Compilatio singularis exemplorum, cura et studio Alexander Loose (CC Cont. Med. 308 – Exempla medii aevi 9) Turnhout 2021, CXL u. 853 S., ISBN 978-2-503-59308-1, EUR 495. – Die Edition dieser umfangreichen Exempelsammlung geht auf die Habil.-Schrift des Vf. zurück. Wie viele ihrer Artgenossinnen ist die Sammlung wahrscheinlich einem dominikanischen Umfeld zuzuordnen und, wie sprachliche Eigenheiten ebenso wie die Verteilung der erwähnten Lokalitäten ahnen lassen, im französischsprachigen Bereich entstanden. Die letzte genannte Jahreszahl ist 1277; zwischen diesem Jahr und den ersten des 14. Jh. dürfte die Sammlung redigiert worden sein. Der Aufbau der neun Bücher folgt einem Schema, das vom Himmlischen zum Irdischen absteigt: Von Marien- und Eucharistiewundern geht es über das Kreuz und die Engel zu geistlichen und schließlich weltlichen Personen, jeweils nach Ständen geordnet. Mehr oder weniger vollständig tradieren die Sammlung zwei Hss., Uppsala, Univ.-Bibl., C 523 (U), und Tours, Bibl. municipale, 468 (T); einzelne Exempel finden sich zudem in Bern, Burgerbibl., 679. Die Edition stützt sich im wesentlichen auf T, die L. für die zuverlässigere hält, auch wenn sie in seinem Stemma (S. XCV) eine niedrigere Position einnimmt als U. Konsequent durchgeführt ist das allerdings nicht; und bisweilen stößt man auf eine Textversion, für die es nur wenig Anhalt in der Überlieferung gibt. In c. 3, 18 (S. 25) etwa schreibt T über einen Papst Leo exaltatus ad summum pervenit gradum; U hat exaltatus est (nachträglich eingefügt) a summum pontificis (aus pontifici korr.) gradum; und in der Edition lautet der Satz dann exaltatus est ad summi pontificis gradum. Das mag sprachlich überzeugen, gibt aber im Grunde das wieder, was der Korrektor von U – über den man nicht mehr weiß, als dass er nach 1317 gearbeitet haben muss – aus seiner verderbten Vorlage zu machen versucht hat, und eher nicht das, was eine anzunehmende Urfassung enthalten hat; eine gewisse Willkür ist diesem Vorgehen nicht abzusprechen. Nicht ganz einfach ist bei einem spätma. Text die Entscheidung, wie weit man sich den orthographischen Eigenheiten der Überlieferungsträger anpassen will. L., der es mit stark vom Französischen geprägten Hss. zu tun hat (vgl. dazu S. CI–CIV), greift hier tief ein, um das Textverständnis möglichst zu erleichtern, und normalisiert gründlich nach dem klassischen Sprachgebrauch. Das ist nachvollziehbar, stellt aber andererseits auch eine gewisse Verfälschung dar; in dieser Form hat der Text im MA nicht existiert. Hervorhebung verdient der ausführliche, Fontes exemplorum überschriebene Kommentar (S. 425–790), der nicht nur Quellen und Parallelüberlieferungen akribisch verzeichnet, sondern auch zu jedem Exempel eine kurze deutsche Paraphrase mit gegebenenfalls notwendigen Sacherklärungen bietet.
V. L.