begrenzte Thalassokratie, doch die volle Wirkung seiner Seemacht zeigte sich erst in der Neuzeit (Kristjan Toomaspoeg, S. 223–244). Während die Finanzierung der Kriegführung und die Entwicklung moderner Verwaltungsstrukturen zeigen, wie diese mit Prozessen des „state building“ (Antonio Musarra, S. 123–142) verbunden waren, nutzte das Papsttum im 11.–13. Jh. das Konzept des dominium zur Kontrolle des Tyrrhenischen Meers. Korsika und Sardinien wurden durch kirchliche Reformen und neue Erzbistümer gesichert. Erst mit der Gründung des Regnum Sardiniae et Corsicae (1297) wurde der päpstliche Einfluss zugunsten der aragonesischen Macht eingeschränkt (Corrado Zedda, S. 17–60). Der sorgfältig redigierte Sammelband enthält wenige kleine Fehler: „1905“ statt „1095“ (S. 108), und „Giacomo II“ statt „Giacomo I“ (S. 285). Andronikos III. wird irrtümlich als Sohn statt Enkel von Andronikos II. bezeichnet (S. 220). Die Beiträge zeigen eine starke Fokussierung auf das westliche Mittelmeer, insbesondere auf Italien, Spanien und Nordafrika. Hingegen bleibt das östliche Mittelmeer mit der Levante, der griechischen Welt und der in der Einleitung erwähnten erweiterten Mittelmeerperspektive, die auch das Schwarze Meer umfasst, unterrepräsentiert. Das Bestreben, diachrone und synchrone Phänomene in ihrer Breite zu behandeln, bietet den Vorteil einer umfassenden Gesamtperspektive, führt jedoch dazu, dass einzelne Aspekte weniger detailliert ausgeführt werden konnten. Der Band trägt wesentlich zur Erforschung des Mittelmeerraums bei, indem er verschiedene Perspektiven vereint. Besonders hervorzuheben ist die Rolle des offenen Meers, „mare aperto“ im Hoch- und Spät-MA, das sowohl als Konzept wie auch in juristischen und sozialen Diskussionen eine zentrale Rolle spielt.

Alexandru S. Anca