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A Companion to Saxo Grammaticus, ed. by Thomas K. Heebøll-Holm / Lars Boje Mortensen (The Northern World 97) Leiden / Boston 2024, Brill, XXIII u. 701 S., ISBN 978-90-04-51812-4, EUR 186. – Rund zwanzig Jahre hat Saxo – mutmaßlich ein Lundenser Domkanoniker – an seinen monumentalen Gesta Danorum geschrieben, ehe er sie 1208 oder kurz danach vollenden konnte. Sie sind nicht nur die erste nationale Geschichtsdarstellung, die von den mythischen Anfängen des dänischen Volks in grauer Vorzeit bis zur Gegenwart des Autors (genauer gesagt bis 1185) reicht, sondern außerdem die ausführlichste Quelle zur Geschichte Dänemarks im 12. Jh. Es ist verständlich, dass seit der Editio princeps von 1514 das Interesse daran nie nachgelassen hat, wie nicht nur die zahlreichen Ausgaben des Werks bis hin zur jüngsten kritischen von 2015 beweisen, sondern auch ein schier unendlicher Strom an Sekundärliteratur. Erfreulich ist deshalb die Bündelung einschlägiger Forschungen in dem vorliegenden Sammelband, auch wenn dieser nicht ganz den umfassenden Handbuchcharakter erhalten hat, den sich die Hg. eigentlich gewünscht hätten. So fehlt beispielsweise, wie sie in der Einleitung (S. 1–25) ausdrücklich bedauern, ein eigenes Kapitel zur prekären Überlieferungslage, ebenso wie eines über Saxos höchst anspruchsvolle Latinität. Dafür gibt es eine ganze Reihe von Beiträgen nach dem Muster „Saxo und ...“, die alle erdenklichen inhaltlichen Aspekte des Werks behandeln, naheliegende und weniger naheliegende: Heidentum (Annette Lassen, S. 92–134) und Christentum (Torben Kjersgaard Nielsen, S. 135–202), Skandinavien (Roland Scheel, S. 203–253), Slawen (Kurt Villads Jensen, S. 254–278) und Deutsche (Erik Niblaeus, S. 279–304), Verwandtschaft (Lars Hermanson, S. 305–340), Krieg (Thomas K. Heebøll-Holm, S. 341–372), Gender (Bjørn Bandlien, S. 373–398), Geschenke (Lars Kjær, S. 399–430), Königtum (Thomas K. Heebøll-Holm, S. 431–470) und Recht (Anders Leegaard Knudsen / Helle Vogt, S. 471–495). Daneben gibt es auch stärker quellenkundlich ausgerichtete Aufsätze. Michael H. Gelting (S. 496–523) möchte aufzeigen, dass Saxo sich bei der Behandlung der jüngeren Vergangenheit stark auf schriftliche Dokumente gestützt hat, die er im königlichen Archiv vorfand. Mia Münster-Swendsen (S. 524–555) vergleicht Saxo mit seinem Zeitgenossen Sven Aggesen und dessen wesentlich weniger prätentiöser Brevis historia regum Daciae. Lars Boje Mortensen (S. 556–606) verweist auf die große Bedeutung von älteren Werken zur römischen Geschichte für Saxos Art und Weise, vergangenes Geschehen darzustellen; ein Blick auf die Überlieferungsverhältnisse von Autoren wie Orosius, Paulus Diaconus, Cassiodor, Rufinus, Justinus, Valerius Maximus und Curtius Rufus – erhellend übrigens auch dann, wenn man sich nicht speziell für Saxo interessiert – lehrt, dass Saxo einige davon nur in Frankreich kennengelernt haben kann. Anders Leegaard Knudsen (S. 607–636) mustert die ma. Rezeption des Werks, die deutlich stärker war, als es die relativ geringe Zahl an (durchweg verlorenen oder nur fragmentarisch erhaltenen) Hss. erwarten lässt; eine Schlüsselrolle spielte dabei eine Kurzfassung der Gesta Danorum (sog. Compendium Saxonis) aus dem 14. Jh., die wesentlich bequemer zu lesen ist als das Original. Karen Skovgaard-Petersen (S. 637–689) gibt abschließend noch einen Überblick über die neuzeitliche Editions- und Rezeptionsgeschichte, in dem sich William Shakespeares Hamlet mit einer beiläufigen Erwähnung begnügen muss. Vorangestellt sind dem ganzen Band die Nachdrucke von drei Beiträgen des 2012 verstorbenen Saxo-Kenners und -Editors Karsten Friis-Jensen zu Saxos biographischen Daten (S. 26–54), zu seinem Geschichtsbild (S. 55–72) und zu seiner panegyrischen Darstellung seines Auftraggebers, des Erzbischofs Absalon von Lund (S. 73–91). Ein Register erschließt (leider unvollständig) die erwähnten Personen (darunter auch ein gewisser „Saxo Grammaticus“, mit überraschend wenig Fundstellen) und einige Sachbegriffe, aber keine Ortsnamen. Insgesamt bietet der Band nicht nur eine Zusammenfassung des gegenwärtigen Forschungsstands, sondern in jedem einzelnen seiner Beiträge neue Beobachtungen und Perspektiven. Sein Preis grenzt angesichts der eher kargen Ausstattung allerdings ans Unverschämte.

Roman Deutinger