Nadia Zeldes, From Mass Conversion to Expulsion. Jews and New Christians in the Kingdom of Naples (1492–1541) (Studies in Medieval Religions and Cultures) London / New York 2024, Routledge, XI u. 177 S., ISBN 978-0-367-53670-1. – Ihre neue Monographie widmet Z. einem Themenbereich, zu dem sie bereits seit über zwanzig Jahren wissenschaftlich arbeitet und publiziert: dem Schicksal der Juden und jüdischen Konvertiten zum Christentum im Süditalien des ausgehenden MA. Das Ergebnis ihrer ebenso langen wie eingehenden Forschungen richtet sich vor allem an Leser mit genügend Fachwissen, um die oft knappen Hinweise auf parallele Ereignisse und größere Zusammenhänge sowie die zeitlichen Voraus- und Rückverweise auch ohne weitere Erklärungen einordnen zu können. In acht Kapiteln schlüsselt Z. die komplexe religiöse Gemengelage auf, die im Königreich Neapel aus alteingesessenen Gemeinschaften von Juden und jüdischstämmigen Christen (neofiti), vertriebenen Sepharden und spanischen Neuchristen (conversos) auf der Flucht vor der Inquisition sowie schließlich den Zwangsbekehrten jener turbulenten Jahrzehnte entstand. Anfangs- und Endpunkt des betrachteten Zeitraums (die Edikte zur Vertreibung der Juden von der Iberischen Halbinsel beziehungsweise aus dem Königreich Neapel) setzen den Rahmen für „a tragedy whose outcome was determined well beforehand“ (S. 141). Eine der großen Stärken der Studie ist ihre breite und diverse Quellenbasis, die Texte auf Hebräisch, Latein und in verschiedenen romanischen Sprachen umfasst. Wo die verfügbaren Informationen trotz allem lückenhaft sind, zieht Z. weitere Schlüsse mit der gebotenen Vorsicht und kann auf diese Weise immer wieder gut begründete Hypothesen über den Verlauf der Ereignisse anbieten; wo im Bereich demographischer Zahlen aufgrund der Quellenlage nur sehr grobe Schätzungen möglich sind, wird diese Schwierigkeit transparent ausgewiesen. Aufschlussreich sind auch die Vergleiche, die Z. zur Situation in Kastilien und Aragón zieht. Aus unterschiedlichen Entwicklungen wie dem erfolglosen Versuch, die Inquisition nach spanischem Vorbild auch in Neapel einzuführen, und Ausweisungen, die nicht nur Juden, sondern auch getaufte Konvertiten betrafen, zieht die Vf. gut begründete Schlüsse auf die Motivationen der Akteure und den Einfluss politischer und wirtschaftlicher Bedingungen. Insgesamt schwankt die Studie ein wenig zwischen zwei verschiedenen Erklärungsmodellen: Teils beschreibt sie eine geradezu determinierte Entwicklung, die von populären Ressentiments getrieben wird, teils einen Aushandlungsprozess zwischen religiös motivierter Verfolgung und pragmatischer Toleranz auf der Ebene der Eliten. Auch wenn beide Analysen etwas kohärenter miteinander verbunden sein könnten, sind Z.s Argumente und Schlussfolgerungen doch alles in allem überzeugend und relevant für das gesamte Forschungsfeld der christlich-jüdischen Beziehungen in der Vormoderne.
Bernhard Holl