Fernand Peloux, Les premiers évêques du Languedoc. Une mémoire hagiographique médiévale (École pratique des hautes études, Hautes études médiévales et modernes 115) Genève 2022, Librairie Droz, VIII u. 606 S., 20 Abb., ISBN 978-2-600-05752-3, EUR 49. – P. hat sich ein großes Ziel gesetzt: Die hagiographische Literatur zu den frühen Bischöfen des Languedoc von den Anfängen bis ins 15. Jh. zu verstehen – aus dem jeweiligen Entstehungskontext heraus und immer im Blick darauf, was die Autoren der Texte wohl beabsichtigten und was sie erreicht haben. Für eine Diss. ein gewaltiges Vorhaben, dem sich P. mit beeindruckendem Fleiß und klarem Verstand durchaus gewachsen zeigt. Einzig beim Zitieren von Originalquellen hätte man sich bisweilen größere Genauigkeit gewünscht, etwa bei Angaben wie „Epistuale Arelatenses genuinae, MGH III, Berlin 1892“ (S. 29 Anm. 18 u. ö., gemeint ist MGH Epist. 3, Epistulae Arelatenses genuinae Nr. 12) oder in gelegentlich leicht entstellten Zitaten (z. B. S. 344 Anm. 173 die uiginta quarta; S. 355 Anm. 247 eum statt cum; S. 401 Anm. 407 frequentur statt frequenter u. ä.). Von dieser Kritik nicht berührt sind die Neueditionen der Viten fünf heiliger Bischöfe (Amantius von Rodez, Dalmatius von Rodez, Hilarus von Gévaudan, Paulus von Narbonne und Privatus von Mende), die P. im Anhang vorlegt und die einen sehr sorgfältigen Eindruck machen. Die Heiligenlandschaft des südlichen Frankreich ist in besonderem Maß geprägt durch die Stilisierung früher Bischöfe zu Apostelschülern. Das Languedoc macht da keine Ausnahme, wenn auch für einzelne Heilige dieser Prozess ganz unterschiedlich verlaufen ist. Paulus von Narbonne und Saturninus von Toulouse treten schon in Texten des 6. Jh. auf, während Clarus von Albi erst an der Wende vom 12. zum 13. Jh. überhaupt in den Quellen erscheint – und wohl um diese Zeit als Heiliger erfunden wurde. Insgesamt zeigt sich, dass man den Entstehungsprozess des hagiographischen Corpus in mehrere Phasen untergliedern kann. Perioden mit starker Überarbeitungstätigkeit fallen meist mit solchen politischer Veränderungen zusammen, sei es das Ausgreifen des Frankenreichs nach Südwesten im Früh-MA, sei es der Aufstieg der Stadtkommune im Spät-MA. P. untersucht seine Texte bis ins Detail und entlockt ihnen die winzigsten Hinweise, die Aufschluss geben können über ihre in der Forschung oft umstrittene Entstehungszeit, über die Intention der Autoren und über die Identitätskonstruktionen von Bistümern oder auch Städten, die in ihnen sichtbar werden. Dazu stützt er sich auf eine beeindruckende Menge an Literatur der verschiedensten Disziplinen, von der Archäologie bis zur Rechtsgeschichte, referiert die zahlreichen Forschungsdiskussionen ausführlich und hat oft eigene, gut begründete Lösungen für bisher ungeklärte Fragen. Selbst wenn man dem weitgespannten Gang der Erzählung also nicht von Anfang bis Ende folgen möchte, ist das Buch immer noch als gründliches Nachschlagewerk zur Hagiographie des Languedoc zu benützen.
V. L.