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Digitale Vorab-Veröffentlichung der Rezension aus DA 81,1 (2025) *.

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Agostino Paravicini Bagliani, La papessa Giovanna e le sue leggende. Un percorso di ricerca tra codici e testi (Galluzzo Paperbacks 6) Firenze 2023, SISMEL – Edizioni del Galluzzo, X u. 284 S., 16 Abb., ISBN 978-88-9290-229-9, EUR 32. – Ders., Histoire de la papesse Jeanne. Une enquête au cœur des textes, Lyon 2023, Presses univ. de Lyon, X u. 284 S., 16 Abb., ISBN 978-2-7297-1431-4, EUR 18. – Es handelt sich jeweils um eine gekürzte „Studien“-Ausgabe des Buchs von 2021 (vgl. DA 79, 695): zum einen in italienischer, zum anderen in französischer Sprache. Weite Teile der Darstellung sind wortwörtlich aus dem Original übernommen bzw. ins Französische übersetzt. Der Teil mit den Quellentexten jedoch ist erheblich gekürzt, indem weniger wichtige Überlieferungen nicht in die Studienausgaben aufgenommen und die apokryphen Notizen des 16./17. Jh. ganz weggelassen wurden. Auch anhand dieser „Studien“-Ausgabe lassen sich Entstehung und Verbreitung der Legenden von der Päpstin Johanna erschöpfend nachvollziehen. Wie P. B. überzeugend herausarbeitet, war Martins von Troppau Papst- und Kaiserchronik ein entscheidender Faktor für die Verbreitung der Legende von der Päpstin Johanna: Martin war der erste, der dem weiblichen Papst einen Namen, eine Herkunft und auch eine exakte chronologische Einordnung in die Liste der Päpste gab, mit exakter Amtszeit und anschließender Vakanz. Zudem fügte er bis dahin fehlende biographische Daten (Reise nach Athen und hohes Ansehen der Päpstin) und sogar den genauen Ort der Niederkunft (zwischen Kolosseum und San Clemente) an. Zu kurz kommen in P. B.s Darstellung die Zeitumstände, unter denen Martins Papst- und Kaiserchronik durch diese Erzählung bereichert wurde: Am 8. September 1276 wurde Petrus Hispanus im Konklave in Viterbo zum Papst gewählt und nahm den Namen Johannes an, der in den Papstlisten (übrigens bis heute) die Ordungszahl XXI. erhielt, obwohl es einen Johannes XX. nie gegeben hat. Das dürfte nicht nur dem als Pönitenziar an der Kurie tätigen Martin von Troppau aufgefallen sein. Die Legende von der Päpstin war schließlich Stadtgespräch in Rom zu dieser Zeit, besonders am päpstlichen Hof. Veranlasste die weite Verbreitung der Legende – deren Aktualität wohl durch die „falsche“ Ordnungszahl Johannes’ XXI. bedingt war – den Nachtrag in der Hs. Conventi Soppressi F. 4.733 fol. 17v der Biblioteca Nazionale Centrale in Florenz? Jedenfalls ist seit diesem Nachtrag in die dritte Redaktionsstufe der Chronik, der entweder um 1277 von Martin von Troppau selbst oder von einem seiner Fortsetzer vor 1280 eingefügt wurde, die Legende der Päpstin Johanna fester Bestandteil von Martins Chronik. Dass in diesem Eintrag immer die Legendenhaftigkeit der Erzählung unterstrichen und die Aufnahme der Päpstin in die offizielle Papstliste wegen der Nichtkonformität des weiblichen Geschlechts mit dem Papstamt abgelehnt wird, spricht für die Sichtweise von Duchesne, der seinerzeit schon in seiner Ausgabe des Liber pontificalis unter Johannes XXI. in einer Fußnote festhielt: „Ce n’est pas, comme on le dit souvent, la fable de la papesse qui influa sur la manière de compter les papes de ce nom.“ Der Name Johanna aber für die legendäre Päpstin dürfte der Wahl Johannes’ XXI. und in deren Folge der Verbreitung der Legende zu verdanken sein.

H. Z.