Julia Hörmann-Thurn und Taxis / Tobias Pamer / Jörg Schwarz (Hg.), Anfang und Werden – Stift Stams im Mittelalter. Vorträge der wissenschaftlichen Tagung anlässlich des 750-Jahr-Jubiläums des Zisterzienserstiftes Stams 1273–2023, Stift Stams, 22. bis 24. September 2022 (Schlern-Schriften 376) Innsbruck 2023, Univ.-Verlag Wagner, 336 S., Abb., ISBN 978-3-7030-6616-0, EUR 54,90. – Der Band vereint zwölf Beiträge, in denen die Frühzeit der Zisterze Stams als „geistlicher Zentralort des Landes Tirol“ aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Den Anfang macht Christof Paulus (S. 9–35) mit einer Untersuchung der Konradin-Tradition in Stams. Auch wenn es dafür keine zeitnahe Quelle gibt, gelingt es P., die konradinische Memoria aufgrund zahlreicher Indizien als eines von mehreren Motiven in einem langgestreckten Gründungsprozess vorstellbar zu machen. Als einen mehrjährigen Prozess sieht auch Julia Bruch (S. 37–55) die Gründung von Zisterzienserklöstern an, für die Stams wegen der hier festgemachten Handlungsmuster als ein repräsentatives Beispiel im 13. Jh. gelten kann. Julia Hörmann-Thurn und Taxis (S. 57–79) beschreibt nicht nur, wie die dynastische Grablege Stams als Identifikationsort der Tiroler Landesfürsten fungierte, sondern umgekehrt auch von deren Privilegien für die monastische Identitätsbildung, Selbst- und Fremdwahrnehmung profitierte. Obwohl kein Grabmonument der Starkenberger in Stams mehr existiert, kann Tobias Pamer (S. 81–102) anhand der schriftlichen Überlieferung zeigen, dass Stiftungen, Almosen und Bestattungsrituale zentrale Aspekte von ritteradeligen Familien in der Sorge um ihr Seelenheil waren. Neben den Landesfürsten und dem Ritteradel pflegte Stams im 13. und 14. Jh. rege Kontakte zum aufstrebenden Bürgertum der umliegenden Städte, wie Claudia Feller (S. 103–118) vor allem am Beispiel des Haller Bürgers Konrad Grantner aufzeigt. Dem Grundbesitz und den Einkünften des Stifts von den Anfängen bis ca. 1400 widmet sich Stephan Nicolussi-Köhler (S. 119–157), indem er sich nicht nur auf gedruckte und ungedruckte Urbare stützt, sondern diese quellenkritisch anhand von anderen Quellen, wie z. B. den Visitationsberichten des Kaisheimer Vaterabts, überprüft. Überzeugend werden dabei drei wesentliche Ergebnisse herausgearbeitet: die Wahrung des Besitzes trotz Krisen, die Zunahme von Geldzahlungen gegenüber Naturalleistungen und der Rückgang der klostereigenen Grangien. Einen nicht nur in hilfswissenschaftlicher Hinsicht wertvollen Beitrag liefert Jörg Schwarz (S. 159–177) zu den frühen ma. Papsturkunden für Stift Stams, die sicher auf die Initiative der Empfänger zurückgingen. In einer detailreichen Analyse gelingt es ihm zu zeigen, dass diese 20 Papsturkunden von Nikolaus III. bis Bonifaz VIII. nicht nur als rechtliche Zeugnisse von Bedeutung waren. Sie stellen vielmehr auch Dokumente der Repräsentation dar, die zum Selbstverständnis der jungen Gründung beitrugen und gleichzeitig die engen Beziehungen des Papsttums zum Orden der Zisterzienser veranschaulichen. Malte Prietzel (S. 179–199) nimmt das 15. Jh. in den Blick, in dem Maximilian I. dem Stift mehrere Besuche abstattete, das dadurch in Berührung mit der großen, europaweiten Politik der Habsburger kam. Christoph Haidacher (S. 251–272) analysiert die Hs. der für die Geschichte von Stams so überaus wichtigen Chronik des Zisterzienserpaters Wolfgang Lebersorg (ca. 1570–1646) in formaler und inhaltlicher Hinsicht (Stams, Stiftsbibl., D 40). Er sieht das Hauptverdienst des Chronisten darin, nicht nur die Geschichte des eigenen Konvents zu dokumentieren und zu illustrieren, sondern diese auch in die allgemeine Geschichte Tirols eingeordnet zu haben. Lebersorg war im 17. Jh. auch für die Bibliothek in Stams zuständig. Dieser bzw. der Rekonstruktion der heute auf viele Bibliotheken verteilten, ursprünglich ca. 400 Codices umfassenden Stamser Büchersammlung gilt die Studie von Claudia Schretter-Picker (S. 273–296). Eine von ihr ausgewertete aus der Zeit um 1300 stammende Bücherliste weist neben theologischen und liturgischen Büchern auch medizinische Werke nach. Ein solches, nämlich das sogenannte Innsbrucker Arzneibuch aus dem dritten Viertel des 13. Jh. (Innsbruck, Univ.- u. Landesbibl., 652) untersucht Kathrin Wankmiller (S. 297–319). Sie kann die Herkunft der in deutsch-lateinischer Mischsprache abgefassten Rezeptsammlung auf den Raum Regensburg eingrenzen. Von dort könnte das Werk 1273 mit den ersten Mönchen aus Kaisheim nach Stams gekommen sein und zur ersten Ausstattung der Neugründung gehört haben. Damit schließt sich der Kreis des überaus gelungenen Bandes, der auf eindrückliche Weise die Bedeutung der Zisterze als politisches und wirtschaftliches, vor allem aber als geistliches und kulturelles Zentrum Tirols herausarbeitet.
Maria Magdalena Rückert